Rubrik: Recht

Begriffliches und Merkwürdiges zum Totalunternehmervertrag

Totalunternehmer (TU) übernehmen Planung und Ausführung einer Baute gegen einen vereinbarten Preis. Umso wichtiger ist die Ausgestaltung des entsprechenden Vertrags. Insbesondere bei Bestellungsänderungen kann es zu Differenzen kommen.

Der Totalunternehmervertrag (TU-Vertrag) kommt vor allem bei Grossüberbauungen zur Anwendung. Charakteristisch für diesen Vertrag ist, dass eine schlüsselfertige Anlage geschuldet und das Planungs- und Bestandsrisiko auf den Unternehmer abgewälzt wird. Der Bauherr überträgt dem Unternehmer die Ausschreibung, Ausführungsplanung, Bauleitung, schlüsselfertige Erstellung und betriebsbereite Übergabe des Bauwerks gegen Bezahlung eines Werkpreises.
Oft wird der TU-Vertrag mit dem Generalunternehmervertrag (GU-Vertrag) verwechselt. Der Generalunternehmer (GU) übernimmt die Ausführung einer grösseren Baute aufgrund eines Projektes, das ihm vom Bauherrn übergeben wird, der seinerseits das Projekt durch Architekten oder Ingenieure erstellen lässt.1 Plant hingegen der Unternehmer selber, wird er als Totalunternehmer (TU) bezeichnet. Der Totalunternehmer ist damit ein Generalunternehmer, der gegenüber dem Bauherrn auch sämtliche Planungsleistungen erbringt.2

Rechtliche Einordnung
Auf den TU-Vertrag sind grundsätzlich die gesetzlichen Normen des Werkvertrags anzuwenden.3 Im Rahmen der Vertragsfreiheit und des dispositiven Rechts können die Parteien jedoch Vereinbarungen treffen, die von der gesetzlichen Regelung abweichen. Um Unklarheiten zu vermeiden, ist beim Abschluss eines TU-Vertrags eine sorgfältige Lektüre und Redaktion unabdingbar.
Für die Ermittlung des Inhalts eines TU-Vertrags sind normalerweise der eigentliche TU-Vertrag selber sowie weitere Vertragsbestandteile, namentlich die Norm SIA 118, massgebend. Die SIA-Normen gelten gemäss vertraglicher Abmachung allerdings nur dann, wenn sie den Planungsunterlagen nicht widersprechen, und müssen in den Vertrag übernommen werden. Der TU-Vertrag geht im Konfliktfall als Einzelabrede den SIA-Normen vor.4 Daraus folgt, dass zuerst zu prüfen ist, welche Regelung im TU-Vertrag getroffen wurde. Sodann kommen die einzelnen Normen, insbesondere die Norm SIA 118, und schliesslich das Obligationenrecht zur Anwendung. Im Folgenden werden zwei Beispiele erörtert, die im Zusammenhang mit TU-Verträgen immer wieder zu Streit Anlass geben.

Abweichende Bezeichnungen
Die Norm SIA 118 beschäftigt sich in den Artikeln 157 bis 164 mit der Abnahme des Werkes. Damit geht das Werk in die Obhut des Bauherrn über, der ab diesem Zeitpunkt die Gefahr trägt. Ausserdem beginnen sowohl die Garantie- als auch die Verjährungsfrist für Mängelrechte zu laufen.5 Oftmals finden sich in den Verträgen anstatt des Begriffs «Abnahme/Übergabe» andere Begrifflichkeiten wie «Werkübergabe». Aufgrund der Umstände beziehungsweise der Vertragsauslegung ist davon auszugehen, dass der Begriff «Werkübergabe» der Abnahme entspricht.
Mit dem Begriff «Garantieabnahme» hingegen wird in der Praxis nicht die Abnahme bei Ablieferung des Werkes verstanden, sondern die so genannte Schlussprüfung vor Ablauf der im Bauwesen üblichen zweijährigen Garantiefrist6 im Sinne von Art. 177 Norm SIA 118. Bei begrifflichen Abweichungen ist demnach stets zu untersuchen, welche Bedeutung einem Begriff beizumessen ist.

Bestellungsänderungen
Wird die ursprünglich vereinbarte Herstellungspflicht des Unternehmers geändert, so liegt eine Bestellungsänderung vor. Unproblematisch ist zunächst die von beiden Parteien vereinbarte Bestellungsänderung, die auf dem übereinstimmenden Willen des Unternehmers und des Bauherrn beruht. Weit häufiger kommt in der Praxis die sogenannte einseitige Bestellungsänderung vor. Mit ihr will der Bauherr durch einseitige Willenserklärung den Leistungsinhalt des Werkvertrages ändern.
Oft entsteht zwischen den Parteien Streit, weil der Unternehmer nachträglich behauptet, eine vom Bauherrn erteilte Weisung stelle eine Bestellungsänderung, d.h. eine zusätzliche Leistung, dar, die nebst dem bereits vereinbarten Werkpreis zu vergüten sei. Daher vereinbaren die Parteien im TU-Vertrag oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oft einen Formvorbehalt, wonach zum Beispiel eine zusätzliche Vergütung nur geschuldet ist, wenn die entsprechende Leistung vom Unternehmer vorgängig offeriert und diese Offerte vom Bauherrn schriftlich angenommen wird. Die Norm SIA 118 enthält für Bestellungsänderungen keinen Schriftformvorbehalt7, weswegen ein solcher vertraglich vereinbart werden muss.
Der Unternehmer muss bereits bei der Ausschreibung über sämtliche relevanten Angaben verfügen, um ein Angebot unterbreiten zu können. Es ist deshalb wichtig, dass die Unternehmerleistung bereits in der Ausschreibung möglichst genau festgelegt wird.

Fazit
Die Begriffe «Generalunternehmer» sowie «Totalunternehmer» sind nicht genau definiert. Entscheidend ist, was die Parteien im TU-Vertrag vereinbart haben. Dem Vertrag muss zu entnehmen sein, welche Leistungen dem Unternehmer übertragen wurden. Wesentlich ist, dass sowohl Ausschreibung als auch TU-Vertrag selber sorgfältig verfasst werden.

  1. Gauch, Peter, Der Werkvertrag, Rz. 223
  2. Gauch, a.a.O., Rz. 233
  3. Art. 363 ff. OR; vgl. BGE 117 II 274
  4. BGE 123 III 44
  5. Vgl. Art. 157 Abs. 2 Norm SIA 118; Gauch, a.a.O., Rz. 2592
  6. Vgl. Art. 172 SIA 118
  7. Vgl. Art. 84 Abs. 1 SIA 118

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

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