Dachbegrünungen lassen sich gut mit PV-Anlagen kombinieren
Das flotte Klima-Tandem
PV-Anlagen liefern erneuerbare Energie, Dachbegrünungen sorgen für Hitzeschutz und Biodiversität. Damit diese wichtigen Instrumente gegen den Klimawandel gut zusammenspielen, müssen sie richtig geplant und aufeinander abgestimmt sein. Auf welche Punkte Bauträger und Planende dabei achten sollten, erklärt eine neue Broschüre.
Von Isabel Morollón* | Bilder: Contec AG, Paul Bader AG, Solarspar, SIA
Flachdächer sind oft unternutzt. Dabei bieten sie grosses ökologisches und ökonomisches Potenzial. Eine Dachbegrünung mildert die Folgen des Klimawandels, indem sie der sommerlichen Überhitzung entgegenwirkt und Regenwasser zurückhält. Durch die extensive Begrünung wird die Biodiversität gefördert, ein neuer Lebensraum für Pflanzen und Tierarten entsteht. Photovoltaikanlagen ihrerseits liefern dauerhaft erneuerbare Energie und senken damit die Abgabe von CO2 in die Atmosphäre. Idealerweise werden Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen kombiniert. So kann man nicht nur von den Vorteilen beider Systeme profitieren, sondern zusätzliche Synergien nutzen.
Dachbegrünung optimiert Stromproduktion
An heissen Tagen werden manche Dächer bis zu 80 Grad heiss. Bei solch hohen Temperaturen verlieren Solarzellen zunehmend an Leistung. Gründächer bleiben hingegen dank der geringeren Wärmeabstrahlung angenehm kühl und überschreiten 35 Grad kaum. Dies ist für das Klima gleich doppelt gut – zum einen liefert die Photovoltaikanlage höhere Erträge, zum anderen kann auch gleich Energie für Klimaanlagen eingespart werden. Mit einer Begrünung als Ballast können die Solarmodule zudem windsicher auf Dächern montiert werden. Eine Durchdringung der Dachkonstruktion ist somit nicht nötig, was zu weniger Schäden am Flachdach führt. Ausserdem werden durch die flächige Verteilung der Begrünung hohe Punktlasten vermieden.
Begrünungen bieten weitere Vorteile. Im Schutz einer Begrünung kann die Lebensdauer einer Dachabdichtung verlängert werden, was vor allem in den Hitzemonaten wichtig ist: Durch die Bepflanzung wird das Abdichtungsmaterial vor Sonnen- und UV-Strahlung geschützt. Die rauere Oberfläche des Daches führt zu erhöhter Schwingungsträgheit und mildert so den Aussenlärm für die angrenzenden Räume ab. Nicht zuletzt nehmen Pflanzen und das Substrat einer Dachbegrünung viele Luftverunreinigungen wie Staub und Fasern auf und wirken so in ihrer unmittelbaren Umgebung wie ein Luftfilter.
Die richtige Wahl ist matchentscheidend
Die neue Broschüre «Dachbegrünung und Solarenergieanlagen» erklärt detailliert, worauf bei der Wahl und Planung von solchen Kombilösungen zu achten ist. Grundsätzlich können PV-Anlagen auf begrünten Flachdächern mit verschiedenen Systemen installiert werden. Je nach Art, Ausrichtung, Höhe und Neigung der Module resultiert ein unterschiedlicher Anteil der Fläche, die begrünt werden kann. Dabei kommen je nach Situation Intensiv- oder Extensivbegrünungen oder eine Kombination beider Varianten zum Zug. Auch senkrechte Module, die einen beidseitigen Lichteinfall erlauben, sind möglich. Sie erzielen vor allem im Winter höhere Solarerträge.
Damit PV-Anlage und Bepflanzung einwandfrei zusammenspielen, müssen die richtigen Gewächse und passenden Substrate ausgewählt werden. Für Solardächer sind spezielle Saatgutmischungen erhältlich. Um einer Beschattung der PV-Anlage vorzubeugen, empfiehlt sich etwa eine Bepflanzung mit niedrig wachsenden Gräsern. Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat 2019 zudem gezeigt, dass mit silberlaubigen Pflanzen der Ertrag von Solaranlagen verglichen mit einem Standardgründach um bis zu 17 Prozent gesteigert werden kann. Solche Pflanzen erweisen sich auch als besonders hitzeresistent. Durch ausreichenden Abstand zum Boden und Platz zwischen den Photovoltaikmodulen erhalten die Pflanzen genügend Licht und Wasser, um zu wachsen und zu gedeihen. Damit bieten sie Lebensraum für Vögel, Schmetterlinge, Insekten und Wildbienen und tragen zur biologischen Vielfalt in der Stadt bei. Auch der Unterhalt der Dachbegrünung spielt eine wichtige Rolle. Er gehört in die Hand von Fachpersonen. Vor allem die ersten zwei bis vier Jahre sind entscheidend, um das definierte Begrünungsziel zu erreichen. Nach dem Anwachsen muss die Begrünung ein- bis zweimal jährlich professionell gepflegt werden.
Fachleute beiziehen
Mittlerweile ist eine breite Palette an Produkten und Systemen für Solaranlagen auf Gründächern auf dem Markt. Baugenossenschaften sollten sich bei der Planung und Ausführung von Gebäudehüllenspezialisten begleiten lassen. Diese kennen sowohl die genauen Anforderungen an ein Flachdach als auch die verschiedenen Möglichkeiten zur Energiegewinnung durch Solaranlagen. Sie wissen, was bei begehbaren Dachflächen sicherheitstechnisch beachtet werden muss, können beim Einholen von Bewilligungen behilflich sein und stellen den Antrag auf Fördergelder von Bund oder Kantonen. Professionell geplant, umgesetzt und unterhalten, sind Kombidächer eine nachhaltige Investition in einen aktiven Klimaschutz.
* Isabel Morollón ist Leiterin Fachzeitschrift beim Verband Gebäudehülle Schweiz
«Zwingend ist eine genug hohe Aufständerung»
Wohnen: Welche Dächer eignen sich für eine Kombination aus Begrünung und Solaranlage?
Urs Hanselmann (Leiter Technik bei Gebäudehülle Schweiz): An und für sich eignen sich alle Dächer für Begrünungen. Meistens kommt diese Kombination aber auf Flachdächern zum Einsatz. Beim Steildach wäre die Kombination auch möglich, ist optisch aber nicht schön, da nicht integrierbar.
Worauf ist bei der Abdichtung besonders zu achten?
Für ein Abdichtungssystem spielt es keine Rolle, ob darauf eine Solaranlage installiert wird. Wichtig ist, dass der Aufbau richtig gemacht wird. Das betrifft die Schutzschicht, die Substratbeschaffenheit und die Schichtdicken. Wenn eine Wasserretention eingebaut wird, stehen verschiedene Systeme zur Verfügung. Der Vorteil einer Wasserretention ist, dass das Entwässerungssystem durch den Wasserrückhalt entlastet wird, etwa bei starken Regenfällen mit einer hohen Niederschlagsmenge.
Was sind die Unterschiede zwischen extensiver und intensiver Begrünung?
In der Schweiz sind rund 80 Prozent aller begrünten Dächer auf extensive Weise begrünt, lediglich eine paar Gründächer haben eine intensive Begrünung. Der Unterschied liegt im Bodenaufbau: Bei einer extensiven Begrünung kommt ein geeignetes Substrat zum Einsatz, das zum Beispiel mit Moosen, Sukkulenten, ausgewählten Gräserarten und Knollenpflanzen bepflanzt werden kann. Bei einer intensiven Dachbegrünung wird ein Bodenaufbau verwendet, wie er in der Natur üblich ist. Damit ist die Bepflanzung frei wählbar, auch grosse Sträucher und Bäume können eingesetzt werden. Bei der Wahl einer intensiven Dachbegrünung ist zwingend die Statik zu überprüfen, weil hier zusätzliches Gewicht auf das Dach kommt.
Was sind die grössten Herausforderungen bei der Kombination PV-Anlage und Dachbegrünung?
Sehr wichtig ist, dass der Zugang zum Gründach jederzeit gewährt ist. Dafür sind die von der Suva vorgegebenen Arbeitsschutzbestimmungen einzuhalten und es muss ein Absturzsicherungssystem mit
Sicherungskonzept geplant werden.
Zwingend ist auch eine genug hohe Aufständerung der PV-Module: Diese müssen mindestens dreissig Zentimeter über der Substratoberkante montiert werden. Damit wird die Beschattung und somit eine mögliche Solarertragseinbusse verhindert. Probleme entstehen in der Regel dort, wo Pflanzen übermässig wuchern. Ursachen dafür sind meist ein falsches Substrat oder mangelnder Unterhalt.
Nützliche Informationen und Links
Die Broschüre «Dachbegrünung und Solarenergieanlagen» wurde vom Verband Gebäudehülle Schweiz, der Schweizerischen Fachvereinigung Gebäudebegrünung, Holzbau Schweiz, Suissetec, Jardin Suisse und Swissolar herausgegeben. Sie zeigt, wie Solaranlagen auf Gründächern richtig geplant und ausgeführt werden, vergleicht Varianten und enthält weiterführende Informationen.
Das Merkblatt «Montage von Photovoltaik-Anlagen (PV) und Solarthermie-Anlagen (WW) auf Flachdächern» richtet sich an Planerinnen und Verarbeiter von PV- und Solarthermie-Anlagen. Es zeigt unter Berücksichtigung der Normen und Regeln auf, was bei der Montage in Planung und Ausführung zu beachten ist.
Gebäudehüllen-Spezialist/innen unterstützen in allen Belangen rund um Solardächer mit Begrünung, von der Planung über die Umsetzung bis zum Unterhalt. www.gebäudehülle.swiss listet die Mitglieder von Gebäudehülle Schweiz sortiert nach Regionen.
Mit der Checkliste «Zustandsanalyse Flachdach» der Technischen Kommission Flachdach vom Verband Gebäudehülle Schweiz kann der Zustand eines Flachdachs beurteilt werden.
Tagung zum Thema
Am 26. Oktober führt Gebäudehülle Schweiz in Rapperswil die Fachtagung «Solar | Energie» durch. Themen sind unter anderem «Solarthermie auf Gründächern inklusive Wasserspeicher» sowie «Unterhalt und Pflege der Dachbegrünung». www.gebäudehülle.swiss/Termine