So entwickeln verschiedene Bauträgerinnen gemeinsam ein ganzes Ökoquartier

Qualität trotz hoher Dichte

Die Entwicklung von neuen ­Quartieren mit öffentlichen und privaten Investo­rinnen und Bauträgern gestaltet sich komplex. Wie man sie erfolgreich angehen kann, zeigt die Stadt Lausanne beim Ökoquartier Plaines-du-Loup, wo gemein­nützige Baurechtnehmerinnen siebzig Prozent der 3400 geplanten Wohnungen entwickeln

von Charlotte Schusselé* | Bilder: Filippo Bolognese, Ville de Lausanne | 2023/04

Wie organisiert sich eine Stadt, wenn sie eines ihrer Gebiete vollständig transformieren will? Wo setzt sie ehrgeizige Ziele, und wie sorgt sie dafür, dass diese tatsächlich auch umgesetzt werden? Eine entscheidende Rolle spielt die Vergabe von Baurechten. Ihre Modalitäten bestimmen die künftige Lebensqualität eines Quar­tiers wesentlich mit. Das zeigt auch ein Blick auf die Entwicklung des Ökoquartiers Plai­nes-du-Loup in Lausanne. Es gründet auf Bestrebungen der Stadt, für die stark wachsende Bevölkerung nicht nur Wohnraum, sondern auch ein lebenswertes Umfeld und eine hohe Nutzungsvielfalt mit Arbeitsplätzen, Grünräumen, Sportplätzen, Schulen usw. zu schaffen.
2002 beginnt deshalb ein intensiver Aus­hand­lungsprozess, in dessen Folge das Bild eines neuen Stadtteils mit letztlich 3400 Woh­nungen und hohen ökologischen Anforderungen Gestalt annimmt. Im Rahmen des Projekts Métamorphose integriert die Stadtverwaltung die Kriterien der nachhaltigen Entwicklung und konkretisiert das Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft sowie SméO, ein Label für nachhaltige Quartiere. Zudem setzt man frühzeitig auf breite Partizipation, um die Bevölkerung in die Entwicklung einzubeziehen. 2008 wird die Vereinigung Ecoquartier (AE) gegründet, die sich als glaubwürdige Ansprechpartnerin für Umsetzung und Bürgerbeteiligung etabliert.

Eine evolutionäre Planung
Das dreissig Hektar grosse Gebiet Plaines-du-Loup in den Hügeln im Norden Lausannes gehört zu neunzig Prozent der Stadt. Nachdem es in eine gemischte Zone umgewandelt ist, organisiert die Stadtverwaltung 2010 einen städtebaulichen Wettbewerb, in dessen Jury sie auch die AE einlädt. Das Siegerprojekt des Lausanner Büros Tribu Architecture wird in einem Masterplan konsolidiert. Er sieht rund 540 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche mit einer Ausnutzungsziffer von 1,58 vor. Hauptziele der Stadtverwaltung sind ein guter Umgang mit dem Boden, eine echte funktionale und soziale Durchmischung, die Schaffung eines Quartiers, das sich mit bestehenden Strukturen verbindet, sowie ein beispielhafter Umgang mit Umwelt und Energieversorgung.
In der Folge gründet die AE zusammen mit der Lausanner Genossenschaft Codha eine Aus­tauschplattform der Baugenossenschaften für das Ökoquartier. 2012 veröffentlicht diese eine Broschüre mit Empfehlungen zu den Vergabeverfahren sowie Vorschlägen für Kriterien zur Auswahl von Immobilienprojekten. Der Mas­terplan legt einen Verteilungsschlüssel nach Wohnungs- und nach Betreibertypen fest. Darüber hinaus verlangt er eine Entwicklung in Etappen, die schliesslich mit vier Nutzungsplänen realisiert werden.
2016 verabschiedet der Gemeinderat den ersten Nutzungsplan. Er sieht 142 000 Quadratmeter Geschossfläche vor und ist in die fünf Bau­felder («urbane Räume») A bis E aufgeteilt. Jedes davon verfügt über eine bestimmte Anzahl von Baurechten für durchschnittlich 230 Wohn­einheiten, die in drei bis sechs Lose auf­geteilt sind. Jedes Los wiederum wird mittels einer «Investoren»-Ausschreibung vergeben.

Die Entwicklung der riesigen Plaines-du-Loup erfolgt in einem komplexen Verfahren. Die erste Etappe (Nutzungsplan 1 / PA 1) von insgesamt vier Etappen ist bereits im Bau, für die zweite wurde im Januar der Wettbewerb für die Landschaftsgestaltung entschieden. 

