
Fünf Jahre revidiertes Raumplanungsgesetz – eine Bilanz
Jetzt sind die Gemeinden gefordert
Bis Anfang Mai mussten alle Kantone ihre Richtpläne an die Anforderungen des revidierten Raumplanungsgesetzes angepasst haben. Zeit also, die kantonalen Richtpläne unter die Lupe zu nehmen. Aus Sicht des gemeinnützigen Wohnungsbaus interessiert, was die «neuen» kantonalen Richtpläne punkto preisgünstiges Wohnraumangebot zu bieten haben.
Von Lea Gerber* | Mai 2019
Am 1. Mai 2014 trat das revidierte Raumplanungsgesetz RPG in Kraft. Die Kantone erhielten fünf Jahre Zeit, um ihre Richtpläne an die neuen Anforderungen anzupassen. Der Richtplan ist das zentrale Steuerungsinstrument der Kantone. Er stimmt die raumwirksamen Tätigkeiten aller staatlichen Ebenen im Hinblick auf die anzustrebende Entwicklung ab. Im Zentrum des revidierten Gesetzes steht die Forderung, dass die künftige Siedlungsentwicklung in erster Linie innerhalb der bestehenden Bauzonen erfolgt. Auch wenn die Siedlungsentwicklung nach innen seit je ein Grundsatz der schweizerischen Raumplanung war, wurden die entsprechenden Massnahmen auf Richtplanstufe lange vernachlässigt. Mit dem revidierten Raumplanungsgesetz sollte sich das grundlegend ändern.
Als Richtlinie dient die vom Bund im März 2014 erlassene Ergänzung des Leitfadens Richtplanung. Dieser Leitfaden zeigt den Kantonen Wege auf, wie sie die neuen bundesrechtlichen Anforderungen umsetzen können. Das Kapitel «Siedlungsentwicklung nach innen» beinhaltet Aspekte wie die Siedlungsbegrenzung, die Verdichtung sowie die Siedlungserneuerung. Es schliesst aber auch Aspekte wie Grünräume, Wohnqualität und Wohnraumangebot mit ein.
Preisgünstigen Wohnraum sicherstellen
Gerade dieser letzte Punkt ist für den gemeinnützigen Wohnungsbau von Bedeutung. Der ergänzte Leitfaden Richtplanung fordert «Ziele und Massnahmen zur Sicherstellung eines Wohnraumangebots für alle Bedürfnisse, insbesondere zur Förderung von preisgünstigem, familienfreundlichem und altersgerechtem Wohnungsbau in Kantonen mit ausgewiesenem Handlungsbedarf». Als Indizien für den kantonalen Handlungsbedarf gelten etwa ein tiefer Leerwohnungsbestand, eine hohe Mietbelastung der Haushalte oder eine quantitative Anspannung im Wohnungsmarkt.
Die Forderung nach einem preisgünstigen Wohnraumangebot lässt sich jedoch – wie andere Anliegen des Leitfadens auch – nicht auf eine klare gesetzliche Grundlage abstützen. Der Bund kann sie deshalb nicht strikte von den Kantonen einfordern.
(siehe Interview mit Lukas Bühlmann).
Regelungen teils auf Gesetzesebene
Die Spannung war gross, ob der Bundesrat seine Aufgabe als Genehmigungsbehörde ernst nehmen und die Richtpläne einer strengen Überprüfung unterziehen würde. Relativ kurz nach Inkrafttreten des revidierten Raumplanungsgesetzes reichten die Kantone Genf, Zürich und Basel-Stadt ihre Richtpläne zur Genehmigung durch den Bundesrat ein. Unsere Branche interessierten insbesondere die Aussagen zum preisgünstigen Wohnraum. Im Richtplan des Kantons Genf wird mehrmals betont, dass eine soziale Durchmischung Teil der Siedlungsqualität ist. Im Kanton sollen mittelfristig mindestens zwanzig Prozent aller Mietwohnungen gemeinnützigen Trägern gehören. Dazu setzt er auf eine aktive Bodenpolitik. Auf Gesetzesstufe wird festgehalten, dass je nach Zone und je nach Eigentümerschaft eine gewisse Anzahl gemeinnütziger Wohnungen erstellt werden muss.
