Genossenschaft Lutertalpark erstellt in Bolligen (BE) 41 altersgerechte Wohnungen

Wenn die Gemeinde handelt

Die Neubausiedlung Lutertalpark ist kein gewöhnlicher Genossenschaftsbau: Initiiert von der Politik, sind an bester Lage 41 altersgerechte Wohnungen entstanden. Die Berner Vorortsgemeinde Bolligen möchte damit Platz schaffen für jüngere Zuzüger. Die Vermietung gestaltete sich allerdings schwieriger als erwartet. Trotzdem ist im Neubau bereits eine Gemeinschaft entstanden.

Von Christian Zeier | Bilder: Christine Blaser | Juli–August 2016

Paul Bär steht vor seinem neuen Zuhause und lächelt. «Willkommen im Lutertalpark », sagt er und hält einen Badge an die Schaltfläche neben dem Haupteingang. Die Tür zum Wohnblock öffnet sich und gibt den Blick frei auf einen breiten Gang mit Wohnungstüren und einem offenen, hellen Treppenhaus. 41 Wohnungen sind hier in den letzten Jahren entstanden – mitten in Bolligen, nahe Kirche und Einkaufszentrum, im Zentrum der Berner Vorortsgemeinde. Genossenschaft Lutertalpark erstellt in Bolligen (BE) 41 altersgerechte Wohnungen Wenn die Gemeinde handelt Paul Bär ist Gründungsmitglied der Wohnbaugenossenschaft und wohnt seit 2015 in einer der neuen Wohnungen. «Unser elektronisches Zugangssystem hat zu Beginn für viel Skepsis gesorgt», sagt er. «Aber das ist verständlich bei diesem Mietermix.» Schliesslich ist der Lutertalpark alles andere als ein gewöhnlicher Genossenschaftsbau. Er ist eine Siedlung für Wohnen im Alter mit Dienstleistungen – geplant von der Politik, gebaut für Leute wie das Ehepaar Bär.

Zu rüstig für das Altersheim

Die beiden Pensionäre mochten ihr Haus in Bolligen nicht mehr selbst unterhalten, fürs Altersheim aber fühlten sie sich zu rüstig. «Also war die Überbauung für uns die optimale Lösung», sagt Paul Bär, der die achtzig überschritten hat. «Hier leben wir selbständig und haben doch Unterstützung.» Gleich neben dem Lutertalpark hat die lokale Spitex ihren Sitz. Ein Zufall, wie Paul Bär sagt. «Aber sicher keine ungünstige Kombination.» Die Bewohner der Alterssiedlung können Dienstleistungen wie Mahlzeitendienst, Reinigung, Wäsche oder Alarmierung extern beziehen und abrechnen. Alles andere gibt es im nahen Dorfzentrum oder in der Überbauung selbst. Die beiden Wohnblöcke mit den sandfarbenen Fassaden aus Porenbeton fügen sich gut in die Umgebung ein – auch weil sie von Bäumen und einer idyllischen kleinen Parkanlage mit Pétanqueplatz und renaturiertem Bach umgeben sind. Die Bauten stehen auf einem Betonsockel, der sie unterirdisch verbindet: Im hinteren Teil wurde aufgrund der leichten Hanglage der Keller untergebracht, im vorderen entstanden Gartenwohnungen mit Terrassen auf Höhe der Lutertalstrasse. Doch nicht nur die beiden Gebäude soll der durchgehende Sockel verbinden, sondern auch deren Bewohnerschaft.

Dank der leichten Hanglage erhalten alle Wohnungen viel Tageslicht.

Die Bauten stehen auf einem Betonsockel, der sie verbindet.

Ein renaturierter Bach führt an der Siedlung vorbei.

Zusammenleben funktioniert

Paul Bär führt durch die Räumlichkeiten, zeigt die Ateliers, den kleinen Fitnessraum und bleibt dann vor dem Gemeinschaftsraum stehen. «Hier finden Anlässe der Bewohner und Sitzungen der Mieterkommission statt», sagt er. Das Zimmer sieht aus wie ein moderner Konferenzraum, mit Beamer, Fensterfront und einer kleinen Küche. Einmal in der Woche treffen sich hier die Bewohner, die am Gemeinschaftsessen teilnehmen wollen. «Das Zusammenleben funktioniert», sagt Bär. «Auch wenn es am Anfang etwas Anstoss von aussen brauchte.» Teil dieses Anstosses war Walter Wiedmer. Der Bolliger Gemeinderat hat das Projekt von Beginn weg begleitet und 2013 das Präsidium der Genossenschaft übernommen. «Wir von der Genossenschaft waren darauf bedacht, dass in der Siedlung ein Gemeinschaftsgefühl entsteht», sagt er. Man habe bewusst Strukturen geschaffen und entsprechende Inputs gegeben. «Mittlerweile aber hat die Mieterkommission den Lead übernommen.»

Harzige Erstvermietung

Von den 41 Wohnungen mit zweieinhalb bis viereinhalb Zimmern und den zwei Studios stehen heute noch fünf frei, der Rest ist vermietet. Für Walter Wiedmer ist das eine gute Nachricht, denn die Suche nach Mietern verlief eine Weile recht harzig. «Wir fragten uns, ob wir etwas erschaffen hatten, das nicht der Nachfrage entspricht », blickt der Genossenschaftspräsident zurück. Man habe wohl unterschätzt, wie gross die Hürde sei, Eigentum aufzugeben und in eine Alterssiedlung zu ziehen. «Viele ältere Menschen wohnen sehr günstig in Bolligen, weil sie ihre Hypotheken abbezahlt haben», erklärt der Genossenschaftspräsident. «Die überlegen sich natürlich zweimal, ob sie wieder Miete bezahlen wollen.» Dass der Lutertalpark mit seinem ansprechenden Ausbaustandard, den hellen Wohnungen mit Parkett und den eher hohen Mieten auf den oberen Mittelstand zielt, hat diese Problematik nicht entschärft. Im Gegenteil: «Anders als zu Beginn angenommen, könnten wir die Wohnungen nie allein mit Leuten aus Bolligen füllen», sagt Walter Wiedmer. Ungefähr ein Drittel der Bewohner stamme nun von ausserhalb – zudem versuche man auch jüngere Interessenten anzuziehen.

Bevölkerungsmix verbessern

Die Geschichte des Lutertalparks beginnt 2005 in der Politik. Als die Gemeinde Bolligen ihr neues Altersleitbild erarbeitet, stellt sie fest, dass sie auf ein Problem zusteuert. In den Siebziger- und Achtzigerjahren wurde in der Gemeinde massiv gebaut, die Einwohnerzahl stieg von 2000 auf 6000. Diese Generation der Neo-Bolliger ist heute grösstenteils pensioniert, fast 27 Prozent der Bevölkerung ist 65-jährig oder älter. Freute sich die Gemeinde in den Achtzigern noch über die steigenden Steuereinnahmen, sorgt sie sich heute um die Ausgewogenheit der Altersstruktur. Die Menschen leben immer länger, für jüngere Zuzüger gibt es kaum Platz. «Also begannen wir mit viel Idealismus an einer Lösung zu arbeiten», sagt Walter Wiedmer. Durch den Bau von Alterswohnungen, so der Gedanke, könnten ältere Bolliger innerhalb der Gemeinde umziehen und Platz schaffen für Jüngere. Doch: Wo bauen, wenn der Platz so rar ist? Zentral und vom ÖV gut erschlossen sollte die Überbauung sein, sonst würden sich die Wohnungen nicht vermieten lassen. «Eigentlich gab es nur einen einzigen Ort, der sich wirklich eignete», erinnert sich Walter Wiedmer. Es ist das Grundstück, auf dem der Lutertalpark heute steht. Das Problem: Zum Zeitpunkt der Planungen stand hier noch die Anlage des örtlichen Tennisclubs.

Viel Unterstützung durch Gemeinde

Die Gemeinde lanciert einen Architekturwettbewerb, den Schär Buri Architekten aus Bern gewinnen. 2008 kommt es zu einer denkwürdigen Gemeindeversammlung. Bis spät in die Nacht dauern die Verhandlungen, alle Ein- und Umzonungsbegehren des Gemeinderats werden abgelehnt – bis auf ein Projekt: «Wohnen im Alter» an der Lutertalstrasse. Die Gemeinde spricht einen Rahmenkredit von knapp einer Million, um die Tennisanlage zu verlegen. Sie genehmigt ein Baurecht für die Dauer von maximal neunzig Jahren zu einem pauschalen jährlichen Zins von 100 000 Franken. Und sie sichert der Genossenschaft ein verzinsbares Darlehen von 1 650 000 Franken zu. «Die Unterstützung aus der Politik und der Bevölkerung war von Anfang an gross», sagt Walter Wiedmer. «Ohne sie wäre die Überbauung ganz früh gescheitert.» So aber finden sich innert kurzer Zeit über 200 Genossenschafter, die Anteilscheine im Wert von je 1000 Franken zeichnen. Es ist ein guter Start, aber zu wenig für das ehrgeizige Projekt. An der Finanzierung beteiligen sich neben der Gemeinde auch die Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger Der Gemeinschaftsraum wird inzwischen bereits rege genutzt. Viel Freifläche findet sich auch auf den Stockwerken. (EGW) und der Fonds de Roulement. Dennoch verlangen die Banken mehr Eigenkapital. «Also baten wir die Genossenschafter um zusätzliches Geld», sagt Walter Wiedmer. Mit Mitgliedschaftsanteilen und Wohnungsanteilscheinen kommt man schliesslich auf knapp zwei Millionen. Eine einzige Bank sagt zu. Der Bau kann beginnen.

