Rubrik: Recht

Neue Gerichtsentscheide im Mietrecht

Letztes Jahr wurden zwei Gerichtsentscheide gefällt, die für Genossenschaften von Relevanz sind; der eine erstinstanzlich vom Mietgericht Zürich, der andere letztinstanzlich vom Bundesgericht. In beiden Fällen ging es um die Bezahlung der Mietzinse.

2022/09

Mietzinsreduktion wegen Covid-19?
Im ersten Entscheid ging es um die Auswirkungen von behördlichen Massnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie bei Geschäftsmietverträgen.1 Eine Mieterin eines Ladenlokals verlangte aufgrund der pandemiebedingten behördlichen Massnahmen eine Mietzinsreduktion. Strittig war, ob das Mietobjekt aufgrund der öffentlich-rechtlichen Normen, die den Gebrauch der Mietsache verhindern bzw. einschränken, mangelhaft war, oder ob die behördliche Schliessung in den Risikobereich der Mieterin fiel. Unter anderem wurde auch geltend gemacht, dass die Einschränkungen im Betrieb respektive Schliessungen geeignet seien, ein offenbares und grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu verursachen, weshalb der Mietvertrag vom Richter anzupassen sei.

Kein Mangel im Rechtssinne
Das Mietgericht verneinte die Mangelhaftigkeit des Mietobjekts, da die behördlich angeordnete Schliessung nicht die Mieträumlichkeiten als solche, sondern lediglich die dort ausgeübte Tätigkeit betraf. Überdies kam das Mietgericht zum Schluss, dass die Bestimmungen über die nachträgliche Unmöglichkeit (Art. 119 OR) ebenfalls nicht anwendbar sind, da die behördliche Schliessung nur vorübergehend und nicht dauerhaft war.
Das Gericht bejahte aber die Möglichkeit der Mieterin, eine gerichtliche Vertragsanpassung wegen veränderter Umstände («clausula rebus sic stantibus») geltend zu machen. Nach dem Grundsatz der Vertragstreue («pacta sunt servanda») sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Eine richterliche Vertragsanpassung ist aber möglich, wenn sich die Umstände nach Vertragsabschluss so grundlegend ändern, dass eine gravierende Äquivalenzstörung eintritt.2 Dabei wird vorausgesetzt, dass die Verhältnisänderung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses weder voraussehbar noch vermeidbar war.
Das Gericht kam zum Schluss, dass die Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit und Unvermeidbarkeit der Verhältnisveränderung gegeben waren. Die Covid-19-Pandemie respektive die sich gestützt auf behördliche Anordnungen ergebenden Schliessungen waren zweifelsfrei nicht vorhersehbar. Zudem hätte die Mieterin kaum Vorsorge treffen können oder Ausweichmöglichkeiten gehabt.

Vertragsanpassung verneint
Der Mieterin gelang aber der Nachweis der Äquivalenzstörung nicht. Dazu hätte sie aufzeigen müssen, wie sich die behördlichen Massnahmen konkret auf ihren Geschäftsbetrieb ausgewirkt haben, welche Gegenmassnahmen getroffen wurden und welche staatlichen Hilfen von ihr in Anspruch genommen wurden.3 Die Mieterin verweigerte aber der Gegenpartei und dem Gericht, Einsicht in ihre Geschäftsbücher zu nehmen.
Aus diesem Grund konnte die Äquivalenzstörung nicht nachgewiesen werden, weswegen das Gericht eine richterliche Vertragsanpassung verneinte.
Das Gericht kam demnach zusammenfassend zum Schluss, dass bei behördlichen Massnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie eine Mietzinsminderung nach Art. 259d OR sowie aufgrund einer Teilunmöglichkeit von Verträgen gemäss Art. 119 OR nicht in Frage kommen, aber allenfalls eine Vertragsanpassung aufgrund veränderter Verhältnisse («clausula rebus sic stantibus») denkbar sei. Die Voraussetzungen dafür müssen aber belegt werden – insbesondere die «veränderten Verhältnisse» bei der Einkommenssituation.

Hinterlegung fälliger Mietzinse
Das Bundesgericht hatte in einem Fall4 zu beurteilen, ob die Hinterlegung bereits fälliger Mietzinse einer rechtzeitigen Zahlung an den Vermieter gleichzusetzen ist, womit eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR ausgeschlossen wäre.
Ein Mieter meldete einen Mangel und behielt den Mietzins zurück, zunächst ohne ihn bei der zuständigen Stelle zu hinterlegen. Der Vermieter mahnte die ausstehenden Mietzinse ab und drohte eine Zahlungsverzugskündigung an. Der Mieter hinterlegte danach die vom Vermieter abgemahnten Mietzinse. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis ausserordentlich und verlangte anschliessend die Ausweisung.
Strittig war, ob die ausstehenden Mietzinse durch die verspätete Hinterlegung des Mieters bezahlt wurden. Das Bundesgericht gab dem Vermieter Recht und kam zum Schluss, dass die Hinterlegung lediglich dann befreiend wirkt, wenn die Voraussetzungen zur Hinterlegung des Mietzinses, zu welchen auch die fehlende Fälligkeit zählt, gegeben sind. Die Hinterlegung von bereits fälligen Mietzinsen schützt somit nicht vor einer Zahlungsverzugskündigung.

  1. ZMP 2021 Nr. 10: 02.08.2021
  2. Vgl. BGE 135 III 1 E. 2.4 S. 10; 127 III 300 E. 5b S. 304 f.
  3. Vgl. ZMP 2021 Nr. 10 E. IV. 5.
  4. BGE 147 III 218.

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch