Wohnbau-Genossenschaft Nordwest saniert denkmalgeschützte Siedlung

Ausgezeichnet sanft saniert

Die Basler Wohnbau-Genossenschaft Nordwest (WGN) hat ihre Siedlung «Im Zimmerhof» mit 36 Wohnungen in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege umfassend saniert. Der Aufwand hat sich gelohnt: Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft haben Bauherrin und Architekten im November für gutes Bauen ausgezeichnet.

Von Béatrice Koch | Bilder: Luca Selva Architekten, Thomas Schüpbach | 2024/03

Das Basler Gotthelfquartier ist ein ruhiges Wohnviertel. Vom Schützenmattpark im Osten dehnt es sich bis zur Kantonsgrenze aus. Der Verkehr verläuft durch die Hauptstrassen an den Quartierrändern, die Strassen innerhalb des Perimeters hingegen sind den Anwoh­ner:innen vorbehalten. Die Architektur ist geprägt von kleinen Reiheneinfamilienhäusern und drei- bis vierstöckigen Mehrfamilienhäusern. Der Grossteil stammt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Stadt neue Wohnungen für den Mittelstand brauchte.
Die Siedlung Im Zimmerhof liegt etwas zurückversetzt von der Thannerstrasse und ist quasi die Quintessenz des Gotthelfquartiers: Die drei Wohnblöcke mit grünen Fensterläden, Sattelwalmdächern und bepflanzten Vorgärten gruppieren sich um eine innenhofartige Stichgasse. So bilden sie an dieser zentralen Lage eine ruhige Oase. Der Strassenname «Im Zimmerhof» bezeichnete früher einen Platz, auf dem Bauholz zugeschnitten wurde – eine Reminiszenz an den Zimmermannsbetrieb, der sich einst auf dem Areal befand.

Die drei Wohnblöcke sind zurückversetzt von der Strasse und gruppieren sich um eine innenhofartige Stichgasse.

Mehrstufiger Prozess
Seit Kurzem erstrahlt die fast hundertjährige Siedlung in frischem Glanz: Die Eigentümerin, die Wohnbau-Genossenschaft Nordwest (WGN), liess die zwölf Häuser mit insgesamt 36 Wohnungen zwischen 2021 und 2023 totalsanieren. Da sich die Überbauung in der Schutz­zone befindet, erfolgte die Sanierung in enger Koordination mit der Basler Denkmalpflege. Das bedingte einen mehrstufigen Abstimmungsprozess: «Jede geplante Veränderung musste zuerst mit der Denkmalpflege abgesprochen werden», erklärt Luca Selva, In­haber des gleichnamigen Basler Architekturbüros, das die Sanierung im Auftrag der WGN plante und durchführte.
Für die Bauherrschaft sei das zunächst gewöhnungsbedürftig gewesen, letztlich habe die Zusammenarbeit aber gut funktioniert. «Beide Seiten haben sich gegenseitig angehört und ihre Anliegen möglichst berücksichtigt.» Mit minimalen Veränderungen habe man den Wünschen der Denkmalpflege Rechnung getragen und ein ästhetisch hochwertiges Resultat erzielt, so das Fazit des Architekten. Möglich wurde das auch dank der Bauherrin, die bereit war, die Sanierung sorgfältig zu begleiten und die entsprechenden Mehrkosten zu tragen, die nur zum Teil von der Denkmalpflege subven­tioniert werden. Bei einem Gesamtbudget von gut elf Millionen Franken investierte die WGN in jede Wohnung grosszügige 300 000 Franken.

Die Küchen und Bäder waren veraltet. Um in den Nasszellen mehr Platz zu schaffen, wurden die Wände zu den Küchen etwas versetzt, ansonsten blieben die Grundrisse unverändert. Die alten Tonsteinfliesen und Holzböden hat man erhalten und aufgefrischt.

