Baugenossenschaft als Arbeitgeberin: So findet und bindet man Mitarbeitende

Sinnstiftende Jobs ziehen an

Die Arbeitswelt ist im Umbruch: Der Fachkräftemangel nimmt zu, die Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen ändern sich. Passende Mitarbeitende zu finden, wird anspruchsvoller. Beispiele von Wohnbaugenossenschaften zeigen, wie man Netzwerke nutzen kann und mit Flexibilität und Sinnhaftigkeit punktet.

Von Liza Papazoglou | Bilder: Mareycke Frehner, GWG, BGZ | 2023/07

Für Arbeitnehmer:innen in der Schweiz stehen die Zeichen aktuell gut: Die Arbeitslosenquote liegt gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit aktuell zwei Prozent so tief wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Im gleichen Zeitraum wurden noch nie so viele unbesetzte Stellen gezählt wie 2022: 120 000 waren es Ende Jahr laut Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS). Das entspricht mehr als zwei Prozent aller Stellen – ein Rekordwert. Besonders schwer zu besetzen waren Jobs im Gesundheitswesen, im Baugewerbe und in der Informatik. Drei
von vier Unternehmen bekunden denn auch Schwierigkeiten bei der Personalrekrutierung, wie eine Umfrage des Personalvermittlungsunternehmens Manpower letztes Jahr ergeben hat. Rasch dürfte sich an dieser Situation kaum etwas ändern, zumal bis 2030 besonders viele «Babyboomer» der geburtenstarken 1950er- und 1960er-Jahrgänge in Rente gehen werden.

Gefragte Bewirtschafter:innen
«Der Arbeitsmarkt hat sich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt», stellt denn auch Dörte Resch fest, die sich an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit Fachkräftemangel und Employer Branding befasst (siehe Interview S. 23). Das aber heisst: Um geeignetes Personal zu finden, braucht es oft viel Zeit und passende Such­strategien. Betriebe sind dabei konfrontiert mit Bedürfnissen von Arbeitnehmer:innen, die sich in den letzten zwanzig Jahren verändert haben. Hoch im Kurs stehen Homeoffice, Fle­xibilität und Teilzeitarbeit. Konnten 2001 erst sechs Prozent der Beschäftigten teilweise zu Hause arbeiten, waren es 2022 lauf BFS mehr als ein Drittel. Ebenso hoch ist mittlerweile der Anteil der Beschäftigten, die in Teilpensen angestellt sind. Frauen machen dabei immer noch den Grossteil aus, doch bei den Männern steigt die Quote schnell an. Gleichzeitig arbeiten laut der Schweizer Arbeitskräfteerhebung (Sake) immer weniger Menschen mit fixen Ar­beits­zeiten: 2021 war es gerade noch gut die Häl­fte aller ­Beschäftigten.
All diese Entwicklungen betreffen auch Wohnbaugenossenschaften. Besonders zu spüren bekommen sie die Engpässe bei der Immobilienbewirtschaftung. «Das ist das Thema Nummer eins. Da ist die Personalsuche oft schwierig, und das Lohnniveau ist eher hoch», sagt Reto Klink. Der Geschäftsführer des Regionalverbands Zürich von Wohnbaugenossenschaften Schweiz bekommt dies immer wieder von den Verantwortlichen der Genossenschaften zu hören. Auch Sekretariatsstellen seien eher schwierig zu besetzen. Ein Blick auf gängige Stellenbörsen und die eigene Jobplattform des Regionalverbands bestätigt das: Es reihen sich Inserate, in denen Genossenschaften Personal für alle Funktionen rund um die Bewirtschaftung suchen. Sehr gefragt sind derzeit dabei auch Hauswartinnen sowie Verantwortliche für Bauprojekte.
Welche Erfahrungen machen Wohnbau­genossenschaften bei der Personalsuche? Wie gehen sie vor, um geeignete Mitarbeiter:innen zu finden? Welche Plattformen nutzen sie? Die folgenden Beispiele zeigen, dass sie je nach Grösse und Struktur verschiedene Strategien befolgen. Was ihnen die Stellenbesetzung gegenüber Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt erleichtert, ist eine erfreuliche Gemeinsamkeit: die sinnhafte Tätigkeit, die sie ermöglichen.

Mitarbeitende aus der Hauswartung, Technik und Kommunikation stellen gemeinsam ein Tipi für eine GWG-­Siedlung auf. Die Genossenschaft legt Wert auf ­Selbstinitiative und ­-organisation ihres ­Personals.

Wohngenossenschaft ASIG, Zürich
Gründung 1943
2834 Wohnungen sowie Einfamilienhäuser in
22 Siedlungen, Grossraum Zürich

Struktur
23 Mitarbeitende Geschäftsstelle (inklusive GL, Verantwortliche Personal), 2 Lernende (KV/Betriebsunterhalt), 19 Mitarbeitende Hauswartung, 9-köpfiger Vorstand. Flache Hierarchie.

Letzte Stellenbesetzungen
Eine Fachperson im Sozialbereich hat die ASIG schnell gefunden. Schwieriger gestaltet sich die Personalsuche in der Immobilienentwicklung und in der Bewirtschaftung. Carole Büchi, Verantwortliche Personal, macht die Erfahrung, dass Home-office und Teilzeitarbeit sehr gefragt sind. Auch in der Hauswartung werden Teil­zeitpensen gewünscht, um mehr Zeit für die Familie oder eine Weiterbildung zu haben.

Personalsuche
Je nach Art der zu besetzenden Stellen schreibt die ASIG Vakanzen auf ihrer Website und auf den etablierten Jobplattformen aus. «Oft kommt man aber nicht darum herum, spezialisierte Vermittlungsbüros einzusetzen, die ganz gezielt auf Leute bestimmter Branchen zugehen können», sagt Büchi. Unverzichtbar sind für sie spezifische Branchen- und Onlineplattformen wie Linkedin. Besonders setzt sie auf eine breite Ver­netzung. Ihr Tipp: «Es bewährt sich, wenn Mitarbeitende offene Stellen in ihrem Netzwerk breit streuen und selbst neue Teammitglieder anwerben. Oft kann dies eine aufwändige Suche nach versiertem Personal sogar erübrigen.»

ASIG als Arbeitgeberin
Positionierung: zweitgrösste Wohngenossenschaft mit Wachstumsziel, zukunftsgerichtete Bauprojekte, interne und externe Entwicklung von Mitarbeitenden, Förderung des genossenschaftlichen Miteinanders, sinnhafte Tätigkeit, soziale Verantwortung gegenüber Arbeitnehmenden.
Wichtigste Benefits: marktgerechte Entlöhnung, fünf Wochen Ferien (ab Alter Fünfzig sechs Wochen), attraktive Sozialleistungen und PK-Be­dingungen, Essens- und Mobilitätsentschädigung, Teambildung (diverse Anlässe, Mitarbeiteraustausch, Schulungen), finanzielle und zeitliche Unterstützung für Weiterbildung, vergünstigte Reka-Checks, Möglichkeit zur Ge­nos­senschafts­mitgliedschaft und zur Führung eines Depositenkontos.
Weitere Anreize sind vorgesehen, im Vordergrund steht eine ausgeglichene Life Balance.

Gemeinnützige Wohngenossenschaft Winterthur (GWG)
Gründung 1939
1430 Wohnungen in rund 40 Siedlungen im Raum Winterthur

Struktur
21 Mitarbeitende Geschäftsstelle (inklusive GF), 1 Lernender Betriebsunterhalt, 30 nebenamtliche Hauswart:innen in den Siedlungen, 6-köpfiger Vorstand. Hoher Grad an Selbst­or­ganisation.

Letzte Stellenbesetzungen
Letztes Jahr wurden bei der GWG Stellen frei in den Bereichen Buchhaltung, Kommunikation, Bewirtschaftung und Zusammenleben. Probleme mit der Rekrutierung hat es laut Geschäftsführer Andreas Siegenthaler keine gegeben. Pro Ausschreibung bewarben sich zwischen 10 und 50 Personen. Erstaunt hat ihn, dass bei der Kommunikationsstelle, die für 70 bis 100 Prozent ausgeschrieben war, niemand mehr als ein 70-Prozent-Pensum wollte. «Der Wunsch nach Teilzeit ist gross, und das dürfte weiter so bleiben». Nun teilen sich zwei Personen den Job.

Personalsuche
Der Geschäftsführer sucht grundsätzlich selbst nach neuem Personal, in der Regel mit regulären Stelleninseraten auf der GWG-Website und Onlineportalen. Bei den Bewerbungsgesprächen sind jeweils die Genossenschaftspräsidentin und einzelne Teamkolleg:innen anwesend. Zum Erstgespräch gehören Tests. «Sehr wichtig für uns ist, dass die Chemie stimmt und Mitarbeitende zum Team passen», sagt Siegen­thaler. Mit diesem Vorgehen sei man bis jetzt gut gefahren. Bei den Kleinpensen für Hauswartungen im Nebenamt sucht die GWG zuerst im betroffenen Haus, dann in benachbarten Siedlungen. Gefragt ist dabei neben handwerklichem Geschick vor allem hohe Sozialkompetenz.

GWG als Arbeitgeberin
Positionierung: lebenswerter Wohnraum, sinnvolle Aufgabe, nettes Team – «wir erhalten oft diese Rückmeldung», sagt Siegenthaler. Das seien wichtige Motive für Jobinteressierte.
Wichtigste Benefits: flache Hierarchie und hohe Selbstorganisation mit individuellen Mög­lichkeiten für flexibles Arbeiten, auch zuhause, fünf Wochen Ferien (nach fünf Dienstjahren sechs Wochen), teilbezahlter Urlaub für Freiwilligenarbeit.

BGZ-Angstellte bei einem Brandschutzkurs. Die Genossenschaft beschäftigt ein eigenes grosses Unterhaltsteam in den Bereichen Hauwartung, Malerei und Garten und ­bildet dort auch Lernende aus.

Baugenossenschaft Glattal Zürich (BGZ)
Gründung 1942
2140 Wohnungen in über 30 Siedlungen im Raum Zürich

Struktur
21 Mitarbeitende Geschäftsstelle (inkl. 3 GL-Mitglieder), 31 Mitarbeitende Liegenschaftenunterhalt (13 Hauswartung, 8 Maler:innen, 10 Gärt­ner + je 1 Lernende/r pro Bereich), 9-köp­figer Vorstand.

Letzte Stellenbesetzungen
2022/23 musste aus verschiedenen Gründen die gesamte Geschäftsleitung ersetzt werden – der BGZ-Vorstand stand in der Pflicht. Er entschied, die GL von vier auf drei Personen zu ver­kleinern, indem er die Bereiche Bau und Un­terhalt, die eine Zeit lang getrennt gewesen wa­ren, wieder zusammenführte. «Das hat Schnitt­stellen reduziert und vereinfacht», sagt Prä­sident Thomas Lohmann. Alle drei Positionen hat man relativ schnell besetzen können: Eine über ein externes Büro, eine über eine interne Empfehlung von jemandem, der eine passende Person auf Stellensuche kannte, und die dritte mit einem ehemaligen Bewerber mit ausgezeichnetem Profil. «Wir hatten ausgemacht, uns im Bedarfsfall bei ihm wieder zu melden. Nun hat gegenseitig alles gepasst.»

Personalsuche
Je nach Stelle unterschiedlich. Zuständig ist die Geschäftsführung in Absprache mit der Teamleitung. Über persönliche Kontakte und Mund-zu-Mund-Propaganda liessen sich zum ­Beispiel Gärt­nerstellen oft ohne grossen ­Aufwand besetzen, sagt Lohmann. Bei einfacheren Jobs nutzt die BGZ gängige Stellen­portale, bei spezialisierten Funktionen (zum Beispiel Architektur) spezifische Branchenplattformen. Für wichtige Füh­rungsfunktionen inseriert der Vorstand selbst. Lohmann: «Solche Inserate sprechen Leute an. Googeln sie einen und sehen auf der Website, dass das Setting stimmt, weckt das ihr Interesse.» Bei einer solchen Ausschreibung vor vier Jahren gingen über dreissig qualifizierte Bewerbungen ein. «Heute wären es wohl weniger», vermutet der Präsident.
Externe Vermittlungsbüros setzt die BGZ nur selten ein. «Das dauert letztlich oft länger, weil es viele Leute gibt, die sich nicht über diesen Weg bewerben wollen. Zudem fallen bei einfacheren Berufen viele Interessierte durch den Filter, nur weil ihre Bewerbungsunterlagen nicht top sind. Bei einem Hauswartjob inte­res­siert uns aber vor allem, ob jemand handwerklich gut ist.» Auch bei der Suche nach einer Fachperson für Immobilienbewirtschaftung führte ein Vermittlungsbüro nicht zum Ziel. «Wir haben die Stelle dann selbst ausgeschrieben – so klappte es.»

