Die Genossenschaft Alterswohnungen Linth (GAW) ist mit erfolgreichem Konzept auf Wachstumskurs

Mitten im Geschehen

Die Genossenschaft Alterswohnungen Linth (GAW) ist seit der Gründung in den 1990er-Jahren kontinuierlich gewachsen und hat ihr Wohnkonzept von Näfels (GL) in die umliegenden Gemeinden getragen – jüngst gar über die Kantonsgrenze. Das Zusammenspiel mit den Behörden und einer ganzen Reihe von Altersinstitutionen ist ein wichtiger Grund für diesen Erfolg. Doch auch das Hauswartmodell trägt viel dazu bei.

Von Richard Liechti | Bilder: zVg | August 2019

«Die Vernetzung, besonders auch mit den Gemeinden, ist das A und O, wenn man zu ge­eignetem Bauland kommen will», erklärt Franz Landolt, Präsident der Genossenschaft Alterswohnungen Linth (GAW). Das war schon 1992 so, als die Genossenschaft – damals noch unter dem Namen Alterswohnungen Näfels – gegründet wurde. Franz Landolt spielte als Gemeinderat und Baupräsident von Näfels bereits damals eine wichtige Rolle. Im Ort war der Wunsch nach Alterswohnraum aufgekommen. Doch die Strukturen der Gemeinde seien zu schwerfällig gewesen, um ein solches Projekt anzupacken. Deshalb orientierte man sich an Beispielen in den Nachbarkantonen und setzte auf das Genossenschaftsmodell. In der Hochzinsphase der 1990er-Jahre waren die Bundesmittel aus dem damaligen Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (WEG) willkommen. Das grosse Echo in der Bevölkerung, wo man rasch die ersten hundert Mitglieder fand, trug dazu bei, das nötige Eigenkapital zu bilden. Und die Gemeinde entschied diskussionslos, der jungen Genossenschaft ein Grundstück im Baurecht abzugeben – und zwar an ausgezeichneter Lage, nur wenige Gehminuten vom Dorfzentrum.
Das ist bis heute Teil der Genossenschaftsphilosophie: «Wir wollen mitten in den Ortschaften bauen, mit möglichst kurzen Wegen zu Läden und Restaurants, öffentlichem Verkehr, Post und Kirche», erklärt Franz Landolt. Weitere Etappen, anfangs im Fünfjahres-, später im Drei- oder gar Zweijahrestakt, kamen hinzu. 2008 errichtete die GAW das erste Haus in Oberurnen, das mit seiner bunten Eternitfassade auch einen architektonischen Akzent setzt. 2016 überschritt sie die Kantonsgrenzen und expandierte ins sankt-gallische Amden (siehe Box). Dank zwei Fusionen mit Kleingenossenschaften ist sie zudem auch in Niederurnen und Netstal zuhause. Insgesamt 176 Wohnungen besitzt die Genossenschaft heute, mit rund 600 Mitgliedern ist sie in der Region stark verankert. Bauprojekte wickelt man fast durchwegs mit lokalen Unternehmen ab, schliesslich habe man im Glarnerland eine starke Bauwirtschaft.