Viele originale Teile erhalten
Das Resultat überzeugte auch die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft: Sie verliehen den Architekten und der Bauherrin Ende vergangenen Jahres die «Auszeichnung Gutes Bauen». Die Fachjury lobte das Projekt als Beispiel für eine sanfte Sanierung von Bestandsbauten aus der Vorkriegszeit, mit Fokus auf dem maximalen Erhalt der originalen Teile: «Mit der gewählten Strategie der Camouflage der Eingriffe wurde das typische Bild einer einfachen homogenen Siedlung aus der Zwischenkriegszeit gefestigt», heisst es in der Begründung der Jury.
Die Siedlung Im Zimmerhof wurde 1927 errichtet und gilt aus architekturgeschichtlichen, typologischen und stadtgeschichtlichen Gründen als schutzwürdig. Die schlichten Fassaden werden durch die tief gefassten Fenster und Haustüren gegliedert. Jedes der zwölf Häuser verfügt über drei Wohnungen, auf jedem Stockwerk eine. Über Jahrzehnte hinweg habe man nur repariert, was nötig war, sagt Thomas Schüpbach, Projektleiter bei der WGN; die Genossenschaft hatte die Häuser in der Schutzzone 1995 übernommen. Bäder und Küchen seien «uralt» gewesen. Der Hauptgrund der Sanierung war jedoch bauphysikalischer Art: «Es häuften sich die Meldungen von Schimmelbildung in den Innenräumen», erklärt Schüpbach. Eine vom Architekturbüro durchgeführte Zustandsanalyse machte deutlich, dass eine Dämmung der Gebäudehülle unumgänglich war; eine Dämmung im Innern hätte die bauphysikalischen Probleme noch verstärkt und kam auch wegen der ohnehin schon beengten Platzverhältnisse nicht infrage.

Herausforderung Fassade
Für die denkmalgeschützte Fassade verwendeten die Architekten einen Aerogel-Dämmputz, der aufgrund seiner geringen Putzschicht die Struktur der ursprünglichen Gebäudehülle beibehält. Der mineralische Verputz trug wesentlich dazu bei, dass die Denkmalpflege die baulichen Massnahmen akzeptierte, verursachte aber auch zusätzliche Kosten. Um das schutzwürdige Erscheinungsbild der Fassade trotz der sechs Zentimeter dicken Dämmschicht zu erhalten, mussten in der Folge die Fenster- und Türeinfassungen neu profiliert werden. Im Zuge der Fassadensanierung wurden zudem sämtliche Fenster, die nicht historisch waren, durch denkmalgerechte Holzfenster mit Dreifachverglasung ersetzt. Die Alu-Fensterläden sowie Lamellenstoren wurden ebenfalls gemäss Vorgaben der Denkmalpflege durch Holz­läden und -lamellen rekonstruiert.
Im Zuge der Dachsanierung wurden das Dach gedämmt sowie Ziegel und Dachfenster ersetzt, sodass wieder fast der Originalzustand herrscht. Ein Zugeständnis an die heutigen Wohnbedürfnisse erfolgte bei den Balkonen an der Rückseite der Häuser: Sie wurden deutlich vergrössert.
Die Umgebung inklusive Hauseingänge wurde ebenfalls in den Originalzustand zurückgeführt. Die Vorgärten sind mit einheimischen Bäumen und Sträuchern neu bepflanzt. Die rückseitigen Kiesflächen wurden neu gestaltet und stehen den Bewoh­ne­r:innen zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung. Auf Wunsch der Mieterschaft liess die WGN zudem einen Pflanzbereich anlegen, wo Gemüse und Kräuter angebaut werden können.

Als Zugeständnis an die heutigen Wohnbedürfnisse wurden die Balkone an der Rückseite der Häuser deutlich vergrössert.

In zehn der zwölf Häuser wurde das Dachgeschoss ausgebaut: Die obersten Dreizimmer- wohnungen sind so zu Vierzimmer-Maisonetten erweitert worden.

