Dachverband bietet neu eine Plattform für Finanzierungen an

«Viele Finanzierungen sind zu teuer»

Wohnbaugenossenschaften Schweiz lanciert einen Finanzierungsmarkt für gemeinnützige Wohnbauträger. Vorstandsmitglied Peter Schmid erklärt, wie Genossenschaften dadurch sparen und weshalb sogar Banken davon profitieren können.

Interview: Rebecca Omoregie | Bilder: Andrea Helbling, zVg | 2022/01

Wohnen: Weshalb braucht es einen Finanzierungsmarkt für den gemeinnützigen Wohnungsbau? Die Bau­genossenschaften haben doch keine Probleme, Finanzierungen zu erhalten – im Gegenteil, die Banken reissen sich ja fast um sie.

Peter Schmid: Mit dem Finanzierungsmarkt können sich gemeinnützige Bauträger günstiger finanzieren. Sie haben eine viel grössere Auswahl. Wenn man mit professionell aufbereiteten Unterlagen einen breiten Kreis von Anbietern angeht, erhält man deutlich bessere Konditionen, als wenn man nur bei ein, zwei Banken anfragt.

Solche Plattformen, die verschiedene Finanzierer vergleichen, gibt es bereits.

Das stimmt, aber diese Angebote sind nicht unabhängig und nicht auf die spezifischen Bedürfnisse von gemeinnützigen Wohnbauträgern zugeschnitten. Der Verband verfolgt keine Eigeninteressen, sondern will die Rahmenbedingungen für die Branche verbessern. Mit dem Finanzierungsmarkt können wir auch die bestehenden Finanzierungsinstrumente für gemeinnützige Wohnbauträger – den Fonds de Roulement, die EGW oder die Stiftungen Solidaritätsfonds und Solinvest – mitberücksichtigen.

Wie gross schätzen Sie denn das Einsparpotential bei Finanzierungen?

Das kann durchaus bei zehn bis zwanzig Prozent der Finanzierungskosten liegen, das habe ich selbst erlebt. Für einen gemeinnützigen Bauträger haben wir eine Angebotsrunde gemacht, um zu prüfen, wo dieser mit seinen Finanzierungen steht. Die Differenz betrug bis zu 30 Basispunkte, also 0,3 Prozent, was bei grossen Volumen und langen Laufzeiten sehr viel ausmacht.

Wenn das Einsparpotenzial so gross ist, heisst das, dass Finanzierungen oft zu teuer sind?

Das ist so. Viele Genossenschaften sind sich vielleicht gar nicht bewusst, dass sie bessere Konditionen erhalten könnten. Das ist der Vorteil des Finanzierungsmarkts: Er stellt eine höhere Transparenz her.


«Das Einsparpotenzial kann durchaus bei zehn bis zwanzig Prozent liegen.»


Richtet sich der Finanzierungsmarkt vor allem an kleinere Genossenschaften, die selbst nicht die Ressourcen und das Know-how für Finanzverhandlungen haben?  

Nicht unbedingt. Gerade das erwähnte Beispiel zeigt, dass sich eine Vermittlung durchaus auch für grössere gemeinnützige Bauträger lohnt. Bei den kleineren fehlt tatsächlich manchmal die Professionalität. Man muss sich in die Kreditgeber hineindenken können und wissen, wie man sich am besten präsentiert. Nur schon das führt zu besseren Konditionen.

Wie muss man sich den Finanzierungsmarkt konkret vorstellen? Nehmen wir an, eine mittelgrosse Genossenschaft interessiert sich für eine Finanzierung. Und nun?

Dann geht die Genossenschaft auf die neue Website www.wbg-finanzierungsmarkt.ch oder ruft beim Finanzierungsmarkt an. Dort kann sie ihre Finanzierungswünsche angeben und erfährt, welche Dokumente sie einreichen muss. Da­nach hat sie nichts mehr zu tun. Die Fachleute des Finanzierungsmarkts bereiten die Gesuche professionell auf.

Kann die Genossenschaft sagen, welche Finanzierer sie anfragen will?

Ja, natürlich. Es ist sicher gut, zu sagen, wen man nicht will. Es lohnt sich aber auch, eine gewisse Offenheit mitzubringen. Die Fachleute wissen aufgrund ihrer Erfahrung, wo die Genossenschaft gute Konditionen erhalten könnte, und werden sie dahingehend beraten.

Und dann, wie geht es weiter?

Dann erhält die Genossenschaft diverse Angebote und kann entscheiden, mit wem sie die Finanzierung abschliessen will. Das muss nicht immer das allergünstigste Angebot sein. Vielleicht ist die eigene Hausbank nicht die günstigste, aber recht gut im Rennen. Dann entscheidet sich die Genossenschaft allenfalls für diese.

Wird die Genossenschaft in diesem Entscheidungsprozess auch beraten?

Ja, das ist genau der Vorteil, dass die Genossenschaften hier von Profis unterstützt werden. Das spart ihnen nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit.

Was kostet dieser Service?

Der Service kostet erst, wenn man Angebote erhält. Pro Gesuch rechnen wir mit einem Aufwand von etwa 40 Stunden. Dafür fällt eine Grundpauschale von 5000 Franken an. Bei einem Abschluss bezahlt die Genossenschaft auf die Laufdauer der Finanzierung 0,02 Prozent des Betrags, also zwei Basispunkte. Das ist weniger als bei anderen Vermittlern, und es gibt eine Obergrenze von 45 000 Franken.

Und wenn die Genossenschaft letztlich doch keines dieser Angebote annehmen will?

Dann bezahlt sie einfach die Grundpauschale.

Viele Genossenschaften haben lang­jährige Beziehungen zu ihrer Hausbank. Setzen sie mit dem Finanzierungsmarkt nicht diese guten Partnerschaften aufs Spiel?

Selbstverständlich sind die langjährigen Beziehungen zu einer Bank und das gegenseitige Vertrauen viel wert. Wenn die Differenz zu anderen Angeboten nicht allzu gross ist, würde ich einen Wechsel auch nicht empfehlen. Aber die Genossenschaft erhält Transparenz und kann ihren Entscheid bewusst fällen. Und mit dem Wissen um die Konkurrenzangebote ist es für sie vielleicht auch möglich, mit der Bank bessere Bedingungen aus­zu­han­deln.

Man erhält aber schon den Eindruck, dass die Banken sich warm anziehen müssen.

Ja, sie müssen vielleicht tatsächlich einen Pullover mehr anziehen. Aber im Markt herrscht ohnehin ein rauer Wind, andere Vermittler feilschen auch um die besten Konditionen. Bei uns haben die Banken die Gewähr, dass wir das professionell und fair machen und sie miteinbeziehen. Auch wir sind an guten und langfristigen Partnerschaften interessiert.

Dann ist der Finanzierungsmarkt für die Banken auch eine Chance?

Absolut, er gibt ihnen die Gelegenheit, Kunden im gemeinnützigen Wohnungsbau anzusprechen, an die sie bis jetzt vielleicht nicht gelangen konnten.

Wir haben jetzt immer von den Banken gesprochen. Wer sind die Finanzierer, die auf der Plattform vertreten sein werden?

Neben den Banken sind es vor allem Versicherungen und Pensionskassen; es könn­ten in Zukunft aber auch Gemeinden oder öffentliche Werke sein.

Eine solche Plattform funktioniert nur, wenn auch genügend Finanzierer mitmachen. Wie überzeugen Sie diese?

Wir bieten ihnen attraktive und sichere Anlagemöglichkeiten. Die gemeinnützigen Wohnbauträger sind verlässliche Partner, sie haben kaum Leerstände und sichere Einnahmen – was will man als Investor mehr? Zudem ist die Investition in Wohnbaugenossenschaften sozial und ökologisch nachhaltig. Und nicht zuletzt: Finanzgeber erhalten von uns professionell aufbereitete Unterlagen, das erspart auch ihnen Aufwand.

Das bedeutet im Hintergrund sehr viel Arbeit und erfordert Know-how. Woher nimmt der Verband die Ressourcen?

Wir arbeiten dafür mit Profis zusammen und haben mit einem spezialisierten Unternehmen, der Oxifina AG, einen Leistungsauftrag abgeschlossen.

Wie haben Sie sich für diesen Partner entschieden? Gab es eine A­usschrei­bung?

Wir haben gezielt vertrauenswürdige Partner gesucht, mit denen wir das Angebot gemeinsam aufbauen können. Hinter der Oxifina AG stehen Fachleute, die seit Jahrzehnten mit dem gemeinnützigen Woh­nungsbau zusammenarbeiten und unsere Branche aus dem Effeff kennen.

Wenn der Verband den Betrieb aus den ­Händen gibt, wie können die Verbandsmitglieder die Gewähr haben, dass die­se Dienstleistung seriös ist?

Der Finanzierungsmarkt ist ein Angebot des Verbands, wir stehen hier in der Verantwortung. Wir haben eine Aufsichtsfunktion und können das Mandat notfalls entziehen.

Spielen für den Verband auch finan­zielle ​Interessen eine Rolle?

Wenn es einen Ertragsüberschuss gibt, wird der Verband auch beteiligt. Wir rechnen aber nicht mit grossen Gewinnen, weil das Angebot ja bewusst günstig ausgestaltet ist. Und wenn es einen Gewinn gibt, investieren wir diesen wieder in den gemeinnützigen Wohnungsbau.

Ein heikles Thema gerade bei Finanz­informationen ist der Datenschutz. Wie können Sie diesen gewährleisten?

Wir sichern den Datenschutz vertraglich zu. Es ist uns ganz wichtig, dass das Kundengeheimnis gewahrt wird. Auch die Finanzierer sind selbstverständlich an das Geschäftsgeheimnis gebunden.

Der Finanzierungsmarkt für den gemeinnützigen Wohnungsbau

Mit dem Finanzierungsmarkt bietet der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz seinen Mitgliedern eine neue Vermittlungsdienstleistung für Finanzierungen, sei es für die Refinanzierung ablaufender Immobilienkredite oder für die Finanzierung von Immobilienkäufen und von Bauprojekten. Der Finanzierungsmarkt unterstützt gemeinnützige Bauträger dabei, das beste Angebot für ihr Finanzierungsbedürfnis zu finden. Er bietet folgende Dienstleistungen:

  • Analyse: Bedürfnisanalyse, Über­prüfung der Finanzierbarkeit und ­Einschätzung der für die Finanzierung geeignetsten Geldgeber und Ausschreibungsmethoden.
  • Aufbereitung: Strukturierung und ­Aufbereitung der Finanzierungsanfrage mittels digitalem Kreditdossier.
  • Ausschreibung: Ausschreibung bei den geeignetsten Geldgebern, wobei offene und eingeschränkte Aus­schreibungen möglich sind.
  • Entscheidungsmatrix: Prüfung, ­Auswertung und Präsentation des ­Ausschreiberesultats, Abgabe einer ­Empfehlung.
  • Abwicklung: Information der Geld­gebenden über den Entscheid des Geld­suchenden, Kreditabschluss und ­Bestellung der Kreditakten. Allenfalls Vermittlung von Dienstleistungen.
  • Verwaltung: Bei Bedarf Vollmandat für die Verwaltung des Hypothekenportfolios.

Der Finanzierungsmarkt ist voraussichtlich ab April 2022 unter www.wbg-finanzierungsmarkt.ch ­verfügbar. Interessierte Baugenossenschaften können sich bereits jetzt für ihre ­Finanzierungen beraten lassen; Anfragen können gerichtet werden an info@wbg-schweiz.ch.