Sozialer Auftrag
Die zentrale Lage der Siedlungen ist nur ein Grund dafür, dass die GAW für ihr Angebot lange Wartelisten führen muss. Die alters- und behindertengerechten Wohnungen bieten allen Komfort und entsprechen den Anforderungen des Minergie-Standards. Sie sollen aber auch für Menschen mit tiefem Einkommen erschwinglich sein. «Deshalb kalkulieren wir spitz», erklärt der Genossenschaftspräsident, auch verzichte man auf übertriebene Wohnungsgrössen. Bei der Finanzierung des Eigenkapitals kann die GAW auf die eigene Darlehenskasse zurückgreifen. Daneben nutzt sie die Fördermittel aus dem Fonds de Roulement und die günstigen langfristigen Darlehen der Emissionszentrale für gemeinnütze Wohnbauträger (EGW).
Grundlage für die Mietzinskalkulation bildet das Zürcher Modell zur Berechnung der Kostenmiete. Daraus resultieren bei älteren Liegenschaften durchschnittliche Quadratmeter-Mietpreise von 14 Franken pro Monat, beim jüngsten Neubau wie in Amden von 16 Franken. Dies bedeutet, dass Zweizimmerwohnungen meist weniger als tausend Franken monatlich kosten, Dreizimmerwohnungen um die 1200 Franken. Um niemanden auszuschliessen, brauchen die Mieterinnen und Mieter keine Anteilscheine zu zeichnen – eine Vorgabe, die der Kanton im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung der Genossenschaft erlassen hat. Tatsächlich erfüllt die GAW einen wichtigen sozialen Auftrag: Rund ein Drittel der Bewohnerschaft ist auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Und wer die Kaution von einem Monatszins nicht aufbringt, kann sich an den genossenschaftseigenen Sozialfonds wenden.

Die Rosengärtli-Wohnungen bieten zeitgemässen, hindernisfreien Komfort. Die Terrassen sind mit Glasschiebewänden ausgerüstet.

Hauswart als Drehscheibe
Ziel ist, dass ältere Menschen möglichst lange in den GAW-Wohnungen verbleiben können. Dabei setzt die Genossenschaft auf ein feines Zusammenspiel verschiedener Akteure. Dazu zählen Pflegeheime, Spitex, Pro Senectute, soziale Dienste, Gemeinde und Kanton. Das wichtigste Bindeglied zu den Bewohnerinnen und Bewohnern bilden jedoch die Hauswarte. Ihr Pflichtenheft geht weit über die Treppenhausreinigung hinaus – ja diese steht nicht im Vordergrund. Vielmehr sollen sich Hauswartin und Hauswart bewusst Zeit für die sozialen Belange nehmen und die Bewohnerschaft in mancherlei Beziehung unterstützen. Dies kann bis zu kleineren Pflegeleistungen oder einer Fahrt zum Arzt reichen. Die Hauswarte fördern aber auch nachbarschaftliche Kontakte und das soziale Leben. «Deshalb ist es für uns wichtig, dass die Hauswarte vor Ort wohnen oder auch sonst stark präsent sind», betont Franz Landolt.
Beispielhaft ist das im Neubau in Amden gelungen. Dort ging der Genossenschaftspräsident aktiv auf das Ehepaar Ida und Hans Spörri zu. «Ich wusste, dass die beiden als ehemalige Betreiber eines Cafés und einer Bäckerei langjährige Erfahrung als Dienstleister haben», erklärt Franz Landolt. Nach kurzem Zögern sagte das Ehepaar zu. «So sind wir mit 65 noch Hauswarte geworden», schmunzelt Hans Spörri. Unterhaltsarbeiten gehen dabei Hand in Hand mit der Pflege der Gemeinschaftlichkeit. «Wir sind immer ansprechbar, haben Zeit, hören gerne zu, fragen nach, wenn wir wissen, dass eine Angehörige im Spital ist oder dass jemand Sorgen hat», sagt Ida Spörri. Einmal im Monat organisiert das Ehepaar einen Gemeinschaftsanlass im Café. Doch sonst setzt man auf die Eigeninitiative der Mieterinnen und Mieter. Tatsächlich ergäben sich Kontakte von selbst. Nicht zuletzt weil die meisten Bewohnerinnen und Bewohner noch äusserst aktiv seien, skifahren, wandern und sich in den vielen Dorfvereinen engagieren.