Grössere Bäder und Nutzung des Dachstocks
Sämtliche 36 Wohnungen erhielten zeitgemässe Bäder und Küchen. Die zuvor vier Quadratmeter kleinen Badezimmer wurden etwas vergrössert, indem man die Wand zwischen Bad und Küche um dreissig Zentimeter versetzte. In zehn der zwölf Häuser liessen die Architekten zudem das Dachgeschoss ausbauen und die obersten Dreizimmerwohnungen zu Vierzimmer-Maisonetten erweitern. Ansonsten blieben die Grundrisse unverändert. Auch die alten Pitchpine-Holzböden und die sechseckigen, roten Tonsteinfliesen blieben erhalten und wurden lediglich aufgefrischt. Zur Totalsanierung gehörte auch der Ersatz der elektrischen Anlagen, der Wasser- und Abwasserleitungen sowie der Einbau von Brandschutztüren. Ein Energiezertifikat zu erreichen, sei aufgrund der denkmalpflegerischen Auflagen nicht möglich gewesen, sagt Selva. Mit der neuen Dämmung von Fassade und Dach werde sich der Energieverbrauch aber deutlich verringern. Bereits vor der Sanierung waren die Liegenschaften an das städtische Fernwärmenetz angeschlossen. Wei­tergehende energetische Massnahmen wie die Installation einer PV-Anlage waren wegen des Ortsbildschutzes nicht möglich.

Die Fassade wurde mit Aerogel-Dämmputz saniert. Das trug zur Akzeptanz der Denkmalpflege bei, verursachte aber zusätzliche Kosten. Der Aussenraum wurde weitgehend in den Originalzustand zurückgeführt, bietet den Mietenden neu aber einen Pflanzbereich.

Keine Leerkündigungen
Damit die Bewohnerinnen und Bewohner durch die Bauarbeiten möglichst wenig belastet wurden, hat die Genossenschaft die Innensanierung in vier Etappen durchgeführt: Jeweils drei Häuser wurden gleichzeitig erneuert. Die betroffenen Miete­r:innen wurden während der rund vier Monate dauernden Bauarbeiten in Ersatzwohnungen umgesiedelt. Diese befanden sich meist in derselben Siedlung, in einzelnen Fällen hat die WGN auch eigens externe Wohnungen dazugemietet. Im Allgemeinen hätten die Betroffenen sehr gut mitgemacht, sagt Sarah Gütlin von der Lie­gen­schafts­bewirtschaftung der WGN. «Viele Mie­te­rinnen und Mieter sind nach Ende der Bauzeit wieder in ihre Wohnungen zurück- oder in eine andere im Zimmerhof gezogen.»
Die Genossenschaft organisierte beim Aus- und Rückzug ein Zügelunternehmen und kümmerte sich auch um die Einlagerung von Möbeln. Gütlin: «Wir haben während der gesamten Sanierung versucht, die Mieterschaft so gut wie möglich zu begleiten und es ihr so angenehm wie möglich zu machen.» Dass die WGN auch bei einer Totalsanierung nicht zu Leerkündigungen greift, hatte sie bereits 2021 im Fall des Hochhauses am Hochbergerplatz bewiesen, als sie für die betroffene Mieterschaft Hotelzimmer buchte.
Die aktuelle Mieterschaft des Zimmerhofs ist durchmischt; sowohl Familien wie auch Paare und Einzelpersonen schätzen die zentrale Lage und die günstigen Mieten. «Wir haben nie Probleme, die Wohnungen zu vermieten», bestätigt Präsident Schüpbach. Und dank der sorgfältigen Sanierung bleiben die Wohnungen in dieser Oase der Ruhe nun auch der künftigen Generation erhalten.

Baudaten

Bauträgerin
Wohnbau-Genossenschaft Nordwest, Basel
Architektur und Bauleitung
Luca Selva AG, Basel
Aussenraumgestaltung
August + Margrith Künzel Landschafts­architekten AG
Unternehmen (Auswahl):
Straumann-Hipp (Baumeister)
Hürzeler Holzbau (Zimmerei)
Holzbau Leuthardt (Fenster)
V-Zug (Küchengeräte)

Umfang
Totalsanierung von 12 MFH, total 36 Wohnungen, Ausbau Dachgeschoss zu Maisonettwohnungen
Baukosten
11,4 Mio. CHF total
Mietzinsbeispiele
3-Zimmer-Wohnung, 65m²:
alt: 1060 CHF plus 150 CHF NK
neu: 1330 CHF plus 150 CHF NK
neue 4-Zimmer-Maisonettewohnung, 105m²:
1630 CHF plus 170 CHF NK