Thomas Elmiger,
Rechtsdienst
thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch
Forderungen verjähren teilweise schnell. Bei Versicherungssachen gilt für Verträge, die vor 2022 abgeschlossen wurden, noch die Frist von zwei Jahren. Das betrifft auch Baumängel.
2022/08
Die Verjährung im Privatrecht ist ein Vorgang, der die rechtliche Befugnis, von einem Schuldner eine Forderung zu verlangen, betrifft. Mit dem Eintritt der Verjährung erlischt die Forderung nicht, vielmehr geht die Herrschaft über die Durchsetzbarkeit in andere Hände über. Das Gesetz geht davon aus, dass Forderungen vergänglich sind und insbesondere auch, dass sie sich mit Zeitablauf immer schlechter beweisen lassen, weshalb das Institut der Verjährung erschaffen wurde. Der Gläubiger einer Forderung kann bei Geltendmachung der Verjährung gegen den Willen des Schuldners diese nicht mehr erfolgreich einklagen. Die Tatsache der eingetretenen Verjährung kann zudem nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden, sondern nur auf Einrede des Schuldners hin.
Unterschiedliche Fristen
Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung¹, und zwar unabhängig davon, ob der Gläubiger von der Existenz seiner Forderung weiss. Eine Forderung ist fällig, wenn der Gläubiger die Erfüllung verlangen kann. Wird nichts speziell vereinbart, kann sie sofort verlangt werden.²
Je nach Natur der Forderung sind im Gesetz unterschiedliche Verjährungsfristen vorgesehen. Als Grundregel gilt, dass mit Ablauf von zehn Jahren alle Forderungen verjähren, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt.³ Nur fünf Jahre beträgt die Frist zum Beispiel für Forderungen aus der Deckung des Lebensbedarfs.⁴ Ausserhalb des OR sind weitere Verjährungsfristen in Spezialgesetzen festgelegt. Manche sind sehr kurz. Das gilt zum Beispiel bei Versicherungssachen. Die Verjährungsfrist betrug bis zum 1. Januar 2022 nach Art. 46 VVG zwei Jahre. Danach trat die neue fünfjährige Verjährungsfrist in Kraft. Aufgrund der Übergangsbestimmungen zum VVG gilt die zweijährige Verjährungsfrist noch bei den meisten Verträgen bis auf weiteres, da die neuen Bestimmungen des VVG nur für Verträge gelten, die ab Januar 2022 abgeschlossen oder angepasst werden.
Diese Frist ist insbesondere bei Baumängeln oder -schäden, die eine Expertise zur Ursachenermittlung erfordern, sehr kurz. Ist etwa eine Gebäudehülle undicht, muss ein Spezialist mit der zeitintensiven Leckortung beauftragt werden. Ist die Verjährung eingetreten, kann eine Versicherung die Leistung verweigern. Es ist deshalb angezeigt, vorbeugend verjährungshemmende oder -unterbrechende Mass-
nahmen rechtzeitig in die Wege zu leiten.
Abwendung der Verjährung
Schuldner und Gläubiger können die Verjährung unterbrechen. Ein Schuldner unterbricht die Verjährung durch Anerkennung der Forderung, namentlich durch Zins- und Abschlagszahlungen.⁵ Der Gläubiger unterbricht die Verjährung durch Schuldbetreibung, Klage oder Einrede vor Gericht sowie durch Eingabe im Konkurs und Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch.⁶ Mit der Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem. Ausserdem steht beiden Parteien offen, einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu vereinbaren. Der Schuldner kann ab Beginn der Verjährung jeweils für höchstens zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten, was schriftlich erfolgen muss.⁷ Der Gläubiger kann den Schuldner um einen Verzicht ersuchen oder – falls der Schuldner sich weigert, einen solchen zu unterschreiben – mittels Vornahme von prozessualen Handlungen die Verjährungsfrist unterbrechen.
Fazit
Die Verjährungsfrist bei Forderungen in Versicherungssachen ist trotz der Gesetzesänderung sehr kurz bemessen, da die altrechtliche zweijährige Frist in vielen Fällen weiter gültig ist. Vor allem bei Baumängeln sollte man die Verjährung prüfen und alle Handlungsoptionen durchdenken. Bei Bausachen ist eine genaue Überprüfung der Verjährung von Ansprüchen nicht nur gegenüber Bauunternehmern, sondern auch gegenüber Versicherungen angezeigt. Verjährungsverzichte geben den Parteien einen gewissen Spielraum, den Zeitpunkt der Verjährung rechtsgeschäftlich hinauszuschieben.