Viel Fronarbeit
Der Verwaltungsrat der GAW hat die Hände nach dem jüngsten Neubau nicht in den Schoss gelegt. Bereits stehen mit der Beuge in Näfels und der Lunde in Netstal wieder Projekte an. Dabei beschreitet die Genossenschaft Neuland, denn in beiden Fällen geht es auch darum, wertvolle alte Bausubstanz zu erhalten. Das ist – neben dem Tagesgeschäft – mit viel Aufwand verbunden. Tatsächlich leistet der Verwaltungsrat einen Grossteil in Fronarbeit. Zwar erledigt die Geschäftsstelle mit zwei Teilzeitpensen Inkasso und administrative Arbeiten. Doch die Auswahl der Neumieter beispielsweise besorgt Franz Landolt selbst. «Wir haben dadurch auch null Wohnungsleerstand», erklärt er. In der Regel sind dies Personen ab sechzig Jahren, doch auch solche zwischen 85 und 90 können mieten, auch leichter Pflegebedarf sei dank der Spitex kein Hindernis. Schwieriger werde es bei alleinstehenden, an einer Demenz in einem fortgeschrittenen Stadium erkrankten Personen. Für ihre Pflege müssten Verwandte und Fachkräfte besorgt sein, oder der Schritt ins Pflegeheim wird unausweichlich.
Franz Landolt, seit 1992 Gründungsmitglied, seit 2002 Präsident der GAW, überblickt fast dreissig Jahre Alterswohnen. Was hat sich seit der Genossenschaftsgründung verändert? Zum einen seien die Komfortansprüche gestiegen, gehöre der Geschirrspüler heute etwa selbstverständlich dazu. Vor allem aber stellt er eines fest: «Die Leute sind gern unter sich, aber trotzdem mittendrin.» Ältere Menschen hätten einen anderen Rhythmus, wünschten etwa am Abend keinen Trubel mehr. Dafür dürfe am Morgen durchaus etwas laufen, umso wichtiger sei die Wohnlage im lebendigen Dorfkern. Dass die Seniorinnen und Senioren das selbständige Leben auskosten, belegt auch die Statistik. Elf Jahre leben sie durchschnittlich in einer GAW-Wohnung. Die letzte Station, der Aufenthalt im Pflegeheim, dauert dann im Schnitt nur noch ein Jahr.

Baudaten

Bauträgerin:
Genossenschaft Alterswohnungen Linth, Näfels
Architektur:
Simon Rakeseder, ABG Rakeseder GmbH, Amden
Bauleitung:
Fritz Landolt, Architekt, Näfels
Umfang:
26 Wohnungen, Gästezimmer, Tiefgarage (17 Plätze)

Baukosten:
8,588 Mio. CHF total
4000 CHF/m² HNF (inkl. Tiefgarage)
Mietzinse:
2 ½-Zimmer-Wohnung (65 m²):
1000–1200 CHF plus 160 CHF NK
3 ½-Zimmer-Wohnung (81–90 m²):
1300–1700 CHF plus 180 CHF NK
4 ½-Zimmer-Wohnung (96–123 m²):
1750–2050 CHF plus 200 CHF NK

«Rosengärtli»: Wohnen auf der Sonnenterrasse

Am Anfang war ein unverhofftes Erbe. Daraus entstand ein Dorfzentrum, in dem die Genossenschaft Alterswohnungen Linth (GAW) zwei Mehrfamilienhäuser mit Alterswohnungen betreibt. Hohe Wohnqualität, moderate Mietpreise und enge nachbarschaftliche Kontakte zeichnen sie aus.

Im Herbst 2016 zogen die Mieterinnen und Mieter in den jüngsten GAW-Neubau ein, das Alterszentrum «Rosengärtli» in Amden (SG). Die beiden Häuser mit den 26 Wohnungen haben eine aussergewöhnliche Vorgeschichte. Der in Amden heimatberechtigte Albert Böni-Opawsky hatte die Gemeinde nämlich als Alleinerbin seines Vermögens eingesetzt und ihr 3,2 Millionen Franken vermacht. Im Sinne des Erblassers gründete die Gemeinde eine Stiftung. Sie beschloss, den Dorfkern aufzuwerten und anstelle des geschlossenen Hotels Löwen eine neue Zentrumsüberbauung mit öffentlichen Nutzungen und Dorfplatz zu initiieren. Das Areal konnte mit der dahinterliegenden Parzelle ergänzt werden, wo Alterswohnraum entstehen sollte. Zunächst erstellte man den Gewerbeteil, der aus einem vierstöckigen Haupt- und einem zweistöckigen Nebenbau besteht – wobei die ungewohnte Architektursprache im Dorf durchaus zu Debatten führte.

