
Kriterien für die Beschaffung von Hausgeräten
Wer will die Klassenbesten?
Mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs im Haushalt entfällt auf die grossen Elektrogeräte. Deshalb gibt es seit längerem besonders energieeffiziente Kühlschränke, Geschirrspüler und Waschmaschinen. Solche Bestgeräte sind teuer, drücken aber den Strombezug langfristig nach unten. Manche Baugenossenschaften verbauen deshalb nur noch Bestgeräte, andere entscheiden je nach Objekt.
Von Michael Staub | Bilder: W2H Architekten, Martin Bichsel, Wohnen | März 2017
Kochen, Waschen und Backen benötigt viel Energie: Mehr als die Hälfte des Jahresstromverbrauchs entfällt in einem Vierpersonenhaushalt auf die sogenannte Weissware (siehe Box). Mit der Wahl möglichst energieeffizienter Herde, Backöfen, Geschirrspüler, Waschmaschinen oder Wäschetrockner können Baugenossenschaften deshalb viel einsparen. Zum Beispiel mit dem Kauf von «Bestgeräten». So bezeichnet man Geräte der jeweils besten, also höchstmöglichen Effizienzklasse. Häufig bieten Bestgeräte auch zusätzliche Funktionen und ein hochwertiges Design. In der Anschaffung sind sie allerdings deutlich teurer als Mittelklassegeräte. Das häufigste Verkaufsargument für Bestgeräte ist der messbar geringere Strombezug über die gesamte Lebensdauer. Auf Vergleichsportalen wie www.topten.ch wird dieser bis auf die Kilowattstunde genau ausgewiesen.
Verwirrliche Energieetikette
Die Rangierung der Geräte bezüglich Energieeffizienz läuft über die bekannte Geräte-Energieetikette. Reichte die Skala anfänglich noch von G (schlechtester Wert) bis A (bester Wert), haben die raschen Fortschritte der Industrie in manchen Sparten zu einer paradoxen Situation geführt. Nicht mehr A, sondern A+++ ist das höchstmögliche Ranking. «Bei Kühl- und Gefriergeräten ist A++ die ineffizienteste Kategorie, A+++ dagegen die beste. Ein Bestgerät benötigt vielleicht noch 20 bis 25 Prozent weniger Energie als eines aus der tiefsten Kategorie», sagt Jürg Nipkow. Der Elektroingenieur ETH ist seit langem für S.A.F.E. tätig, die schweizerische Agentur für Energieeffizienz. «Bei Kühlgeräten oder Geschirrspülern sind wir heute auf einem sehr hohen Niveau. Da sind auch die ‹schlechten› Geräte schon ziemlich energieeffizient», meint Jürg Nipkow. Eine drastische Verbesserung gab es hingegen bei den Tumblern: Seit vier Jahren sind in der Schweiz nur noch Modelle mit Wärmepumpe erlaubt. Im Vergleich zu den früheren Modellen mit Kondensationstrocknung wurde der Strombezug dadurch schlagartig um die Hälfte reduziert.

Die Geräteetikette gibt Aufschluss: Geschirrspüler an einer Messe.
Manchmal genügt Mittelklasse
Wie sehr beeinflusst die Energieeffizienz der Geräte den Kaufentscheid einer Baugenossenschaft? Darauf gibt es keine einfache Antwort. Denn so heterogen wie die einzelnen Baugenossenschaften sind auch deren Gerätestrategien, wie eine kurze Umfrage zeigt. Die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL) wählt «aktuelle Geräte im mittleren bis oberen Preissegment», wie Peter Bucher sagt. Er ist Leiter Bau und Entwicklung bei der ABL. Eine «gute Energieeffizienzklasse, aber nicht unbedingt die Topliga» ist auch bei der Eisenbahner-Baugenossenschaft Bern (EBG) gefragt, wie Bewirtschafter Reto Tschiemer sagt. Die Siedlungsgenossenschaft Eigengrund in Zürich betreibt in der Gerätefrage einen beträchtlichen Aufwand, wie Christian Zopfi schildert. Er ist Leiter Immobilienentwicklung. «Bei defekten Geräten vergleichen wir die Kosten einer Reparatur mit der noch zu erwartenden Lebensdauer des alten Geräts. Zudem ermitteln wir den Stromverbrauch im Vergleich mit einem neuen Bestgerät.»
Bei den Bauprojekten stimmt man zudem die Geräteklasse auf die jeweilige Objektstrategie ab. Bei Nutzungsdauern von bis zu 15 Jahren oder beim Erhalt günstiger Mietzinse kommen auch Mittelklassegeräte in Frage. «Bei Instandsetzungen mit einem Zeithorizont von dreissig Jahren wählen wir dagegen meist Bestgeräte», sagt Christian Zopfi. Es gibt auch Genossenschaften, die sich aufgrund ihrer energetischen Leitlinien grundsätzlich für Bestgeräte entscheiden. So etwa die Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich (Stiftung PWG). Geschäftsführer Jürg Steiner sagt dazu: «Wir folgen dem Masterplan Energie der Stadt Zürich und setzen grundsätzlich nur Top-Ten-Geräte ein.»