Kriterien für die Vergabe
Welche Kriterien wendet die Gemeinde bei der Vergabe an? «Wir beurteilen die Erfahrung, die Wohnungsqualität und die Einhaltung der Nach­haltigkeitsziele. Bei den Baugenossenschaften achten wir darauf, dass sie von einer Ar­chitektin oder einem Bauherrenvertreter un­terstützt werden», erklärt Guillaume Dekkil, Leiter des Entwicklungs- und Projektbüros Métamorphose. Gemäss der stellvertretenden Leiterin Joëlle Rast wird zudem unterschieden zwi­schen privaten gemeinnützigen Gesellschaften und Bewohnergenossenschaften, die spontan um ein Wohnprojekt herum gebildet werden; die Stadt will mit letzteren besonders innovative Projekte fördern und wünscht sich deshalb deren Beteiligung.
Bei der Vergabe orientiert man sich an den politischen Zielen der Stadtverwaltung, die eine gute Durchmischung sowohl hinsichtlich funktionaler und sozialer Aspekte als auch bei den Bauträgerschaften anstrebt. Dabei kommen zwei besondere Regeln zum Tragen. Gemäss der Drei-Drittel-Regel werden die Wohnungen in drei Kategorien aufgeteilt:

  • 30 Prozent mit subventionierten Mieten
  • 40 Prozent mit erschwinglichen Mieten (mit Mietobergrenze)
  • 30 Prozent zu Marktpreisen oder Eigentumswohnungen
  • Die Vier-Viertel-Regel weist zudem die Baurechte für jedes Baufeld nach einem Schlüssel (je etwa 25 Prozent) folgenden vier Investorenkategorien zu:
  • städtische Gesellschaften und Stiftungen
  • private gemeinnützige Gesellschaften
  • Bewohner:innen-Baugenossenschaften
  • private Körperschaften

Dank dieser Vorgaben werden etwa siebzig Prozent der Wohnungen durch gemeinnützige Bau­träger erstellt. Für den Nutzungsplan 1 werden nach der Ausschreibung die Baurechte an fünf Bewohnergenossenschaften, sechs gemeinnützige Gesellschaften, vier private Investoren und zwei stadteigene Gesellschaften vergeben. Für jedes der Baufelder A bis E wird eine Investorengruppe zusammengestellt, und zwar absichtlich möglichst heterogen.
Die Investorengruppe gründet eine einfache Gesellschaft, die daraufhin ein eigenes Projekt für ihr Baufeld erarbeitet. Dabei muss sie sich auf eine Reihe gemeinsamer Entscheidungen einigen, zum Beispiel die Modalitäten für die Durchführung des Architekturwettbewerbs, die Auswahl des Siegerprojekts, die Lage der Baurechte auf dem Grundstück, die Wahl eines Landschaftsprojekts für die Gestaltung der gemeinsamen Grünflächen sowie die Strategien für die Energieversorgung und -verteilung usw. Die Stadt betreut und begleitet den gesamten Prozess.

Konsens und Innovation
Auch wenn die Beteiligten nicht unbedingt die gleichen Anliegen haben, ist ein Konsens un­um­gänglich. Einige Bauherren profitieren von der Erfahrung anderer, und es werden oft Lösungen gefunden, die Vorbildcharakter für sich in Anspruch nehmen dürfen. Beim Nutzungsplan 1 hat sich gezeigt, dass die meisten Baufelder von mehreren Architekturbüros entworfen wurden, deren Projekte durch ein Gesamtkonzept miteinander verbunden sind. Dabei spielt der Aussenraum eine grosse Rolle: «Wir achten auf die Qualität der Übergangsräume. Für jedes Baufeld gibt es nur einen gemeinsamen Landschaftsarchitekten», sagt Rast. Die Gestaltung der Randbereiche und zwischen den Baufeldern obliegt der Stadt Lausanne.
Während mittlerweile die ersten Be­woh­ner:innen auf dem Gebiet des Nutzungsplans 1 leben, wurde im Januar 2023 der Wettbewerb für die Landschaftsgestaltung des 170 000 Quadratmeter grossen Nutzungsplans 2 entschieden. Dieser zweite Perimeter wird weitere 1100 Woh­nungen in zwanzig Losen umfassen. Im Unterschied zur ersten Phase werden die Standorte innerhalb des Geländes vor Beginn des Wettbewerbs festgelegt. Die Vergabekrite­rien sind aber im Wesentlichen dieselben. Das Entwicklungs- und Projektbüro Métamorphose plant, die Ausschreibung für Investoren bis 2024 zu eröffnen, damit die Bewohner:innen bis 2029/30 einziehen können.

* Der Beitrag erschien in habitation 1/2023. Übersetzt und überarbeitet von Liza Papazoglou.