Rubrik: Recht

Welche Zahlung gilt bei Mietzinsverzug wofür?

Werden Mietzinse erst nach Ablauf des jeweiligen Fälligkeitstermins, in unregelmässigen Abständen oder gar nicht beglichen, fragt es sich, woran diese Zahlungen angerechnet werden müssen – und was das für die Kündigungsfristen bedeutet.

Die Frage, welche Zahlung welchem Monatsmietszins anzurechnen ist, stellt sich dann, wenn ein Mieter eine Zahlung leistet, gleichzeitig aber auch neue Monatsmieten fällig geworden sind. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob die vom Mieter erfolgte Zahlung zur Tilgung des abgemahnten Ausstandes oder zur Zahlung später fällig gewordener Monatsmietszinse anzurechnen ist.

Reihenfolge der Anrechnung
Das Gesetz sieht vor, dass der Schuldner bei mehreren Schulden an denselben Gläubiger bei der Bezahlung erklären kann, welche Schuld er tilgen will. 1 Die schuldnerische Erklärung kann bei der Zahlung selbst 2 oder aber im Voraus abgegeben werden, im Nachgang zur Zahlung aber nur, wenn die Parteien dies vereinbart haben 3.
Fehlt es an einer solchen Erklärung des Schuldners, wird die Zahlung auf die vom Gläubiger in einer Quittung bezeichnete Schuld angerechnet, vorausgesetzt, der Schuldner erhebt nicht sofort Widerspruch. 4 Fehlen sowohl eine Erklärung des Schuldners als auch eine Bezeichnung auf der Quittung des Gläubigers, ist die Zahlung bei mehreren Schulden auf die zuerst betriebene beziehungsweise auf die zuerst verfallene Schuld anzurechnen. 5

Kündigung
Ist ein Mieter mit einer oder mehreren Mietzinsraten in Verzug, stellt sich regelmässig auch die Frage, ob eine ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstands ausgesprochen werden soll. Gemäss Art. 257d OR kann der Vermieter bei Zahlungsrückstand des Mieters diesem mit einer Frist von 30 Tagen auf Ende eines jeden Monats kündigen, wenn er ihm vorgängig unter Kündigungsandrohung eine Zahlungsfrist von mindestens 30 Tagen angesetzt hat und der Mieter diese Frist ungenutzt hat verstreichen lassen.
(siehe auch Wohnen 1-2/2018)

Angesichts der Tatsache, dass sowohl der Mieter als auch der Vermieter die Möglichkeit haben, eine Erklärung abzugeben, für welche Schuld eine Zahlung jeweils anzurechnen ist, kommt es vor, dass unklar ist, welche ausstehende Schuld beglichen worden ist. Dies wiederum kann zur Konsequenz haben, dass eine ausgesprochene Kündigung unwirksam sein könnte.

Beispiel
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Am 13. April stellt ein Vermieter fest, dass ein Mieter den Mietzins für den Monat April nicht bezahlt hat und mahnt ihn am gleichen Tag nach Art. 257d OR ab. Den Mietzins für den Monat Mai bleibt derselbe Mieter ebenfalls schuldig. Der Vermieter mahnt am 3. Mai auch den Mietzins für den Monat Mai nach Art. 257d OR ab. Am 10. Mai zahlt der Mieter einen Monatsmietzins ohne anzugeben, welche Monatsmiete damit beglichen werden soll. Danach gehen keine weiteren Zahlungen mehr ein. Am 15. Mai kündigt der Vermieter gemäss seiner Androhung vom 13. April per Ende Juni.
Weil die Zahlung, die der Mieter erst nach der zweiten Abmahnung geleistet hat, weder von ihm selber noch vom Vermieter mittels Erklärung genauer bezeichnet worden ist, kommt Art. 87 Abs. 1 OR zur Anwendung, wonach die Zahlung der zuerst verfallenen Schuld, das heisst der Miete für den Monat April, anzurechnen ist.
Da mit der Zahlung vom 10. Mai die Miete für den Monat April beglichen wird, erfolgt die Bezahlung innert der am 13. April gesetzten 30-tägigen Frist und jene Kündigungs-androhung wird damit hinfällig. Eine Kündigung ist nur noch wegen der Miete Mai möglich. Dafür ist es am 15. Mai aber noch zu früh, da die am 3. Mai erneut gesetzte 30-tägige Zahlungsfrist zur Zahlung noch nicht abgelaufen ist. Die Kündigung ist in einem solchen Fall unwirksam und der Vermieter muss eine neue aussprechen.
Die Frage, welche Mietzinsschuld bei mehreren fälligen Mietzinsen getilgt werden soll, kann sich insbesondere auch dann stellen, wenn ausstehende Mietzinse in Betreibung gesetzt werden. Ohne Erklärung des Mieters und ohne Parteivereinbarung tilgt eine Zahlung für Mietzinse die fällige Mietzinsschuld beziehungsweise bei mehreren fälligen Mietzinsen den jeweils früher verfallenen Mietzins. 6

Fazit
Falls ein Mieter den Mietzins regelmässig verspätet entrichtet beziehungsweise mit mehreren Mietzinsraten im Verzug ist, sollte der Vermieter erklären, welchem Monat seine Zahlung angerechnet werden soll. Aus Beweisgründen sollte eine solche Erklärung schriftlich und per eingeschriebenem Brief erfolgen. Die Anrechnungserklärung kann beispielsweise auch im Abmahnschreiben erfolgen. Falls ein Vermieter eine solche Anrechnungserklärung unterlässt, riskiert er, dass in der Zwischenzeit eine Zahlung des Mieters erfolgt und diese dem zuvor verfallenen Mietzins angerechnet wird, weswegen eine gestützt auf eine Abmahnung ausgesprochene Kündigung ungültig sein könnte.

  1. Art. 86 Abs. 1 OR
  2. vgl. Rolf H. Weber, Berner Kommentar, N 24 zu Art. 86 OR
  3. vgl. Marius Schraner, Zürcher Kommentar, N 24 zu Art. 86 OR
  4. Art. 86 Abs. 2 OR
  5. Art. 87 Abs. 1 OR
  6. mp 4/03 S. 205 ff.

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

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