Cornelia Fleischli,
Rechtsdienst
cornelia.fleischli@wbg-schweiz.ch
Arbeitsverhältnisse können durch die Arbeitgeberin grundsätzlich frei und ohne Angabe eines Grundes ordentlich gekündigt werden. Zu berücksichtigen sind jedoch der sachliche und der zeitliche Kündigungsschutz.
2023/09
Zeitlicher Kündigungsschutz: Sperrfristen
Der zeitliche Kündigungsschutz wird in Art. 336c OR geregelt. Er sieht gewisse Zeitspannen (sogenannte Sperrfristen) vor, in denen ordentliche Kündigungen einer Arbeitgeberin gegenüber einem Arbeitnehmenden nach Ablauf der Probezeit nicht zulässig sind. Eine während einer Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist nichtig. Das Arbeitsverhältnis dauert trotz ausgesprochener Kündigung fort.
Die häufigsten Sperrfristtatbestände sind Schwangerschaft (inklusive 16 Wochen nach der Niederkunft), Militär-, Schutz- und Zivildienst sowie Krankheit und Unfall.¹ Bei Ereignissen wie Krankheit oder Unfall, die Arbeitnehmende daran hindern, die von ihnen erwartete Arbeitsleistung zu erbringen, gelten gesetzliche Sperrfristen von 30 Tagen im ersten Dienstjahr, von 90 Tagen ab dem zweiten bis und mit fünftem Dienstjahr und 180 Tage ab dem sechsten Dienstjahr. Die Parteien dürfen diese Fristen nicht verkürzen, können sie aber zum Beispiel in einem Arbeitsvertrag oder Personalreglement ausdehnen.
Die Kündigung ist nur während der effektiven Dauer der Arbeitsunfähigkeit, längstens während der erwähnten Sperrfristen verboten. Die Sperrfristen sind somit Maximalfristen. Nach Ablauf der Maximalfrist ist die Kündigung gültig, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit noch andauert. Die Sperrfrist beginnt am Tag nach Eintritt der Arbeitsverhinderung und berechnet sich nach Kalender- und nicht nach Arbeitstagen. Das Dienstjahr beginnt mit dem ersten Tag der Arbeitsaufnahme. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn der Beginn der Arbeitsverhinderung, das Aussprechen der Kündigung und das Ende der Kündigungsfrist nicht in dasselbe Dienstjahr fallen.
Jeder Verhinderungsfall, der innerhalb eines Jahres auftritt und auf einem neuen Grund beruht, löst eine neue, eigene Sperrfrist aus. Dies gilt nicht nur, wenn unterschiedliche Schutztatbestände vorliegen, zum Beispiel Abwesenheit wegen Militärdienst und sodann zusätzliche Abwesenheit wegen längerer Arbeitsunfähigkeit. Sperrfristen können auch durch Abwesenheiten entstehen, die auf unterschiedliche Gründe innerhalb desselben Schutztatbestands zurückgehen, etwa verschiedene Krankheiten. Sind mehrere Abwesenheiten jedoch auf dieselbe Ursache – zum Beispiel die gleiche Krankheit– zurückzuführen, gilt nur eine Sperrfrist.
Tritt ein Tatbestand, der eine Sperrfrist auslöst, erst in der Kündigungsfrist ein, wird diese unterbrochen und erst nach Ablauf der Sperrfrist fortgesetzt.² Vorsicht ist geboten, wenn die Arbeitgeberin einem Mitarbeiter kündigt und die Kündigung Tage oder sogar Monate früher als nötig mitteilt: Die Kündigungsfrist beginnt in diesen Fällen nicht mit dem Zugang der Kündigung, sondern wird durch Rückrechnung ab Vertragsende bestimmt.³
Lohnfortzahlungsanspruch
Die Lohnfortzahlungspflicht während einer Arbeitsverhinderung der Arbeitnehmenden⁴ und eine allfällige Kürzung des Ferienanspruchs⁵ besteht unabhängig vom zeitlichen Kündigungsschutz. Es ist somit möglich, dass der Lohnfortzahlungsanspruch noch während laufender Sperrfrist endet.
Sachlicher Kündigungsschutz: Missbrauchsgesetzgebung
Vom zeitlichen Kündigungsschutz ist der sachliche Kündigungsschutz zu unterscheiden. Er schützt Arbeitnehmende, denen missbräuchlich gekündigt wird. Missbrauchstatbestände ergeben sich aus Art. 336 OR, dem Gleichstellungsgesetz und allfälligen weiteren Parteivereinbarungen. Das Arbeitsverhältnis wird bei Vorliegen einer missbräuchlichen Kündigung im Unterschied zur Verletzung des zeitlichen Kündigungsgrundes beendet, sofern die Kündigung nicht gleichzeitig während einer Sperrfrist ausgesprochen wird. Der oder die Arbeitnehmende kann jedoch gegen eine missbräuchliche Kündigung eine Entschädigung geltend machen, wenn sie oder er längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist schriftlich Einsprache beim Arbeitgeber erhebt.
Im Zusammenhang mit einer Kündigung, die nach Ablauf einer krankheitsbedingten Sperrfrist ausgesprochen wird, kommt es immer wieder vor, dass Arbeitnehmende vorbringen, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sei auf eine Pflichtwidrigkeit des Arbeitgebers (wie nicht verhindertes Mobbing) zurückzuführen. Die Kündigung sei demzufolge missbräuchlich. Die entlassene Partei trägt zwar die Beweislast für das Vorliegen solcher Behauptungen. Oft kann sie diesen Beweis aber nicht erbringen. Deshalb lässt es die Rechtsprechung genügen, wenn die/der Arbeitnehmende ausreichende Indizien vorbringen kann, die den von der Arbeitgeberin angebrachten Grund als unrichtig erscheinen lassen.⁶
Arbeitgebende, die eine Kündigung eines Arbeitnehmers in Betracht ziehen, sind deshalb gut beraten, die entsprechenden Massnahmen vorgängig von einer Rechtsberaterin oder einem Rechtsberater überprüfen zu lassen. Vielfach empfiehlt es sich, mit der oder dem Mitarbeitenden eine Auflösungsvereinbarung zu treffen. Unser Rechtsdienst unterstützt Sie gerne auch in arbeitsrechtlichen Fragen.