BGZ als Arbeitgeberin
Positionierung: Dynamisches Unternehmen, Gestaltungsspielraum, sinnstiftende Tätigkeit, Austausch mit Mieter:innen, hohe Arbeitsplatzsicherheit.
Wichtigste Benefits: marktfähiger Lohn, gute Nebenleistungen (Reka-Checks, Beiträge ZVV- und Halbtax-Abos, Gleitzeit, Ferien über Weihnachten, privat nutzbarer Laptop, ausleihbare Fahrzeuge), Möglichkeit zur Genossenschaftsmitgliedschaft.
Die Personalstrategie soll angepasst und neue Arbeitsmodelle sowie weitere Massnahmen sollen eingeführt werden, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Weiterbildung erleichtern. Home-Office will man besser koordinieren. Auf spätestens 2024 wird eine HR-Fach­person eingestellt.

Eisenbahnherbaugenossenschaft (EBG) Rapperswil
Gründung 1912
85 Wohnungen in 3 Überbauungen, Rapperswil

Struktur
1 Mitarbeiterin Geschäftsstelle, 7-köpfiger Vorstand. Im Aufbau: Gemeinsame Geschäftsstelle zusammen mit Wohnbaugenossenschaft Eichfeld (77 Wohnungen in Jona).

Letzte Stellenbesetzungen
Lange wurden alle Aufgaben von Vorstandsmitgliedern im Nebenamt ausgeführt. Seit vier Jahren besitzt die EBG Rapperswil eine Geschäftsstelle mit einer festangestellten Mitarbeiterin (40 Prozent). Diese baut aktuell zusammen mit der benachbarten WBG Eichfeld aus Jona, die sich nun ebenfalls professionalisiert, eine gemeinsame Geschäftsstelle mit gegenseitiger Stellvertretung auf. Für die neue 40-Prozent-Stelle im Bereich Immobilien­be­wirtschaftung konnte im Sommer innert weniger Tage jemand gefunden werden. «Wir ­hatten grosses Glück», sagt Irmela Kälin von der EBG-Geschäftsstelle. Unter den wenigen Bewerbungen stach diejenige einer jungen Mutter hervor, die bereits in der Branche arbeitet und ganz in der Nähe wohnt.

Personalsuche
Nachdem die WBG Eichfeld die Stelle erfolglos intern ausgeschrieben hatte, führte ein Inserat der EBG Rapperswil über ein gängiges Job­portal zum Ziel. Die Gespräche fanden zusammen mit Vertreter:innen beider Vorstände und Kälin statt. Das tiefe Teilzeitpensum sei auf positive Resonanz gestossen, sagt Kälin, zum Beispiel bei Leuten, die noch eine Ausbildung
machen oder auf die Pensionierung zugehen.

EBG / Eichfeld als Arbeitgeberinnen
Positionierung: abwechslungsreiche Aufgaben, sinnstiftendes und überschaubares Genos­senschaftsumfeld, unkompliziertes Arbeits­kli­ma, Learning on the job.
Wichtigste Benefits: freie Wahl Arbeitsort (Home­office oder Büro), Möglichkeit zur Weiterbildung.
Angedacht ist, die Professionalisierung der Geschäftsstelle weiterzutreiben und dafür mit weiteren Kleingenossenschaften zusammenzuspannen.

«Das grosse Thema ist Vereinbarkeit»

Welche Knsequenzen haben die Verschiebung von einem Arbeitgeber- zu einem ­Arbeitnehmermarkt und sich ändernde Bedürfnisse? Dörte Resch ordnet ein. Sie leitet das Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung an der Hochschule für Angewandte Psychologie, Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).

Wohnen: Was zeichnet den aktuellen Arbeitsmarkt aus?
Dörte Resch: Er hat sich von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Das hat weitreichen­de Folgen. In vielen Berufen können sich Mitarbeitende aussuchen, wo sie arbeiten möchten. ­Firmen müssen sich um die Mitarbeitenden bemühen, früher war es umgekehrt. Einfach ein Stelleninserat zu posten, genügt oft nicht mehr.

Was sollen Organisationen wie Baugenossenschaften also tun?
Unbedingt klären, was sie bieten und was sie wollen. Vielen Firmen fehlt aber eine Strategie, wodurch sie eher zufällig und halbherzig auf Trends oder vermeintliche Trends wie die Viertagewoche aufspringen. Dabei sollten sie erst einmal nach den Gründen fragen, weshalb Leute bei ihnen arbeiten wollen, warum diejenigen, die bleiben, dies tun, und weshalb Arbeitskräfte gegangen sind. Das hilft, die eigenen Stärken zu definieren und diese auch klar zu kommunizieren.

Welche Kanäle führen bei der Rekrutierung am ehesten zum Ziel?
Es hängt stark vom jeweiligen Umfeld ab, was es konkret braucht. Menschen im mittleren Alter etwa sind über Facebook gut ­ansprechbar. Auf dem Land muss man aber unter Umständen gar nicht auf sozialen ­Medien aktiv sein, sondern nutzt ­besser ­lokale Anlässe, Vereine, Aushänge, Plakate oder Mund-zu-Mund-Propaganda. Unabhängig von ihren Kanälen sollten alle Betriebe ab und zu überprüfen, was über sie im Internet geschrieben wird – vor allem, wenn sie merken, dass ihre Bemühungen nicht die gewünschte Resonanz erzielen. Denn Jobsuchende vergleichen Unternehmen. Viele Betriebe wissen nicht, dass sie auf Plattformen wie Kununu bewertet werden und wie diese Bewertungen aussehen.

Was ist Arbeitnehmer:innen heute besonders wichtig?
Das ganz grosse Thema ist die Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Engagements. Das erfordert zunehmende Flexibilität bei Mitarbeitenden und Firmen. Teilzeit wird immer wichtiger, auch bei Männern. Heute arbeiten in Partnerschaften und Familien häufig beide Erwachsenen. Dadurch wird die Koordination und auch die Abstimmung innerhalb der Firmen aufwändiger. Und dann gewinnt natürlich auch Homeoffice an Bedeutung. Es wird allerdings oftmals zu wenig differenziert betrachtet. Zwar arbeiten viele Leute gerne von zuhause aus – es gibt aber auch viele, die Arbeits- und Privatwelt trennen wollen und es schätzen, ins Büro zu gehen. Dies gilt entgegen dem Klischee auch für junge Menschen. Ich befrage regelmässig Studierende zum Thema und erhalte sehr unterschiedliche Antworten. Die Digitalisierung der Arbeitsorte wirft zudem organisatorische Fragen auf. Wie spricht man Leute an, ermöglicht Austausch und koordiniert Teams? Das fordert nicht nur die Führung, sondern braucht auch eine bessere Selbstführung der Mitarbeitenden.

Inwiefern haben junge Arbeitnehmende spezifische Bedürfnisse?
Auch hier sollte man differenzieren. Natürlich sind jüngere Generationen anders ­sozialisiert als ältere, aber nicht alle Jungen sind gleich. Bedürfnisse sind in der Regel weniger eine Frage des Alters als der Lebensphase, etwa, wenn man Kinder oder Angehörige betreuen muss. Jüngere sind vielleicht fitter mit sozialen Medien, brauchen aber bei der Arbeit mehr Feedback und Betreuung. Es sollte kein «Defizitmodell» geben, das vom Alter abhängt. Heute sind Teams oft in verschiedener Hinsicht hetero­gen. Wichtig ist vor allem, gemeinsame Werte für die Zusammenarbeit zu definieren.

Wie finden Baugenossenschaften angesichts des Fachkräftemangels künftig noch gutes Personal?
Sie sollten auf jeden Fall ihren Nutzen und die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit hervor­heben. Das funktioniert extrem gut bei der Generation Z, ist aber auch für viele andere Arbeitnehmende wahnsinnig wichtig. Dieses Image kann man nutzen, den «­Purpose» betonen. Das zieht!