Rubrik: Recht

Schall, Geräusch, Lärm – wo liegt die Grenze?

Oft fühlen sich Mieterinnen und Mieter durch Geräusche oder Lärm gestört. Wann liegt ein Mangel vor, und was gilt bei Dauerlärm?

November 2021

Vor allem während des Lockdowns, wo viele Menschen gezwungen waren, zu Hause zu bleiben, wurde die Befindlichkeit vieler Hausbewohnerinnen und -bewohner auf die Probe gestellt. Einerseits wurden in vielen Bereichen, etwa beim Flug- und beim Strassenverkehr, die Schallimmissionen stark reduziert. Andererseits hielten sich die meisten Leute vermehrt auch tagsüber in ihren Wohnungen auf. Dies wiederum führte dazu, dass sich viele Mieterinnen und Mieter durch Alltagslärm gestört oder belästigt fühlten. Oft stellte sich die Frage, welche Lärmgrenzen einzuhalten sind beziehungsweise ab wann ein Mangel des Miet­objekts vorliegt.

Lärmbegriff
Es gibt Dutzende Ursachen für Lärm, welche von technischen Geräten über Altglascontainer bis zum Lärm, der von Menschen verursacht wird, reichen. Im Hinblick auf die Beurteilung der Übermässigkeit des Lärms sind neben der Lautstärke insbesondere auch die Tageszeit und die Häufigkeit beziehungsweise Dauer des Lärms relevant.

Vorliegen eines Mangels im Rechtssinne
Ein Mieter kann dann eine Reduktion des Mietzinses verlangen, wenn die Mietwohnung einen Mangel aufweist.¹ Nach Art. 256 Abs. 1 OR ist die Vermieterin verpflichtet, die Mietsache in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten. Ein Mangel liegt also dann vor, wenn die Mietsache eine vom Vermieter zugesicherte Eigenschaft nicht aufweist beziehungsweise wenn die fehlende Eigenschaft von der Mieterin im Hinblick auf den vertragsgemässen gebrauchstauglichen Zustand nach Treu und Glauben vorausgesetzt werden durfte. Ob ein Mangel vorliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei die Zweckbestimmung des Mietobjekts, das Alter und die Beschaffenheit des Gebäudes sowie die Höhe des Mietzinses zu berücksichtigen sind.²
Beispielsweise ist der vorausgesetzte Gebrauch eines Schlafzimmers, dass man es zum Schlafen verwenden kann. Allerdings versteht sich von selbst, dass nicht alle Menschen einen gleich tiefen Schlaf haben. Ebenso werden in einer Wohnung die Zimmer je nach Funktion im Hinblick auf die zulässigen Schallimmissionen un­terschiedlich beurteilt. Deshalb muss für die Mangelbeurteilung ein objektiver Mass­stab gelten, welche Lärmimmissionen noch zu tolerieren sind und welche übermässig sind. Der Lärm in einer Wohnung muss wissenschaftlich objektiv erhoben werden. Auf subjektive Wünsche des Mieters kommt es nicht an.³

Grenzwerte bei Dauerlärm
Für die Anforderungen an den Schallschutz bei neuen Gebäuden verweist die Lärmschutzverordnung in Art. 42 LSV direkt auf die SIA-Norm 181. Sie gilt für den Schutz von Neu- und Umbauten gegenüber externen und internen Lärmquellen (Luftschall). Für Schlafzimmer gilt die Lärmempfindlichkeitsstufe mittel.⁴ Nach SIA-Norm 181 (2006) Kapitel 2.3 besteht in Schlafzimmern daher eine Mindestanforderung für Dauergeräusche von höch­stens 27 Dezibel tagsüber.
Der in der SIA-Norm 181 vorgesehene Grenzwert wird bei Mietobjekten im Falle von Dauerlärm als Höchstwert betrachtet. Gemäss einem Entscheid des Mietgerichts Genf berechtigt eine Lärmbelastung von 28/30 Dezibel während der Nacht und von 30/36 Dezibel tagsüber nicht zu einer Mietzinsherabsetzung.⁵ All­tagsgeräusche wie Fusstritte, das Öffnen und Schliessen von Türen oder Schlüsselgeklimper stellen keinen Dauerlärm dar und berechtigen nicht zu einer Mietzinsherabsetzung.

Einzelfälle
Bei Einzelfällen kommt es insbesondere auf die Tageszeit an. Die jeweiligen kommunalen Polizeiverordnungen sind nur anwendbar, wenn eine relevante Störung der Nachtruhe vorliegt. Eine relevante Störung liegt bei einem einzelnen Vorfall jedenfalls dann nicht vor, wenn die Grenzwerte der Sia-Norm 181 nicht überschritten werden beziehungsweise unter 30 Dezibel liegen. Der wiederholte grundlose Beizug der Polizei stellt insbesondere nachts eine schwere Störung des Hausfriedens dar und berechtigt zu einer Kündigung. Die Alarmierung der Polizei ist in solchen Bagatellen demnach unzulässig.

Fazit
Bei kaum wahrnehmbaren Alltagsgeräuschen wie dem Öffnen und Schliessen von Türen handelt es sich nicht um eine rechtlich relevante Abweichung vom Mietvertrag. Solche Geräusche sind im oben genannten Rahmen zu akzeptieren und berechtigen nicht zu einer Miet­zins­herabsetzung.

  1. Vgl. Art. 259d OR
  2. Vgl. BGE 4A_281/2009 vom 31.07.2009 E. 3.2, publ. in: MRA 1/10 S. 30
  3. Urteil des Mietgerichts Zürich, vom 26. Juli 2010 in MRA 2/2012 S. 92 ff., S. 106, sowie BGer 4C.219/2005
  4. Vgl. SIA-Norm 181 Art. 2.3
  5. Vgl. mp 1/05 S. 42 ff., E. 4

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch