Rubrik: Recht

Verjährungsfristen

Forderungen verjähren teilweise schnell. Bei Versicherungssachen gilt für Verträge, die vor 2022 abgeschlossen wurden, noch die Frist von zwei Jahren. Das betrifft auch Baumängel.

2022/08

Die Verjährung im Privatrecht ist ein Vorgang, der die rechtliche Befugnis, von einem Schuldner eine Forderung zu verlangen, betrifft. Mit dem Eintritt der Verjährung erlischt die Forderung nicht, viel­mehr geht die Herrschaft über die Durchsetzbarkeit in andere Hände über. Das Gesetz geht davon aus, dass Forderungen vergänglich sind und insbesondere auch, dass sie sich mit Zeitablauf immer schlechter beweisen lassen, weshalb das Institut der Verjährung erschaffen wurde. Der Gläubiger einer Forderung kann bei Geltendmachung der Verjährung gegen den Willen des Schuldners diese nicht mehr erfolgreich einklagen. Die Tatsache der eingetretenen Verjährung kann zudem nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden, sondern nur auf Einrede des Schuldners hin.

Unterschiedliche Fristen
Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung¹, und zwar un­abhängig davon, ob der Gläubiger von der Existenz seiner Forderung weiss. Eine Forderung ist fällig, wenn der Gläubiger die Erfüllung verlangen kann. Wird nichts speziell vereinbart, kann sie sofort verlangt werden.²
Je nach Natur der Forderung sind im Gesetz unterschiedliche Verjährungsfristen vorgesehen. Als Grundregel gilt, dass mit Ablauf von zehn Jahren alle Forderun­gen verjähren, für die das Bundeszivil­recht nicht etwas anderes bestimmt.³ Nur fünf Jahre beträgt die Frist zum Beispiel für For­derungen aus der Deckung des Le­bens­bedarfs.⁴ Ausserhalb des OR sind weitere Verjährungsfristen in Spezial­gesetzen festgelegt. Manche sind sehr kurz. Das gilt zum Beispiel bei Versicherungssachen. Die Verjährungsfrist betrug bis zum 1. Januar 2022 nach Art. 46 VVG zwei Jahre. Danach trat die neue fünfjährige Ver­jährungsfrist in Kraft. Aufgrund der Über­gangsbestimmungen zum VVG gilt die zweijährige Verjährungsfrist noch bei den meisten Verträgen bis auf weiteres, da die neuen Bestimmungen des VVG nur für Verträge gelten, die ab Januar 2022 abgeschlossen oder angepasst werden.
Diese Frist ist insbesondere bei Bau­män­geln oder -schäden, die eine Ex­pertise zur Ursachenermitt­lung erfordern, sehr kurz. Ist etwa eine Gebäudehülle undicht, muss ein Spe­zialist mit der zeitintensiven Leck­ortung beauftragt werden. Ist die Verjährung eingetreten, kann eine Versicherung die Leistung verweigern. Es ist deshalb angezeigt, vorbeugend verjährungshemmende oder -unterbrechende Mass-
nahmen rechtzeitig in die Wege zu leiten.

Abwendung der Verjährung
Schuldner und Gläubiger können die Verjährung unterbrechen. Ein Schuldner unterbricht die Verjährung durch Anerkennung der Forderung, namentlich durch Zins- und Abschlagszahlungen.⁵ Der Gläu­biger unterbricht die Verjährung durch Schuldbetreibung, Klage oder Einrede vor Gericht sowie durch Eingabe im Konkurs und Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch.⁶ Mit der Unterbrechung be­ginnt die Verjährung von neuem. Ausserdem steht beiden Parteien offen, einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu vereinbaren. Der Schuldner kann ab Beginn der Verjährung jeweils für höchstens zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten, was schriftlich erfolgen muss.⁷ Der Gläubiger kann den Schuldner um einen Verzicht ersuchen oder – falls der Schuldner sich weigert, einen solchen zu unterschreiben – mittels Vornahme von prozessualen Handlungen die Verjährungsfrist unterbrechen.

Fazit
Die Verjährungsfrist bei Forderungen in Versicherungssachen ist trotz der Gesetzesänderung sehr kurz bemessen, da die alt­rechtliche zweijährige Frist in vielen Fäl­len weiter gültig ist. Vor allem bei Bau­män­geln sollte man die Verjährung prüfen und alle Handlungsop­tionen durchdenken. Bei Bau­sachen ist eine genaue Über­prü­fung der Verjährung von Ansprüchen nicht nur gegenüber Bau­un­ter­neh­mern, son­dern auch gegenüber Ver­siche­rungen angezeigt. Ver­jäh­rungs­ver­zicht­e geben den Parteien einen ge­wis­sen Spielraum, den Zeitpunkt der Verjährung rechts­geschäftlich hinauszuschieben.

  1. Art. 130 Abs. 1 OR.
  2. Art. 75 OR.
  3. Art. 127 OR.
  4. Art. 128.
  5. Art. Art. 135 Ziff. 1 OR.
  6. Art. 135 Ziff. 2 OR.
  7. Art. 141 Abs. 1 und 1bis OR

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch