
GWG March setzt mit ihrer Gründung ein Zeichen
Gegen die Mietzinsexplosion in der March
Nur ein halbes Jahr brauchte die Gemeinnützige Wohnbau-Genossenschaft March in Schübelbach (SZ) von der Idee bis zur Gründung im März 2016. Heute besitzt sie drei Objekte mit insgesamt 15 Mietwohnungen – und hat bereits weitere Ausbaupläne.
Von Thomas Bürgisser | Bilder: zVg | Februar 2017
Was das genossenschaftliche Wohnen anbelangt, war die March im Kanton Schwyz bisher ein fast unbeschriebenes Blatt. Einzig in Lachen besitzt die Wohnbaugenossenschaft Freies Wohnen einige Wohnungen. In den anderen acht Gemeinden des Bezirks am oberen Zürichsee bestand bis vor einem Jahr kein genossenschaftliches Angebot. Obwohl, so Sepp Bruhin, Bedarf bestehe: «Die Nähe zu Zürich und Zug sowie die tiefen Steuern im Kanton Schwyz verwandelten hier Bauerndörfer in den letzten Jahren in florierende Wohnorte mit hoher Bauaktivität. Dies lässt die Mieten in die Höhe schnellen, auch bei bestehenden Liegenschaften, die in raschem Tempo die Besitzer wechseln», erzählt der Landwirt und CVP-Gemeinderat aus Schübelbach. «Die Mieten von bis zu 3000 Franken für eine Viereinhalbzimmerwohnung wurden vor allem für junge Familien zum Problem. Aber auch langjährige Mieter konnten sich das Wohnen in der March nach einem Besitzerwechsel oft nicht mehr leisten und mussten wegziehen.»
Dieser Entwicklung wollte Sepp Bruhin schon seit Jahren entgegenwirken. Mitte 2015 dann die Gelegenheit: Eine Erbengemeinschaft bot ihm ihr 50-jähriges Zweifamilienhaus in Buttikon mit einer Dreieinhalb- und einer Fünfeinhalbzimmerwohnung zum Kauf an. Das war der Anstoss zur Gründung der Gemeinnützigen Wohnbau-Genossenschaft March (GWG March).

Das Kaufangebot für ein Zweifamilienhaus in Buttikon (links) war Anstoss für die Genossenschaftsgründung. Danach ging alles schnell, bald konnte auch in Schübelbach ein Mehrfamilienhaus erworben werden.

Alle politischen Parteien im Vorstand
Um die Idee einer Wohnbaugenossenschaft zu verwirklichen, holte Sepp Bruhin seinen langjährigen Kollegen Stefan Knobel mit ins Boot. Beide fragten mögliche Mitinitianten an, mit denen man sich Ende Dezember 2015 zum Gedankenaustausch traf: Vertreter sämtlicher politischer Parteien mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund, vom Rechtsanwalt über den Bauunternehmer bis zur Amtsvormundin. Sie nahmen allesamt Einsitz im Vorstand. Ebenfalls dabei beim ersten Treffen war Andi Willinig, Geschäftsführer der Wohngenossenschaft Geissenstein EBG und Präsident des Regionalverbandes Zentralschweiz von Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Er unterstützte die neue Genossenschaft bei der Gründung beratend.
«Die breite politische Abstützung und das grosse Knowhow im achtköpfigen Vorstand waren sicher wesentliche Faktoren, wieso man ungewöhnlich schnell vorwärts kam», ist Andi Willinig überzeugt. So waren innerhalb von nicht einmal drei Monaten Statuten – in Anlehnung an jene der EBG – und Reglemente, aber auch Website und Informationsbroschüren erstellt. Eine grosse Hilfe, so Sepp Bruhin, war ausserdem ein ortsansässiges Dienstleistungsnetzwerk, bei dem Vizepräsident Stefan Knobel tätig ist. Dieses habe die gesamte Infrastruktur zur Verfügung gestellt, inklusive Grafiker und Webdesigner, die die Genossenschaft kostengünstig unterstützt hätten.
Auch kritische Stimmen
Am 9. März 2016 fand in Schübelbach dann die Gründungsversammlung statt – mit einem riesigen Echo aus der Bevölkerung. «Nach der Versammlung hatten wir direkt 63 Mitglieder, heute sind es etwas über 80», erzählt Vizepräsident Stefan Knobel nicht ohne Stolz. Für kritische Diskussionen an der Versammlung sorgte einzig das Vorhaben, das Zweifamilienhaus für Sozialwohnungen vorläufig an die Gemeinde zu vermieten. «Für uns ist dies schlicht ein sicherer Mieter, um uns den Start zu vereinfachen», sagt Stefan Knobel. Ein Vorgehen, für das sich an der Gründungsversammlung auch Andi Willinig stark machte, der die Wogen glätten konnte. «Ganz verstummt ist die Kritik aber bis heute nicht. Noch immer gibt es politische Stimmen, die uns vorwerfen, Sozialfälle in die Region zu locken», so Stefan Knobel. «Die meisten aber haben verstanden, dass es uns um die bestehende Bewohnerschaft und ein lebendiges Dorfleben mit jungen Familien geht.»
Innerhalb eines Monats nach der Gründung hatte man mit unverzinsten Genossenschaftsanteilen von 2000 bis 10 000 Franken insgesamt eine Viertelmillion Franken zusammen; damit wurden die für das Zweifamilienhaus benötigten 110 000 Franken Eigenkapital plus 30 000 Franken für kleine Sanierungsarbeiten deutlich übertroffen. Kurz danach bot sich der Genossenschaft bereits die nächste Kaufgelegenheit in Form eines Mehrfamilienhauses in Schübelbach mit zwölf Wohnungen. Auch die dafür benötigten 660 000 Franken Eigenkapital wurden durch Mitglieder über Darlehen innert kürzester Zeit zur Verfügung gestellt. Per 1. Juli konnte das Mehrfamilienhaus für 2,5 Millionen Franken und Anfang Oktober 2016 auch das Zweifamilienhaus für 550 000 Franken gekauft werden, wobei die Restbeträge jeweils über Bankkredite finanziert wurden. Das dritte Objekt im heutigen Portfolio ist eine Schenkung einer älteren Person. «Diese war so begeistert von unserer Idee, dass sie uns per Anfang Dezember 2016 ihre Zweieinhalbzimmerwohnung in Buttikon für einen Franken überschrieb, einzig mit der Auflage eines lebenslangen Wohnrechts», erklärt Stefan Knobel.

