Genossenschaft Alterssiedlung Wetzikon erstellt Neubau
Hochhaus mit skandinavischem Touch
37 Alterswohnungen hat die Genossenschaft Alterssiedlung Wetzikon in einem achtgeschossigen Neubau erstellt. Die Bewohnerinnen und Bewohner profitieren von zumietbaren Atelierräumen, Gemeinschaft und zahlreichen Angeboten wie Musiknachmittagen, Vorträgen und Turnstunden.
Von Daniel Krucker | Bilder: Sarina Reutemann | 2024/06
Mit rund 26 000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Wetzikon im Zürcher Oberland die sechstgrösste Stadt im Kanton. Dennoch baut sie selber keine Alterswohnungen. Umso wichtiger ist deshalb das Angebot der Genossenschaft Alterssiedlung Wetzikon (ASW). 1959 ge-gründet, besitzt sie rund 250 Wohnungen. Gemäss Geschäftsführerin Alexandra Locher hoffen zurzeit aber weit über hundert Personen auf ein Angebot der ASW. «Der Bedarf ist also längst nicht gedeckt. Wir erhalten vermehrt Anfragen, insbesondere dann, wenn ältere Liegenschaften abgebrochen werden.» In den 1980er-Jahren realisierte die ASW auf eigenem Land an der Talstrasse in Wetzikon eine Überbauung mit 47 Wohnungen und einem kleinen Gemeinschaftsraum. Zum Areal gehörte auch ein Zweifamilienhaus, in dem früher die Hauswartfamilien wohnten. Es war baulich in einem schlechten Zustand. An seiner Stelle ist in den letzten beiden Jahren die jüngste von sechs ASW-Alterssiedlungen entstanden: ein Neubau mit insgesamt 37 Zweieinhalb- und Dreieinhalbzimmerwohnungen. Sie konnten im Frühling bezogen werden.
Als Basis für den Einladungswettbewerb mit insgesamt acht Büros, aus dem Baumberger Stegmeier Architektur aus Zürich als Siegerin hervorging, diente eine Machbarkeitsstudie. Der achtgeschossige Hybridbau aus Beton und Holz überzeugte die Jury mit subtilen Abknickungen und einer sorgfältigen Sockelgestaltung. Von der Strasse aus sticht das Hochhaus zwar sofort ins Auge, zieht sich aber gleichzeitig optisch zurück, weil der Baukörper mitten auf dem Grundstück steht und verhältnismässig wenig Grundfläche verbraucht.
Mitten im Wald in der Stadt
Jean-Pierre Kuster ist Präsident der ASW und noch heute ein wenig erstaunt, dass kein einziger Rekurs gegen das Bauvorhaben einging. Die Genossenschaft hat während der Planungsphase immer wieder den Kontakt zur Nachbarschaft gesucht und die Idee in persönlichen Gesprächen vorgestellt. Einen potenziell möglichen Rekurs hat die Genossenschaft durch den Kauf eines benachbarten hundertjährigen Hauses umgehen können. Nun verfügt sie sogar noch über eine Baulandreserve, auf der ein weiteres Projekt möglich ist.
Wichtig war den Verantwortlichen die Neugestaltung der Umgebung: Rund um Alt- und Neubau soll in wenigen Jahren ein grosszügiger, parkartiger Aussenraum entstehen. Dazu wurden im Juni zahlreiche Bäume mit schwerem Gerät zum Einpflanzen verteilt. Architekt Peter Baumberger erklärt, dass man die Idee eines skandinavischen Hauses mitten in einem Birken- und Föhrenwald verfolgt habe. Tatsächlich erinnert auch das Orange-Rot-Braun der Fensterrahmen am Neubau an das bekannte Schwedenrot. «An dieser Farbgebung haben wir lange herumgetüftelt», sagt Baumberger. Dabei hätte man nach einem warmen Farbton gesucht, der auch Bezug auf die Altbauten nimmt, die im typischen Farblook der 1980er-Jahre entstanden. Überraschend ist die Mate-rialwahl im Eingangsbereich und Treppenhaus. Die hochwertigen Keramikverkleidungen stehen im Kontrast zu den Elementen aus Holz, darunter Türen und Handläufe.
Nicht stur nach Vorschriften gebaut
Geschäftsführerin Alexandra Locher weiss aus Erfahrung, dass sich Menschen, die in ein Altersprojekt ziehen, in optischer Hinsicht eine ganz normale Wohnung wünschen. «Es soll keine Pflegeheimstimmung aufkommen», sagt sie. So würden etwa Griffe in den Nasszellen auf viele abschreckend wirken, und auch doppelseitige Handläufe im Treppenhaus seien im Neubau nur punktuell eingesetzt worden. «Aber selbstverständlich rüsten wir bei Bedarf die Nasszellen nach.» Die Kosten dafür übernimmt die ASW. «Vorschriften und Normen für altersgerechte Bauten sind eine gute Sache», sagt Architekt Baumberger. Weil die Bauherrin sich aber gewünscht habe, dass es an der Tal-strasse 19 «explizit nicht nach Alterswohnen» aussehe, hätten diese bei der Planung des Neubaus mehr als Checkliste gedient. Allein die Lichtführung hätte gemäss Baumberger beim Befolgen der entsprechenden Vorschriften schnell zu einer «Spitalstimmung» geführt.
Im Rahmen ihrer Weiterbildung in Sozialer Gerontologie hat Locher die neuen Mieterinnen und Mieter bereits dazu befragt, was ihnen nach dem Einzug positiv aufgefallen ist und was sie sich anders gewünscht hätten. Zwei von ihnen hätten angegeben, nur mit Mühe an die oberen Küchenschränke zu gelangen, und auch mit der elektronischen Schliesstechnik konnten sich noch nicht alle anfreunden. Zudem ist ein Drehknopf zum Veloraum keine optimale Wahl, wenn die Kraft nachlässt. Besonders geschätzt werden hingegen die verschiedenen Sitz- und Treffmöglichkeiten im Haus oder die grosszügige Gestaltung der Eingangsbereiche in den Wohnungen. Wer mit einem Rollator unterwegs ist, kann sich hier bequem bereit machen oder ankommen, und für die Gehhilfe gibt es erst noch eine Staunische im Wandschrank. Vor allem aber freuen sich die Mietenden über die gute Nachbarschaft, die bereits erste Früchte trägt, und über die Freizeitangebote der Genossenschaft.
Ganzer Strauss an Zusatzangeboten
Auch die Sitzbank im Eingangsbereich vor dem Waschsalon könnte als spezifisch altersgerecht gelesen werden. Sie passt als Idee aber bestens in jedes andere Wohnhaus – als niederschwelliges Angebot für den nachbarschaftlichen Austausch. Zum Selbstverständnis der Genossenschaft sagt Alexandra Locher, dass die ASW neben Wohnen «vor allem Unterhaltung, Zerstreuung und Gemeinschaft» anbietet. Im Neubau an der Talstrasse gibt es darum einen ganzen Strauss von Zusatzangeboten für die Bewohnenden.
Im grossen Gemeinschaftsraum, wo eine Akustikdecke den Lärm durch Schallabsorp-
tion reduziert und den Raumklang verbessert, findet alle zwei Wochen ein gemeinsames Mittagessen statt. Die Genossenschaft organisiert hier auch Musiknachmittage, Vorträge beispielsweise zur Sturzprävention und regelmässige Turnstunden und Bastelkurse. All diese Angebote sind für die Mietenden in der Regel kostenlos oder können gegen einen symbolischen Betrag von einem Fünfliber besucht werden. Ein Teil der Kosten wird über die Mietzinse mitfinanziert, es sind aber insbesondere Spenden, die diese gemeinschaftsstiftenden Freizeitangebote ermöglichen. Es sei sogar schon vorgekommen, dass der Genossenschaft bei einem Auszug die Anteilscheine vollständig überlassen wurden, sagt Locher.
