Wohngenossenschaft Wolfmatten ­erweitert Wohnungen

Einfache Lösung, grosse Wirkung

Wie erneuert man kleine Altbauwohnungen kostengünstig und in bewohntem Zustand so, dass sie heutigen Wohn- und Energiestandards entsprechen und für künftige Mietergenerationen attraktiv bleiben? Die Wohngenossenschaft Wolfmatten in Arles­heim (BL) lieferte eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Antwort: Ein im Boden verschraubter Anbau schafft zusätzlichen Wohnraum.

Von Béatrice Koch | Bilder: Kambiz Shafei | 2023/03

Der Wolfmattweg in der Baselbieter Gemeinde Arlesheim ist eine kurze Sackgasse in der Nähe des Dorfzentrums. An ihrem Ende befindet sich ein Kindergarten, auf beiden Seiten säumen schlichte, zweistöckige Häuser den Weg. Die Liegenschaften aus den Fünzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts befinden sich im Besitz der Wohngenossenschaft Wolfmatten, die in Arlesheim insgesamt 48 Altbauwohnungen an drei Standorten besitzt. Die Häuser stehen auf dem Land der Gemeinde und werden im Baurecht verzinst.
Im Zuge ihrer Zukunftsstrategie befasste sich die Wohngenossenschaft vor einigen Jahren einerseits mit der notwendigen energetischen Erneuerung der Liegenschaften, andererseits mit der Frage, wie der alte Wohnbestand an die Bedürfnisse der heutigen und künftigen Mietergenerationen angepasst werden kann. Die Häuserzeile am Wolfmattweg 2 bis 4 wird gemäss Silvan Thommen, Co-Präsident der Wohngenossenschaft, in einigen Jahren wohl einem Neubau weichen müssen; zu schlecht seien hier sowohl die Bausubstanz als auch die Ausnützungsziffer.
Im Fall der Liegenschaften auf der gegenüberliegenden Seite am Wolfmattenweg 1 bis 11 hingegen beschloss die Wohngenossenschaft, die Häuser zu erhalten und in bewohntem Zustand energetisch zu sanieren. Der Entscheid für einen zurückhaltenden Eingriff fiel nicht zuletzt aus Kostengründen: Lange hatte es die Wohngenossenschaft nämlich versäumt, Rückstellungen für Sanierungen zu tätigen. Gemerkt habe das der damalige Vorstand vor rund zehn Jahren, sagt Sarah Roth. Sie begleitete die Sanierung am Wolfmattweg sowohl als Mitglied der Baukommission als auch als Bewohnerin. «Damals kam es zum grossen Knall.» Der Vorstand versuchte, das Versäumnis aufzufangen, indem er die Mieten etwas anhob. Dennoch blieb das Budget für die Sanierung sehr begrenzt. Zum Glück fördere die Gemeinde Arlesheim den gemeinnützigen Wohnungsbau und habe das Vorhaben mit einer Viertelmillion Franken in Form von freiwilligen Anteilscheinen unterstützt, sagt Thommen: «Dank diesem Beitrag konnten wir mehr als nur eine minimale Grund­sanierung durchführen.»

Die zweigeschossigen Anbauten bestehen aus ­vorgefertigten Holz­elementen. Die unteren Wohnungen führen direkt in den ­Garten, in den oberen Geschossen sorgt nun eine ­erhöhte Holzdecke für mehr Luft.

18 Quadratmeter zusätzlich
Die Sanierungsarbeiten, die im vergangenen Frühling nach einer Bauzeit von einem halben Jahr abgeschlossen wurden, umfassen sechs zweigeschossige Doppelhäuser mit insgesamt zwölf Wohnungen. Verbunden werden die Häuser jeweils durch ein einstöckiges Gebäude, in dem sich die Heizungsanlagen und Waschküchen für die angrenzenden Parteien befinden. Der Grundriss ist bei allen Wohnungen identisch. Die Treppen sind versetzt, sodass jede Wohnung über einen eigenen direkten Zugang verfügt.
Arlesheim ist aufgrund der zentrumsnahen und dennoch grünen Lage sowie dem niedrigen Steuersatz ein bevorzugtes und entsprechend teures Wohnpflaster. Umso begehrter sind die günstigen Dreizimmerwohnungen, zu denen auch ein kleiner Garten gehört, vor allem bei jungen Familien. Die Bausubstanz war allerdings in die Jahre gekommen, und mit ihren winzigen Küchen entsprachen sie nicht mehr den heutigen Bedürfnissen. Das Projekt des Basler Architekturstudios Balthasar Wirz, das mit der Sanierung beauftragt worden war, setzt denn auch an dieser Schwachstelle an: Die ursprünglich nur acht Quadratmeter grossen Küchen wurden zu geräumigen Wohnküchen erweitert. Dabei griffen die Architekten zu einer ebenso einfachen wie wirkungsvollen Lösung: Immer dort, wo zwei Küchen übereinanderliegen, wurden Anbauten hinzugefügt. So erhielt jede Wohnung 18 Quadratmeter zusätzliche Wohnfläche. «Diese Erweiterung gibt den Mieterinnen und Mietern mehr Spielraum», sagt Thommen.
Die zweigeschossigen Anbauten bestehen aus vorgefertigten Holzelementen, die auf je vier Schraubfundamenten ruhen: Dünne Stahlstützen wurden im Boden verankert, sodass die Anbauten leicht erhöht über dem Untergrund schweben. Da sie ohne Betonfundament auskommen und daher auch keine Aushubarbeiten nötig waren, beschränkte sich die Bauzeit auf ein Minimum. «Die Anbauten waren in drei Tagen montiert», erinnert sich Roth.

Über 18 Quadratmeter mehr Raum verfügen nun die kleinen Dreizimmer-wohnungen. Auf Wunsch der Bewohnenden sind in den Küchen wie früher Gaskochherde eingebaut, neu hat es auch Platz für einen Geschirrspüler.

Hochwertige Ausstattung
Die Aussenwand wurde herausgebrochen und der alte Bestand so mit dem Anbau verbunden, dass die Grenzen zwischen Alt- und Neubau verschwimmen. Die grossen, energetisch optimierten Fenster lassen viel Tageslicht herein. Während die Erdgeschosswohnungen über einen direkten Zugang zum Garten verfügen, sorgt in den oberen Wohnungen nun eine erhöhte Holzdecke für mehr Luft. Bei der Ausstattung der neuen Küchen setzte die Bauherrschaft auf hochwertige Forster-Stahlküchen. Die Architekten liessen auf Wunsch der Bewohnerinnen und Bewohner wiederum Gaskochherde einbauen, zudem gibt es nun einen Geschirrspüler, für den es früher keinen Platz hatte. Bei den Küchenfronten standen der Mie­terschaft drei Farben zur Auswahl. Die alte Küchentüre wurde durch eine Schiebetüre ersetzt, was ebenfalls für mehr Platz sorgt.
Ansonsten hat sich im Innern der Wohnungen kaum etwas verändert. Nur im kleinen Badezimmer musste einer der beiden Fensterflügel zugunsten des Küchenausbaus entfernt werden. Die übrigen drei Zimmer und der Eingangsbereich blieben hingegen unangetastet. Die elektrischen Leitungen wurden auf vierzig Ampere aufgerüstet, was zukünftige Ladestationen für Elektroautos ermöglicht. Die Genossenschaft war bestrebt, mit einer ökologischen Isolation einen möglichst hohen Dämmwert zu erzielen, hat aber keinen Energieausweis erstellen lassen. Für die energetische Sanierung wurde die gesamte Fassade gedämmt und mit vertikalen Holzlatten verkleidet.
Mit seinem blauen Anstrich hebt sich der neue Anbau optisch von der ansonsten hell verkleideten Fassade ab. Auf eine eigentliche Dach­sanierung wurde verzichtet, stattdessen erhielt der Estrichboden eine neue Dämmung. Die Architekten verstehen das Projekt als einen Beitrag zu klimagerechtem und nachhaltigem Bauen: «Es wurden natürliche und gut recycelbare Materialien eingesetzt. Mit dem kompletten Verzicht auf Beton wurde eine gute CO2-Bilanz erzielt», schreiben sie in ihrer Baudokumentation.

Dank der Anbauten sind gartenseitig strukturierte Räume entstanden.

Drei Perspektiven berücksichtigt
Die Sanierung erfolgte im bewohnten Zustand. Während des Küchenumbaus standen den Bewohnerinnen und Bewohnern elektrische Kochplatten und ein Container für den Abwasch zur Verfügung. Als Entschädigung für die Umstände erliess ihnen die Genossenschaft eine Monatsmiete. Die Mieterschaft wurde frühzeitig mit ins Boot geholt: «Wir haben uns regelmässig mit den Bewohnerinnen und Bewohnern getroffen, ihnen das Vorprojekt der Architekten vorgestellt, gemeinsam mit ihnen verschiedene Optionen geprüft und ihnen erklärt, warum die Sanierung für die Zukunft nötig ist», erklärt Thommen den Prozess. Das habe einiges an Überzeugungsarbeit gebraucht, ergänzt Roth. Am Ende hat sich dieses Vorgehen aber gelohnt: Zwar seien vor Beginn der Bauarbeiten einige Bewohnende ausgezogen. «Aber während der Umbauphase haben wir keine einzige Beschwerde vonseiten der Mieterschaft erhalten», sagt Thommen. Ganz überraschend kam das Sanierungsvorhaben für die am Wolfmattweg wohnenden Genossenschaftsmitglieder zudem nicht: Bereits 2019 liess die Wohngenossenschaft bei ihren Liegenschaften an der Birseckstrasse Dach und Fas­sade energetisch erneuern – als erstes Projekt, das sie im Rahmen der Zukunftsstrategie in die Tat umsetzte. «Wir wussten daher bereits, dass auch am Wolfmattweg etwas getan werden muss», meint Roth.
Drei unterschiedliche Perspektiven wurden im Sanierungsprojekt berücksichtigt, so der Co-Präsident: erstens der Wunsch der Bewohnenden nach möglichst wenig Veränderung und weiterhin günstigen Nettomieten. Zweitens die Verpflichtung der Gesamtgenossenschaft, die Wohnungen in gutem Zustand an die kommenden Generationen weiterzugeben. Und drittens die Anforderung der Gemeinde als Landeigentümerin, die Ausnutzung der Parzelle zu erhöhen. Thommen ist überzeugt: «Das durchgeführte Projekt ist ein Kompromiss, mit dem alle zufrieden sind».

Baudaten

Bauträgerin
Wohngenossenschaft Wolfmatten, Arlesheim
Architektur
Studio Balthasar Wirz, Basel
Bauleitung
Baukommission der Wohngenossenschaft Wolfmatten
Baumeisterarbeiten
Knecht Bauunternehmung AG, Münchenstein
Unternehmen (Auswahl)
Gehrig Parkett (Parkett)
Hasler Fenster AG (Fenster)
Hürzeler Holzbau (Holzbau)
Forster Küchen Swiss Home AG (Küchen)

Umfang
6 Doppelhäuser mit 12 typengleichen 3 ½-Zimmer-Wohnungen, Erweiterung Küchen und energetische Sanierung, neue Fassadenverkleidung, kleinere ­Umgebungsarbeiten
Baukosten
2,3 Mio. CHF
Mietzinsbeispiele
Vorher:
3-Zimmer-Wohnung, ca. 62–64 m2:
990 CHF plus 150 CHF NK
Nachher:
3 ½-Zimmer-Wohnung, ca. 75–80 m2:
1430 CHF plus 150 CHF NK