Sparen beim Bau

Weil das Geld aber knapp ist, müssen die Pläne der Architekten angepasst werden. Statt der ursprünglich geplanten Holzbauten entsteht auf den Betonsockeln ein Einsteinmauerwerk aus Ytong-Porenbeton. Die fünfzig Zentimeter dicken Betonsteine werden auch als Gestaltungselement verwendet: Die Fenster sind innen angeschlagen, wodurch von aussen die Tiefe des Mauerwerks sichtbar wird. Am Minergie- Standard ändert sich trotz Sparmassnahmen nichts. Die Gebäude verfügen über eine sanfte Lufterneuerung mit Energierückgewinnung. Die Energie für die Beheizung und das Gebrauchswarmwasser wird durch Erdsonden und Wärmepumpen aus der Erdwärme gewonnen. Auch für eine Photovoltaikanlage auf dem Dach wäre alles vorbereitet – fürs Erste fällt sie aber den Einsparungen zum Opfer. «Was uns heute am meisten weh tut, ist, dass wir auch bei den Einstellhallenplätzen reduziert haben», sagt Walter Wiedmer. Auf Empfehlung des Bundesamts für Wohnungswesen und aufgrund des Kostendrucks habe man nur 13 Parkplätze erstellen lassen. Diese Einschränkung und der Umstand, dass Bewohner zusätzliche Wohnungsanteilscheine im Wert von 5000 bis 30 000 Franken erwerben müssen, habe die Suche nach Interessenten erschwert.

Versöhnlicher Abschluss

Ob sich ein ähnliches Projekt auch für andere Gemeinden lohnen könnte, mag Walter Wiedmer nicht abschliessend beantworten. «Klar ist, dass die 41 Wohnungen für eine Gemeinde in unserer Grösse die obere Grenze sind», sagt er. Entmutigen lassen habe man sich aber nie in Bolligen. Ganz zu Recht, wie sich jetzt zeigt: Im Sommer 2015 konnten endlich die ersten Mieter einziehen. Die Baukosten kamen mit 17,6 Millionen Franken gut eine Million unter dem Kostenvoranschlag zu stehen. Weil die günstigen Gelder der Emissionszentrale Teile der Bankkredite abgelöst haben, konnten die Mieten um etwa zehn Prozent gesenkt werden. Und: Die Idee mit der Verjüngung scheint zu funktionieren. Im ehemaligen Haus der Bärs jedenfalls ist ein junges Ehepaar eingezogen.

Baudaten

Bauträgerin:

Genossenschaft Lutertalpark, Bolligen

Architektur:

Schär Buri Architekten BSA SIA, Bern

Baumanagement und Bauleitung(Subunternehmer):

Martusciello Baumanagement, Utzigen

Unternehmen (Auswahl):

Arge Büchi-Herzog (Baumeister)
P+H Parquet + Holzbau AG (Fenster in Holz)
Schindler Aufzüge AG (Aufzüge)

Umfang:

41 Wohnungen (4 × 4½, 18 × 3½, 17 × 2½ Zimmer,2 Studios), Ateliers, Gemeinschaftsraum, Fitnessraum

Baukosten (BKP 1–5):

17,6 Mio. CHF total
5300 CHF/m2 HNF

Mietzinsbeispiele:

2½-Zimmer-Wohnung (ca. 65 m2):
1400–1610 CHF plus ca. 220 CHF NK
3½-Zimmer-Wohnung (ca. 85 m2):
1880–2030 CHF plus 260 CHF NK
4½-Zimmer-Wohnung (ca. 110 m2):
2480–2550 CHF plus 310 CHF NK