Rubrik: Recht

Kostenmiete – was gilt?

Wohnbaugenossenschaften verpflichten sich meist statutarisch dazu, ihre Mietzinse nach der Kostenmiete zu berechnen, wenden jedoch in der Praxis ein anderes Mietzinskalkulationssystem an. Dies kann zum Problem werden, wenn ihnen die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Mietzinsberechnung und dem anwendbaren Recht in der Praxis nicht bewusst ist. Wer darf sich im Streitfall auf die Kostenmiete berufen?

Die Statutenbestimmung, dass eine Wohn­­baugenossenschaft ihre Miet­zinse nach den Selbstkosten berechnet, ist üblich und verbreitet. Teil des Mietzinses ­bil­den damit die tatsächlichen Fremdfinanzierungskosten, nicht der Referenzzinssatz. 1 Teilte das Bundesamt für Wohnungswesen allerdings in der Vergangenheit eine Senkung des Referenzzinssatzes mit, senkten viele Genossenschaften ihre Mietzinse oder mussten diese aufgrund eines Richterspruchs sen­ken. 2 Weshalb verneinten die Gerichte und Schlichtungsbehörden die Anwendung der Kostenmiete auf all diese Mietverhältnisse und wendeten auf die Wohnbauträger Art. 269 ff. OR an?
In den betreffenden Mietverträgen gab es jeweils keinen Hinweis, dass die Mietzinse nach den Regeln der Kostenmiete berechnet würden, stattdessen wurden die für eine Anpassung nach Art. 269 ff. OR relevanten Berechnungsgrundlagen, beispielsweise die aktuelle Teuerung, fest­gehalten. Damit wandten die be­tref­fenden Wohnbauträger nicht das Kalkulationssystem der Kostenmiete, son­dern dasjenige des Obligationenrechts3 an («OR-System»). Der Mietzins wird nach diesem System dann angepasst, wenn sich der Referenzzinssatz, die Teuerung sowie die allgemeine Kostensteigerung erhöhen.4 Eine Erhöhung der Miete, weil die effektiven Kosten, insbesondere die Fremd­kapitalkosten, gestiegen sind, ist nach dem OR-System jedoch unzulässig.

An Referenzzinssatz gebunden
Hat ein Wohnbauträger die Miete nach den effektiven Kosten festgelegt, untersteht aber dem OR-System, dann musste der Mietzins in der Vergangenheit bei der Veränderung des Referenzzinssatzes gesenkt werden. Aber – und das dürfte in den kommenden Jahren relevant wer­den – eine Erhöhung der Miete aufgrund gestiegener Fremdkapitalzinsen ist nicht mehr möglich. Eine Erhöhung wird nur dann zulässig sein, wenn der Referenzzinssatz steigt. Da der Referenzzinssatz ein Durchschnittszinssatz ist, wird dieser der effektiven Verzinsung nach­hinken.
Zudem kann eine Mieterschaft gegen jede Erhöhung die Einrede erheben, der Wohnbauträger erziele eine übermässige Nettorendite.5 In Anbetracht dessen, dass die heute zulässige Nettorendite 0,5% über dem aktuellen Referenzzinssatz liegen darf, also bei 2%, dass mit ­dieser Rendite jedoch insbesondere noch sämtliche Abschreibungen sowie Einlagen in den Erneuerungsfonds und die Risikoprämie zu tragen sind, ist faktisch keine Rendite mehr möglich. Kommt noch dazu, dass eine Nettorenditeberechnung schwierig, aufwändig und teilweise unmöglich ist, alleine schon deshalb, weil der Anlagewert einer älteren Liegenschaft oft nicht bekannt ist. Eine anfechtende Mieterin hätte somit realistische Chancen, dass die vorgebrachte Einrede die Erhöhung ihres Mietzinses verhindert.

Reine Kostenmiete
Mietzinse von gemeinnützigen Wohnbauträgern sind oft knapp berechnet, wertvermehrende Investitionen wurden über die Betriebskosten abgeschrieben anstatt aktiviert und auf den Mietzins geschlagen. Ist es dem Wohnbauträger nun nicht möglich, wenigstens von der Erhöhung des Referenzzinssatzes zu profitieren, kann dies folgenschwer sein. Es soll hier erklärt werden, wie sich ein Wohnbauträger dem System der Kostenmiete unterstellen kann.6
Nicht geförderte und kontrollierte Wohn­bauträger können ihre Mietzinse nach der reinen Kostenmiete 7 berechnen. Bedingungen, sich auf dieses System ­berufen zu können, sind folgende: Die Kostenmiete als Berechnungsprinzip für die Mietzinse muss eine statutarische Grund­lage haben. Im Mietvertrag ist zu er­wähnen, dass der Mietzins nach der Kos­tenmiete berechnet wird. Berechnungsgrundlagen wie Teuerung, Referenzzinssatz und allgemeine Kostensteigerung dürfen nicht im Vertrag erwähnt wer­den. Der Wohnbauträger muss zudem dauerhaft die Mietzinse auf Grundlage der Kosten berechnet haben. Es darf nie ein Wechsel ins OR-System8 stattgefunden haben. Es dürfte reichen, wenn die Dauerhaftigkeit auf das laufende Miet­verhältnis beschränkt ist.9 Bei neuen Mietverhältnissen wäre ein Wechsel in die reine Kostenmiete somit möglich.

Berechnung
Untersteht der Wohnbauträger nun dem System der reinen Kostenmiete, so stellt sich die Frage, wie diese berechnet wird beziehungsweise welche Kosten im Mietzins einkalkuliert werden dürfen. Weder in der Verordnung noch in der Recht­spre­chung oder Literatur findet sich eine Definition. Der Rechtsdienst empfiehlt, zuerst eine konkrete Lastenrechnung zu erstellen. Dann soll der so errechnete mini­mal zu erzielende Ertrag (= Mietzins) mit bekannten Systemen überprüft werden. Beispielsweise mit der Definition gemäss Art. 8 WFV, aber auch mit der Mietzinsformel10 der Stadt Zürich.
Wichtig zur Vorbeugung von Konflikten und Anfechtungsverfahren ist eine transparente, faire und nachvollziehbare Mietzinskalkulation. Lässt sich ein Schlich­tungsverfahren trotzdem nicht verhindern, dann hat der Wohnbauträger mit der statutarischen und mietvertraglichen Erwähnung der Kostenmiete eine gute Grundlage geschaffen, dass die Schlichtungsbehörde oder ein Gericht bestätigt, dass der Wohnbauträger dem System der reinen Kostenmiete untersteht. Lehnt man die Berechnung an ein bestehendes Gesetz eines kontrollierten Wohnbauträgers an, dürfte dies den berechneten Mietzins legitimieren. Im heutigen Zinsumfeld sollte der Wechsel zur reinen Kostenmiete überlegt werden, muss jedoch nicht der einzige gangbare Weg sein. Wichtig ist jedoch Kenntnis darüber, welches Mietzinskalkulationssystem im Streitfall zwingend angewendet wird und welche Konsequenzen die wirtschaftlichen Entwicklungen auf das gewählte System haben.

  1. Es gibt auch Kostenmietemodelle, bei denen der Referenzzinssatz relevant ist, etwa das Mietzinsreglement der Stadt Zürich (841.150). Die von der Stadt Zürich geförderten und kontrollierten Wohnbau­träger im Sinne von Art. 253b Abs. 3 OR berechnen ihre Mietzinse nach einer Formel. Teil der Formel ist in der Regel der Referenzzinssatz.
  2. Nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. c VMWG führt eine ­Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25% zu einem Senkungsanspruch des Nettomietzinses von 2,91% (bei einer Erhöhung 3%).
  3. Art. 269 ff. OR
  4. Die Mietzinsberechnung richtet sich nach der ­Veränderung von relativen Kriterien, der sogenannt Relativen Methode der Mietzinskalkulation.
  5. Die Einrede der übermässigen Nettorendite ist der Behelf, gegen eine Erhöhung aufgrund eines rela­tiven Erhöhungsgrundes einen absoluten Kalkula­tionsparameter entgegenzuhalten, womit – bei erfolgreicher Einrede – die Miete nicht weiter erhöht werden kann (Art. 269 OR).
  6. Art. 253b Abs. 3 OR: Die folgenden Ausführungen gelten nicht für Wohnbauträger, die von der öffentlichen Hand gefördert und deren Mietzins von dieser Behörde kontrolliert werden. Diese Wohnbauträger unterstehen der jeweiligen Kostenmiete-Definition nach einem Spezialgesetz.
  7. Art. 13 Abs. 3 VMWG
  8. Art. 269 ff. OR
  9. Higi, Zürcher Kommentar zu Art. 269a N 308
  10. Diese basiert auf dem Mietzinsreglement der Stadt Zürich (841.150). Sie ist sehr einfach und wird auf einen grossen Teil von Wohnungen gemeinnütziger Wohnbauträger angewendet. Höchstzulässiger Mietzins = Anlagewert x Referenzzinssatz (= Kapitalkosten) + Gebäudeversicherungswert x 3.25 Betriebsquote (= Betriebskosten).

Myriam Vorburger,

Rechtsdienst

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