Geld oder Strom sparen?
Das am meisten betonte Verkaufsargument für Bestgeräte ist der energieeffiziente Betrieb: Über die gesamte Lebensdauer lässt sich nicht nur der Strombezug, sondern auch die Stromrechnung drücken. Diese höhere Effizienz wird jedoch mit einem deutlichen Mehrpreis erkauft. Im Finanzjargon spricht man hier vom Goodwill: Der Käufer bezahlt etwas mehr, als er müsste, weil ihm ein anderer Aspekt wichtiger ist als der Preis. Nicht alle Baugenossenschaften beurteilen diesen Goodwill jedoch als wirtschaftlich. «Die Stromeinsparung rechtfertigt den Mehrpreis nicht. Für uns als Baugenossenschaft muss ein klarer Mehrwert ersichtlich sein. Das schickere Aussehen und der höhere Bedienungskomfort der teuren Geräte entsprechen nicht unserem Anspruch», meint etwa Peter Bucher von der ABL.
Bei der EBG Bern nimmt man einen gewissen Mehrpreis in Kauf, wie Reto Tschiemer sagt: «Unsere Geräte sollen energieeffizient sein. Wir sind auch gerne bereit, Fernwärme oder Strom aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.» Diese Haltung vertritt auch Rolf Hefti von der Baugenossenschaft Zurlinden: «Die Qualität der Geräte ist uns wichtig, und wir sind auch bereit, einen gewissen Goodwill zu leisten.» Von Fall zu Fall entscheidet die Siedlungsgenossenschaft Eigengrund, wie Christian Zopfi erläutert: «Je nach Situation ist auch ein Goodwill nicht auszuschliessen.»

Die Stiftung PWG in Zürich folgt dem Masterplan Energie der Stadt Zürich und setzt grundsätzlich nur Bestgeräte ein. Bild: Neuwohnung in einer Dachaufstockung an der Saumackerstrasse in Zürich.
Sparpotenzial auch in Details
Wo lohnen sich Bestgeräte am meisten? «Bei Tumblern mit Wärmepumpe», meint Rolf Hefti von der Baugenossenschaft Zurlinden. «Waschmaschinen und Tumbler», sagt auch Reto Tschiemer von der EBG Bern. Peter Bucher von der ABL nennt «Backöfen, Waschmaschinen, Tumbler und speziell auch Kühlschränke». Bei der Stiftung PWG, die ohnehin nur Bestgeräte einbaut, gibt es laut Jürg Steiner «keine fundierten Kennzahlen» zu einzelnen Gerätegattungen. Christian Zopfi von der SG Eigengrund differenziert nach Gerätetyp: «Backöfen werden vergleichsweise selten gebraucht, aus meiner Sicht lohnt sich deshalb ein frühzeitiger Austausch nicht. Kochherde sind häufiger im Gebrauch, dort wählen wir Induktionsmodelle.» Wenn die entsprechende Liegenschaft aus erneuerbaren Energiequellen beheizt wird, schliesst man wenn immer möglich die Geschirrspüler und Waschmaschinen an das Warmwasser an. Und selbst bei Details findet man Einsparpotenzial, wie Christian Zopfi sagt: «Abzugshauben mit Halogenbeleuchtung verbrauchen unverhältnismässig viel Energie. Darum wählen wir nur Modelle mit LED.»
Für die meisten Baugenossenschaften ist Energieeffizienz zwar ein wichtiges, aber keineswegs das einzige Kriterium bei der Auswahl von Grossgeräten. Christian Zopfi von der SG Eigengrund nennt weitere Kriterien: «Die Geräte sollen auch robust und einfach zu bedienen sein. Eine unkomplizierte Wartung ist wichtig, damit der Hauswart rasch helfen kann. Geräuschniveau und Ästhetik berücksichtigen wir mit. Ebenso den Produktionsstandort und den Eigenfertigungsgrad des Herstellers.»
Lebensdauer massgebend
Ein grosses Thema ist die Langlebigkeit. «Die Qualität der Geräte ist heute eher schlechter, weil für die hohe Energieeffizienz alles maximal ausgereizt werden muss. Das führt tendenziell zu einer kürzeren Lebensdauer», meint Peter Bucher von der ABL. Bei einer Energiebilanz, die auch die Grauenergie für die Herstellung beziehungsweise den vorzeitigen Ersatz berücksichtige, stelle sich deshalb rasch die Frage, ob die energiesparenden Geräte tatsächlich ökologischer seien.
Zwar gibt es seit einigen Jahren eine Entscheidungshilfe des BFE. Die Broschüre «Defekte elektrische Geräte reparieren oder ersetzen?» (siehe unten) gibt konkrete Empfehlungen, wann sich zum Beispiel die Reparatur eines Kühlschrankes lohnt. Berücksichtigt werden das Alter des Gerätes, der Anschaffungspreis sowie die erwarteten Reparaturkosten. Wer sich an diesen Empfehlungen orientiert, sollte den Absender im Kopf behalten. «Diese Broschüre stammt vom Bundesamt für Energie (BFE), und deshalb wird die Neuanschaffung nach meinem Geschmack ein bisschen zu sehr propagiert», sagt Jürg Nipkow. Aus Sicht des BFE sei es natürlich sinnvoll, möglichst viele Altgeräte mit möglichst effizienten Neugeräten zu ersetzen – dies senke den Gesamtstromverbrauch. Jedoch werde der ökobilanzielle Restwert eines Gerätes beim Ersatz schlagartig vernichtet. So lange ein Gerät deshalb «noch zufriedenstellend funktioniert», rät Jürg Nipkow vom Ersatz ab.
Nutzer nicht vergessen
Jürg Steiner von der Stiftung PWG weist darauf hin, dass die Lebensdauer eines Grossgerätes auch vom Nutzerverhalten abhängig ist. Gleichzeitig kommt der Goodwill des Vermieters bei der Anschaffung von Bestgeräten auch dem Nutzer zugute. «Vom reduzierten Stromverbrauch profitieren unsere Mieter, weil sich die Nebenkosten verringern», hält er fest.
Diesen Blick auf die Mieterschaft bezeichnet der Energieexperte Jürg Nipkow als wichtigstes Argument für Bestgeräte: «Die Mieterinnen und Mieter haben bei der Geräteauswahl nichts zu sagen. Sie müssen benützen, was eingebaut wird. Darum kann man sich hier als Vermieter sehr gut profilieren. Der Einbau von hochwertigen Geräten ist ein klares Zeichen an die Mieterschaft. Zu guten Geräten wird mehr Sorge getragen als zu Billigware.» Wer bei der Anschaffung knausere, spare am falschen Ort, meint Jürg Nipkow. Mindestens so wichtig wie die eingesparten Kilowattstunden sei bei Bestgeräten die Botschaft: «Es geht letztlich um Wertschätzung und um das gute Image für den Bauträger.»
Zuversichtliche Hersteller
Die grossen Hersteller forcieren zwar möglichst energieeffiziente Haushaltsgeräte, machen aber keine Angaben zu den Marktanteilen der Bestgeräte. Die Nachfrage sei wachsend, sagt Barbara Haueter, Pressesprecherin bei Miele, und weist auf eindrückliche Verbesserungen hin: «Bei den Geschirrspülern konnte der Stromverbrauch pro Massgedeck seit 1990 um 64 Prozent verringert werden. Der Wasserverbrauch sank um 58 Prozent. Bei den Waschmaschinen war der Strombezug vor zehn Jahren noch 47 Prozent höher.» Die Energieeffizienzklasse spiele bei den Kunden oft eine entscheidende Rolle, vor allem bei genossenschaftlichen Bauten oder Minergie-Objekten. Bei Renditeobjekten sei der Preisdruck hingegen höher. Auf die Langlebigkeit der Geräte angesprochen, meint Barbara Haueter: «Bei Miele gibt es eine spezielle Werknorm, die entsprechende Vorgaben macht. Waschmaschinen prüfen wir beispielsweise auf 10 000 Betriebsstunden, Geschirrspüler auf 15 000.» Dies entspricht Nutzungsdauern von bis zu zwanzig Jahren.
Steigerung noch möglich
Auch beim Schweizer Hersteller V-Zug stellt man gemäss Marketingleiter Philipp Hofmann eine «leicht wachsende Nachfrage für Bestgeräte» fest. Einzelne Gerätegattungen, etwa Kühlschränke, verzeichneten dank Cashback-Angeboten sogar einen merkbaren Zuwachs. Die Wahl von Bestgeräten entspringe oft «der Philosophie der Kunden», meint Philipp Hofmann. «Manche wählen a priori Geräte der besten Effizienzklasse. Wer hingegen nur auf die kurzfristigen Kosten achtet, wird sich kaum ein Bestgerät anschaffen.» Trotz eines hohen Niveaus strebe auch V-Zug nach permanenter Steigerung der Effizienz: «Wir haben als erster Hersteller weltweit die Wärmepumpentechnik bei Waschautomaten und Geschirrspülern umgesetzt. Weiteres Potenzial für Energieeffizienz ist mit dem Einsatz modernster Sensorik vorhanden», sagt Philipp Hofmann.
- Die zehn energieeffizientesten Geräte verschiedenster Produktkategorien sind auf der Website von Topten ersichtlich. Neben dem Kaufpreis werden auch die Stromkosten für die erwartbare Lebensdauer des Gerätes angezeigt. www.topten.ch
- Die Broschüre «Defekte elektrische Geräte reparieren oder ersetzen?» ist gratis verfügbar auf der Website des Bundesamts für Energie
- Noch funktionstüchtige Elektrogeräte, die ersetzt werden, können an Bauteilbörsen weitergegeben werden. Eine gute nationale Übersicht bietet www.bauteilclick.ch