Atelierräume sind ein Erfolg
Zehn Atelierräume verteilen sich auf alle Etagen des Hauses und sind bereits vermietet, auch an Externe. Eine Physiotherapeutin und eine Fusspflegerin haben eine kleine Praxis eingerichtet und kommen regelmässig ins Haus. Von den Mietenden werden die Ateliers für unterschiedliche Zwecke genutzt. Manche der Bewohnenden stehen noch im Berufsleben und haben sich ihr Büro dort eingerichtet. Andere nutzen das Atelier als Stauraum, der ihnen zum Beispiel in einer Zweieinhalbzimmerwohnung fehlt. Finanzielle Überlegungen würden bei solchen Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen, sagt die Geschäftsführerin. Stirbt ein Partner, kann sich die hinterbliebene Person die Wohnung weiterhin leisten, was bei einer Dreieinhalbzimmerwohnung in manchen Fällen nicht mehr möglich sei.
Die Mieten im Neubau an der Talstrasse sind (noch) nicht wirklich günstig – ein kleiner Wermutstropfen, wie Präsident Jean-Pierre Kuster sagt. «Ausgerechnet zum Zeitpunkt der Finanzierung sind die Zinsen in die Höhe geschnellt.» Die Kapitalkosten hätten sich mehr als verdoppelt im Vergleich zu den ersten Kalkulationen. Die definitive Bauabrechnung liegt zwar noch nicht vor. Aber weil die Teuerung – so viel ist sicher – weniger stark ins Gewicht fällt als aktuell bei so manchem Neubau, rechnet die ASW damit, dass die definitiven Mietkosten im Herbst «eher etwas nach unten als nach oben angepasst werden». Ein paar Zweieinhalbzimmerwohnungen werden von der ASW subventioniert; ihre Miete darf nicht mehr als 1420 Franken betragen. Die Wohnungen sind für Menschen reserviert, die Ergänzungsleistungen beziehen.
Hauswarte haben Zeit für Mietende
Abgerundet wird das Angebot durch einen Fitnessraum mit Infrarotsauna und ein Gästezimmer. Noch nicht vermietet ist ein grösserer Raum im Erdgeschoss. Er wurde eigens für den benachbarten Hort ins Raumprogramm aufgenommen. Mittlerweile hat die Betreuungsstätte aber keinen Bedarf mehr. Zurzeit ist die Genossenschaft im Gespräch mit der Stadt Wetzikon, die Überlegungen anstellt, den Raum für Projekte der Abteilung Alter, Jugend und Integration zu nutzen.
Dass die ASW ein besonderes Hauswartkonzept pflegt, haben die neuen Bewohnenden wahrscheinlich auch schon bemerkt. Alexandra Locher rechnet vor, dass «im Normalfall» für die Hauswartung pro Wohnung mit einem Stellenprozent gerechnet wird. Nicht so bei der ASW: Hier sollen die Hauswarte nicht nur Zeit für das Auswechseln eines Leuchtmittels haben, sondern auch für einen kleinen Schwatz zwischendurch.
Baudaten
Bauträgerin
ASW Genossenschaft Alterssiedlung Wetzikon
Architektur/Bauleitung
Baumberger Stegmeier Architektur AG, Zürich
Landschaftsarchitektur
Berchtold.Lenzin Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich
Unternehmen (Auswahl)
Spleiss AG (Baumeister)
G. Baumgartner AG (Holz-Metall-Fenster)
Kübler AG (Holzbau)
Schleh AG (Sanitäranlagen)
Talsee AG (Spiegelschränke)
Movanorm AG (Küchen)
Schindler AG (Aufzüge)
Koster AG (Lüftungsanlagen)
Umfang
1 MFH, total 37 Wohnungen, Tiefgarage mit 21 Plätzen, 1 Gemeinschaftsraum, 1 Gästezimmer, 1 Fitnessraum (mit Infrarotsauna), 10 Ateliers
Baukosten (BKP 1-5)
ca. 18 Mio. CHF total
6430 CHF/m² HNF
Mietzinsbeispiele
2½-Zimmer-Wohnungen, 53,2 -56,1 m²: 1495 -1655 CHF, NK 150 bis 200 CHF
3½-Zimmer-Wohnungen, 79,4 - 80,3 m²: 1745 -2045 CHF, NK 180 -230 CHF