GAW-Modell überzeugte
Schon früh stellte sich der Stiftung die Frage, wer für den Bau und Betrieb der Alterswohnungen verantwortlich zeichnen sollte. Die Genossenschaft aus dem benachbarten Glarnerland überzeugte: «Der Stiftungsrat ist beeindruckt von der engagierten Tätigkeit dieser Genossenschaft als sozialer Institution, von den attraktiven Wohnungen und den verhältnismässig günstigen Mietzinsen», hielt Stiftungsratspräsident Thomas Angehrn 2014 in der «Ammer Zeitung» fest. Für die GAW bedeutete das Projekt einen Glücksfall, entspricht es doch genau ihrer Philosophie, dass Alterswohnungen mitten ins Zentrum gehören. Im Falle des Rosengärtlis sind nicht nur Restaurants, Läden, Post, Gemeindeverwaltung oder das Hallenbad in bequemer Gehdistanz, auch der Bus hält im Halbstundentakt vor dem Haus.
Um die nötigen Entscheidungsgrundlagen für ihr Engagement zu schaffen, beauftragte die GAW zwei Architekturbüros mit einem Studienauftrag. Zum Zug kam Architekt Simon Rakeseder, der schon für den Gewerbebau verantwortlich gezeichnet hatte. Nach seinem Entwurf entstanden zwei Mehrfamilienhäuser, die zwar einen markanten Akzent setzen, deren Dimensionen von fünf und sieben Geschossen dank der Einbettung in den Hang aber verborgen bleiben. Doch die Hanglage hat noch mehr Vorteile: So profitieren alle Wohnungen von einer unverbaubaren Aussicht in die Glarner Alpen. Die windgeschützten Loggias sind mit Glasschiebewänden ausgestattet, so dass sich die Sonneneinstrahlung optimal nutzen und steuern lässt.

Grosse Nachfrage
Die Wohnungen sind durchwegs hindernisfrei ausgerüstet und bieten allen üblichen Komfort. Auf Wunsch sind gar Optionen wie Steamer oder Waschturm möglich. Notwendig ist Letzterer nicht, denn jedes Stockwerk besitzt seine eigene Wasch­küche. Auf die Einrichtung eines Gemeinschaftsraums verzichtete man. Dafür sind das Café Löwen und die Bäckerei im Zentrumsbau über eine unterirdische Verbindung mit den Wohnhäusern rollstuhlgängig erreichbar.
Das neue Angebot stiess in Amden auf viel Zuspruch. Schon bei der ersten Projektvorstellung waren zwei Drittel der Wohnungen reserviert, bei Einzug waren alle vergeben. Dabei ist das Altersspektrum mit 55 bis 90 Jahren gross. Rund zwei Drittel der Mieterinnen und Mieter stammen aus Amden und Umgebung, was angesichts der Nähe zum Grossraum Zürich und zum teuren Kanton Schwyz erstaunt. Denn die Wohnungen sind für Standard und Aussichtslage günstig: 1000 bis 1200 Franken netto kostest eine Zweieinhalbzimmerwohnung (65 m2), 1300 bis 1700 Franken eine Dreieinhalbzimmerwohnung (90 m2). Doch die Verbundenheit der Ammlerinnen und Ammler zu ihrer Heimatgemeinde sei eben gross, erklärt GAW-Präsident Franz Landolt. Den Blick auf die dominanten Mürtschenstöcke, Glärnisch und Vrenelisgärtli will man im Alter ganz bestimmt nicht missen – selbstverständlich von der passenden Wohnung im Dorfzentrum aus.