Nicht einmal drei Monate vergingen zwischen erstem Vorstandstreffen und Gründungsversammlung. V.l.n.r.: Stefan Knobel (Vizepräsident), Sepp Bruhin (Präsident), Meinrad Zehnder (Beirat), Roger Wälti, Roger Brändli, Ralf Schmid, Res Knobel, Irene Kägi.
Gründung einer Depositenkasse
Es seien Momente wie die Schenkung oder die vielen Rückmeldungen, die für die unzähligen Stunden Freiwilligenarbeit im vergangenen Jahr entschädigten, sagen Stefan Knobel und Sepp Bruhin. «Die Mieter des 40-jährigen Mehrfamilienhauses waren enorm dankbar, dass wir ihr Haus vor dem drohenden Abriss retteten», erzählt der Genossenschaftspräsident. «Eine Mieterin hat sich auch sofort bereit erklärt, zukünftig die Hauswartung zu übernehmen.» Auch habe man im Rahmen eines Mieterwechsels bereits einem Mann weiterhelfen können, der einen Hirnschlag erlitten habe und sich danach in der March kaum mehr eine Wohnung finanzieren konnte. Im Mehrfamilienhaus mit unverändert erschwinglichen Mieten von höchstens 1270 Franken für eine Dreieinhalbzimmerwohnung fand er ein neues Zuhause.
Auch künftig soll es nur leichte Mietzinserhöhungen geben, etwa nach einer wärmetechnischen Sanierung sowie der Erneuerung der sanitären Anlagen. Rund eine Million Franken will die GWG March dafür in den nächsten Jahren investieren. «Für die Finanzierung haben wir nun eine Depositenkasse ins Leben gerufen und hoffen, so auch zu Kapital zu kommen, um uns weiter zu vergrössern», erklärt Stefan Knobel.
Durchatmen und neu strukturieren
Tatsächlich müsse sich die Genossenschaft nun baldmöglichst vergrössern und auch nach Bauland Ausschau halten, sagt Andi Willinig. «Nur so kann wirklich ein neues Angebot für junge Familien entstehen.» Er ist überzeugt, dass der GWG March so eine erfolgreiche Zukunft bevorsteht, trotz des ungewöhnlichen Starts. «Normalerweise empfehlen wir bei
einer Neugründung, weniger temporeich vorzugehen und dafür gleich ein grösseres Projekt mit etwa vierzig Wohnungen in Angriff zu nehmen.» So bleibe auch mehr Zeit, sich über Finanzierungsmöglichkeiten wie den Fonds de Roulement Unterstützung zu holen, was hier aufgrund des Zeitdrucks nicht möglich war. Die GWG March habe aber gezeigt, dass es auch anders funktioniere. Sepp Bruhin und Stefan Knobel würden denn auch wieder genau gleich vorgehen. «Weil wir klein angefangen haben, konnten wir uns ganz auf die Gründung konzentrieren», so Stefan Knobel. Nun halte man jedoch die Augen offen für weitere Objekte, im ganzen Bezirk March. «Spruchreif ist aber noch nichts.»
So oder so möchte der Vorstand der GWG March zuerst kurz durchatmen und sich administrativ gut strukturieren. «Die kurzen Wege waren für den Start ideal. Jetzt wollen wir aber Ressorts schaffen und diese auf die Vorstandsmitglieder aufteilen», so Sepp Bruhin. Ausserdem stehe noch einiges an politischer Arbeit an. Die politischen Gremien in der Region seien sich des Wohnraumproblems durchaus bewusst. «Nun wollen wir beweisen, dass eine Wohnbaugenossenschaft eine der besten Lösungen dafür ist.» Deshalb werde man nebst der Gemeinde Schübelbach, die als Mieterin selbst Genossenschafterin ist, auch Delegationen anderer Märchler Gemeinderäte zur nächsten Generalversammlung einladen. «Wir möchten das Erreichte präsentieren und eine noch breitere politische Diskussion anstossen.»
www.gwg-march.ch