Strengere Referenzwerte für das gefährliche Gas

Radonbeobachtung muss Routine werden

Ab 2018 gilt ein strengerer Referenzwert für Radon in Gebäuden. Inwiefern ein Wohnhaus betroffen ist, muss fallweise abgeklärt werden. Bei der Umsetzung von Schutzmassnahmen empfiehlt sich ein gestuftes Vorgehen – am besten im Rahmen einer energetischen Sanierung.

Von Elias Kopf | Bilder: BAG | Dezember 2016

Dass Rauchen tödlich ist, weiss jedes Kind. Dass hingegen zehn Prozent der jährlich 2700 Lungenkrebstoten in der Schweiz nicht dem blauen Dunst, sondern dem radioaktiven Edelgas Radon zuzuschreiben sind, ist weitgehend unbekannt. Radon entsteht auf natürliche Weise im Boden. Das geruchlose Gas sickert aus dem Untergrund in die Kellergeschosse und gelangt von dort durch undichte Stellen in die Häuser und in die Lungen der Bewohnerinnen und Bewohner. Seit 1994 gilt in der Schweiz für Wohn- und Aufenthaltsräume ein Radongrenzwert von 1000 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m3). «Neue Studien haben allerdings gezeigt, dass das Lungenkrebsrisiko deutlich höher ist, als seinerzeit angenommen», erklärt Fabio Barazza, Radonexperte beim Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Die Weltgesundheitsorganisation hat daher neue Empfehlungen erlassen; auch die Schweiz wird nun im Rahmen der Überarbeitung der Strahlenschutzverordnung voraussichtlich Anfang 2018 einen neuen Referenzwert von 300 Bq/m3 in Kraft setzen. Bereits eingeflossen ist das erhöhte Radonrisiko in die SIA-Norm 180, die seit 2014 bei Neubauten die Berücksichtigung der Radonproblematik vorschreibt. Der Entwurf der neuen Strahlenschutzverordnung sehe zwar immer noch vor, dass die Kantone im Einzelfall eine Radonsanierung verfügen könnten. Im Allgemeinen werde jedoch in erster Linie an die Eigenverantwortung der Gebäudeeigentümer appelliert, so Fabio Barazza.

Stark vereinfachte Darstellung der Radonrisiko­gebiete in Österreich, Süddeutschland, Südtirol, Liechtenstein und der Schweiz.

Kamineffekt belastet Wohnung
Besonders häufig von hohen Radonwerten betroffen sind das Erdgeschoss und der erste Stock. Weiter oben verflüchtigt sich das Edelgas rasch. Ausschlaggebend für die Radonkonzentration in einem Gebäude sind weniger die regionalen geologischen Unterschiede etwa zwischen Tessin und Ostschweiz als vielmehr die Beschaffenheit des direkten Untergrunds jedes einzelnen Hauses. So sind beispielswiese Schotter und Kalkgestein gasdurchlässiger als lehmige Böden. Wichtig ist ferner die Konstruktionsweise des Fundaments. «Eine wasserdichte, betonierte Bodenplatte lässt kaum Radon durch. Steht das Haus dagegen auf einem Naturkeller, kann das gefährliche Gas ungehindert einsickern», erklärt Fabio Barazza.
Er empfiehlt deshalb, jedes Bauwerk separat zu betrachten. Sei zum Beispiel eine Tiefgarage mit Lüftung vorhanden, werde das Radon meist nach draussen abgeführt, bevor es die Wohnräume erreiche. Bei Minergiehäusern wiederum sorge der kontinuierliche automatische Austausch der Luft für tiefe Radonwerte in den Wohnungen. «Problematisch sind vor allem Altbauten ohne mechanische Lüftung. Das gilt erst recht, wenn solche Häuser energetisch saniert und luftdicht isoliert werden», so Fabio Barazza. Besonders hoch ist die Radonbelastung in der Heizphase. Denn die warme Heizluft steigt im Gebäude nach oben, was im Keller einen leichten Unterdruck erzeugt. Dieser sogenannte Kamineffekt saugt das Radon aus dem Untergrund hinauf in den Wohnbereich.

Einbau einer Radondrainage im Rahmen einer Erneuerung des Fussbodenaufbaus.

Der Einbau einer Komfortlüftung kann das Radonproblem lösen.

Im Keller ist Radon harmlos
Inwiefern in einem Gebäude tatsächlich eine Radonproblematik besteht, muss von einer Fachperson abgeklärt werden. Für grosse Wohnbaugenossenschaften kann es Sinn machen, jemanden aus dem Facility-Management-Team zur BAG-anerkannten Radonfachperson weiterzubilden. So stehen die entsprechenden Kompetenzen permanent zur Ver-
fügung. In einer ersten Phase legt die Fachperson über die Wintermonate einige Dosimeter aus. Diese können für 70 bis 100 Franken pro Gerät erworben werden. Alternativ besteht die Möglichkeit einer elektronischen Messung. Diese dauert etwa 14 Tage, ist aber technisch aufwändiger und daher teurer. Grosse Genossenschaften mit eigenem Radonexperten fahren auf Dauer womöglich günstiger, wenn sie selbst ein elektronisches Radonmessgerät anschaffen.
Die Messdaten werden von der Fachperson ausgewertet und interpretiert. Falls der zukünftige Referenzwert von 300 Bq/m3 überschritten werde, müsse man die betroffenen Räume einzeln betrachten, erklärt Falk Dorusch, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zum Thema Radon forscht: «In Keller-, Abstell- oder Wäschetrocknungsräumen, die nur kurzzeitig von Personen genutzt werden, ist Radon unproblematisch. Eine Fitnessecke oder einen Bastelraum in einem radonbelasteten Keller könnte man dagegen nach oben in die Wohnung verlegen.» Sollten Aufenthalts- und Wohnräume betroffen sein, brauche es eine professionelle Gebäudeanalyse, um die Eintrittspfade des Radons zu identifizieren. «Am besten holt man vor der Auftragserteilung mehrere Offerten ein. Denn in schwierigen Fällen braucht es aufwändige technische Verfahren ähnlich wie bei der energetischen Analyse – zum Beispiel einen Blower-Door-Test, bei dem mittels Überdruck nach Leckagen gesucht wird», erklärt Falk Dorusch. Aufgrund dieser Untersuchungen lassen sich geeignete Sanierungsmassnahmen definieren.

