Thomas Elmiger,
Rechtsdienst
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Ende 2021 wird der Libor durch den Saron abgelöst. Was bedeutet dies für Hypothekarverträge, die auf Libor-Basis laufen?
Februar 2021
Der in vielen Hypothekarverträgen als Referenzgrösse vereinbarte Libor (Abkürzung für London Interbank Offered Rate) wird aufgrund eines im Jahr 2012 aufgedeckten Manipulationsskandals auf Ende 2021 abgeschafft.¹ Als Ersatz soll eine neue Referenzgrösse, der Saron (Swiss Average Rate Overnight), dienen. Beim Saron handelt es sich um einen Durchschnitts-Referenzzins, der auf tatsächlichen Transaktionen basiert und von der SIX, die Dienstleistungen rund um die Aufbereitung von Finanzinformationen erbringt, verwaltet wird.² Die quantitativen Abweichungen zwischen Libor und Saron hielten sich in der Vergangenheit in engen Grenzen. Von 2009 bis 2019 waren die beiden Referenzgrössen der Höhe nach praktisch identisch.³
Jeder bestehende Libor-gebundene Vertrag muss vom Libor auf den neuen Leitzins Saron umgestellt werden. Dies gilt nicht nur für Neuabschlüsse ab 2022, sondern vor allem auch für die Umwandlung bestehender Libor-gebundener Verträge, die angepasst werden müssen.
Betroffene laufende Verträge
Aus rechtlicher Sicht herausfordernd ist die Anpassung eines mehrjährigen Vertrags, in dem der Libor bei Vertragsschluss als Referenzgrösse vereinbart wurde und der nun dem Saron weichen muss. Im Zusammenhang mit der Anpassung von Dauerschuldverhältnissen bestehen zwei Anpassungsgründe: Entweder sieht der Hypothekarvertrag Anpassungsmechanismen vor oder es besteht ein Anpassungsgrund rechtlicher Art. Zunächst muss deshalb der Vertrag beziehungsweise müssen die Allgemeinen Bedingungen zu einem solchen Vertrag dahingehend geprüft werden, ob eine Auffangregelung, eine sogenannte Fallback-Klausel, besteht.
Anpassungsmechanismen
Fallback-Klauseln können unterschiedliche Regelungen enthalten. Eine Variante besteht darin, dass die Möglichkeit einer Änderungskündigung des betroffenen Liborvertrages, mit Zustimmungsmöglichkeit zu einem offerierten Nachfolgevertrag, vorgesehen wird. Denkbar ist auch, dass der Vertrag gekündigt werden kann, wenn ein wesentlicher Vertragspunkt wie die Referenzgrösse sich ändert. Eine blosse Mitteilung, die festhält, dass ohne Gegenbericht von der Zustimmung des Hypothekarschuldners zur Änderung der Referenzzinssatzgrundlage ausgegangen wird, dürfte mangels Nachweis der Kenntnisnahme wie auch der Zustimmung des Hypothekarschuldners schon aus rechtslogischer Sicht unzulässig sein.
Lückenfüllung bei ausbleibender Regelung
Eine Ursache dafür, dass ein langfristiger Vertrag lückenhaft wird, kann darin liegen, dass sich die Verhältnisse seit Vertragsschluss verändert haben. Durch den Wegfall des Libor wird der Vertrag im Hinblick auf die Berechnung des Zinssatzes lückenhaft, weswegen er zu ergänzen ist. Falls die Parteien sich nicht einigen können und weder eine vertragliche Auffangklausel noch eine gesetzliche Bestimmung besteht, muss im Streitfall ein Richter auf Klage hin den Vertrag anpassen und die Lückenfüllung nach dem hypothetischen Parteiwillen erfolgen.⁴ Mit anderen Worten muss der Richter einen Zinssatz mit denselben Eigenschaften wählen, wie wenn die Vertragsparteien um die befristete Existenz des vereinbarten Zinssatzes (das heisst des Libor) Bescheid gewusst hätten. Da der Saron auf ähnliche Weise wie der Libor ermittelt wird, ist er die geeignetste Referenzgrösse. Demnach würde sich im Streitfall auch ein Richter für die Anwendung des Saron anstelle des abgeschafften Libor entscheiden, da es sich um eine analoge Referenzgrösse handelt.⁵
Fazit
Es ist damit zu rechnen, dass die Banken vor Ablauf des Libor von sich aus auf Kundinnen und Kunden zugehen und eine Nachfolgelösung offerieren werden. Falls es dabei zu Unstimmigkeiten kommen sollte, ist die Einholung von rechtlichem Rat angezeigt.
Als die Libor-Sätze in den letzten Jahren negativ wurden, stellte sich die Frage, ob Kunden mit Libor-Hypotheken nicht sogar Geld von ihrer Bank zurückfordern können. Das Bundesgericht hatte letztes Jahr einen Fall zu beurteilen, in dem der Hypothekarnehmer von der Bank verlangte, dass ihm als Hypothekarschuldner ein Zins zu entrichten sei.⁶ Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Pflicht zur Zahlung von Negativzinsen von der Auslegung eines Vertrags, das heisst stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Oft enthalten die Verträge Bestimmungen, dass der Gesamtzinssatz (aktueller Libor-Satz sowie Marge der Bank) nicht unter null sinken kann.
Das Bundesgericht entschied, dass in aller Regel nicht von einer Verpflichtung der Darlehensgeberin zur Zahlung von Negativzinsen an die Darlehensnehmerin auszugehen sein wird, falls der Vertrag nicht eine ausdrückliche gegenteilige Regelung enthält beziehungsweise der Vertrag eine Umkehr der Zinspflicht vorsieht. Eine Entrichtung von Zinsen von der Bank an den Darlehensnehmer wurde deshalb abgelehnt.