Auch der Zürcher Richtplan enthält einen generellen Auftrag an die Gemeinden, auf ein ausgewogenes Angebot an Wohnungen zu achten, das auch preisgünstigen Wohnraum umfasst. Nicht so der Basler Richtplan. Als Wohnbaugenossenschaften Schweiz sich beim Bundesamt für Raumentwicklung erkundigte, weshalb der Basler Richtplan trotzdem genehmigt worden sei, erhielt der Verband die Antwort, dass der Kanton Basel-Stadt in der kantonalen Gesetzgebung über ein ausreichendes wohnungspolitisches Instrumentarium verfüge, um diese Ziele umzusetzen.
Und tatsächlich: Als der Kanton Bern im Jahr 2016 seinen Richtplan zur Genehmigung einreichte – er enthielt ebenfalls keine Aussagen zum Thema preisgünstiger Wohnraum, der Kanton kennt aber auch auf Gesetzesstufe keine Fördermassnahmen –, wurde er gerügt. Der Bund forderte den Kanton auf, den Richtplan um Aussagen zur Förderung von preisgünstigem Wohnraum zu ergänzen oder darzulegen, mit welchen anderen Mitteln er für mehr preisgünstigen Wohnraum sorgen will.
Gute Beispiele
Im selben Jahr unterbreitete auch der Kanton Luzern seinen Richtplan. Im Unterschied zu Bern hatte er seine Hausaufgaben gemacht. Unter dem Titel «Standorte für bedürfnisgerechtes Wohnen» fordert er nämlich von den Gemeinden, in ihrem Siedlungsleitbild aufzuzeigen, wo preisgünstiges und bedürfnisgerechtes Wohnen angesiedelt werden soll. Auch im Richtplan des Kantons Schwyz ist festgelegt, dass der Kanton und die Gemeinden insbesondere im urbanen und periurbanen Raum günstige Rahmenbedingungen für den Bau von Wohnungen mit moderaten Mietpreisen zu schaffen haben.
Noch weiter geht der Kanton Zug. Bereits im Jahr 2013 verankerte er – als erster Kanton – Grundsätze für die Erstellung von preisgünstigen Wohnungen im kantonalen Richtplan. Darin sind unter anderem die Verwendung eigener Grundstücke, das Fördern einer aktiven Landpolitik des Gemeinwesens, das vorgängige Festlegen von Anteilen für preisgünstigen Wohnraum bei Umzonungen oder der Verzicht auf Teile des vorgegebenen Gewerbeanteils zugunsten preisgünstigen Wohnraums aufgelistet. Auch der Richtplan des Kantons Waadt – Anfang 2018 vom Bundesrat gutgeheissen – verlangt von den Gemeinden ein Engagement zugunsten des preisgünstigen Wohnraumangebots. Zudem stellt der Kanton mit der «Loi sur la préservation et la promotion du parc locatif» vom 10. Mai 2016 den Gemeinden ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung (siehe auch Wohnen 12/2018). So können die Gemeinden im Rahmen der Nutzungsplanung spezielle Zonen für preisgünstige Wohnungen ausscheiden und mit einem Ausnützungsbonus versehen.
Umsetzung in den Gemeinden
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass der Grossteil der Kantone «mit ausgewiesenem Handlungsbedarf» seine Hausaufgaben gemacht hat und in seinem Richtplan in irgendeiner Form auf die Sicherstellung eines preisgünstigen Wohnraumangebots eingeht. Heisst das nun, dass die Arbeit erledigt ist? Im Gegenteil. Jetzt geht es an die Umsetzung in den Gemeinden. Hier wird sich zeigen, wie wirkungsvoll die neu in den kantonalen Richtplänen
enthaltenen Forderungen zum preisgünstigen Wohnraumangebot wirklich sind. Den Gemeinden stehen viele kantonale Arbeitshilfen zur qualitätsvollen Siedlungsentwicklung nach innen zur Seite. Gute Beispiele zur Förderung des preisgünstigen Wohnungsbaus mittels raumplanerischer Massnahmen liegen ebenfalls vor. Die Gemeinden müssen nur wollen.
*Lea Gerber ist bei Wohnbaugenossenschaften Schweiz für den Bereich «Politik und Grundlagen» zuständig.