Nachmessung nicht vergessen
Bei der Umsetzung rät BAG-Experte Fabio Barazza zu einem stufenweisen Vorgehen: «Man beginnt mit kostengünstigen Massnahmen und überprüft mit einer erneuten Messung den Erfolg. Nur wenn nötig führt man anschliessend aufwändigere Eingriffe durch.» Weitaus am einfachsten ist es, im Kellerfenster einen kleinen Ventilator einzubauen, der die Radonluft nach draussen bläst. Allerdings kann sich Schimmel bilden, wenn im Sommer warme, feuchte Aussenluft nachströmt und an den kühlen Kellerwänden kondensiert. Bei einem Naturkeller sei es daher besser, den Boden fugenlos auszubetonieren, rät Falk Dorusch von der FHNW.
Diese Arbeit müsse professionell ausgeführt werden, damit sich später keine Risse im Beton bilden. Auch der Übergang zum Erdgeschoss biete einen Ansatzpunkt für kostengünstige Massnahmen: «Es ist meist keine grosse Sache, Leitungsdurchbrüche in der Kellerdecke zu schliessen und eine luftdichte Kellertüre einzubauen. Dadurch verschwindet das Radon oft aus dem Erdgeschoss», so Falk Dorusch. Statt das Problem vom Keller her anzupacken, lässt sich die Belastung auch durch Vorkehrungen direkt im Wohnbereich senken. «Wenn ein Altbau im Zuge einer energetischen Sanierung mit einer Komfortlüftung nachgerüstet wird, ist man meist auch das Radonproblem los.»
«Natürlich besteht die Möglichkeit, einzelne Kellerräume oder Erdgeschosswohnungen auch ohne energetische Sanierung mit einer Komfortlüftung auszustatten, um das Radon abzuführen», so Falk Dorusch. Doch aufgrund des engen Zusammenhangs von energetischer Sanierung und Radonsanierung empfehle es sich für Genossenschaften, das Radonproblem als Routineaufgabe in die Unterhalts- und Sanierungsplanung zu integrieren. Wichtig sei es, nach Abschluss einer Radonsanierung immer eine Nachmessung zu veranlassen. Denn ohne offiziell anerkannte und in der Radondatenbank des Bundes verzeichnete Dosimetermessung gelte ein Haus aus juristischer Sicht nicht als radonsaniert. Falk Dorusch: «Spätestens bei einer Handänderung wird dies relevant.»

Hauswart ist verantwortlich
Bei bestehenden Mehrfamiliengebäuden und Wohnblöcken eher aufwändig und daher nur für Neubauten zu empfehlen ist die sogenannte Radondrainage. Dabei werden unter dem gesamten Kellerboden perforierte Luftrohre verlegt, die über einen aussen am Gebäude angebrachten Ventilator kontinuierlich abgesaugt werden. Auf diese Weise lässt sich das aus dem Untergrund aufsteigende Radon abführen, noch bevor es in den Keller einsickern kann. Falk Dorusch: «Funktion und Zweck solcher Drainagerohre müssen allerdings gut dokumentiert werden. Sonst kann es passieren, dass in zwanzig Jahren ein Handwerker versehentlich eine Abwasserleitung anschliesst.»
Die Aufgabe von Dokumentation, Instandhaltung und Kontrolle stellt sich bei allen Radonmassnahmen. «Der Hauswart sollte wissen, welche Massnahmen umgesetzt wurden. Er ist auch verantwortlich dafür, dass Ventilatoren und Entlüftungsrohre einwandfrei funktionieren und dass luftdichte Kellertüren im Alltag tatsächlich geschlossen werden», mahnt Falk Dorusch. Zudem gelte es zu bedenken, dass sich in Mauern und Fundamenten im Lauf der Jahre gasdurchlässige Risse bilden können. Auch bei Heizungserneuerungen oder Sanitärarbeiten werde immer wieder mal irgendwo im Keller ein Loch gebohrt. «Daher empfehlen wir, fünf Jahre nach einer Radonsanierung sowie nach jeder Gesamtsanierung eine Kontrollmessung durchzuführen.»

Radonsanierung - Schritt für Schritt

  1. Radonfachperson kontaktieren (siehe Radonfachpersonen unter www.ch-radon.ch)
  2. Erste Messungen durchführen (siehe Liste anerkannter Radonmess­stellen unter www.ch-radon.ch)
  3. Detaillierte Gebäudeanalyse durch die Radonfachperson (vorher Offerten einholen)
  4. Abgestufte Massnahmen definieren und Offerten einholen
  5. Massnahmenplan mit Expertenbegleitung umsetzen
  6. Nachmessung mit Eintrag in die Radondatenbank des Bundes
  7. Kontrollmessung nach fünf Jahren
  8. Kontrollmessung nach jeder grösseren Gebäudesanierung