Die BEP saniert eine weitere Etappe ihrer Siedlung Letten in Zürich Wipkingen

In alter Frische

Die Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals in Zürich (BEP)hat ihre Siedlung Letten 4 in Zürich Wipkingen instand gesetzt. In Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege wurden die schützenswerten, rund hundert Jahre alten Mehrfamilienhäuser äusserlich wieder in ihren Originalzustand zurückversetzt.

Von Béatrice Koch | Bilder: BEP | Dezember 2021

Mit ihrem rosafarbenen Anstrich, den graugrünen Fensterläden, dem schmucken Mansardendach und den geschwungenen Balkonen präsentieren sich die 13 Mehrfamilienhäuser der Siedlung Letten 4 rein äusserlich wieder im Zustand ihrer Entstehungszeit im Jahr 1925. «Heute sind die Häuser wieder näher an ihrem Originalzustand als vor der Instandsetzung», bestätigt Marc Bänziger, Leiter Bau bei der Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals (BEP), der die Siedlung gehört. Im Innern der Wohngebäude hat freilich die Moderne Einzug gehalten: Sämtliche Bäder und Küchen wurden erneuert, die Gebäudehülle, das Dach und die Kellerdecken gedämmt, dreifach verglaste Fenster eingebaut, die elektronischen und sanitären Installationen ersetzt.
Um den Schall zu reduzieren, wurde ein Teil der alten Decken- beziehungsweise Boden­aufbauten bis auf die Rohkonstruktion zurückgebaut und neu gedämmt. Heute sei der Schallschutz zwar viel besser als vor der Instandsetzung, sagt Bänziger, mit einem Neubau sei er dennoch nicht vergleichbar: «Das gehört zu den typischen Mankos von Altbauwohnungen.» Weitergehende Massnahmen waren nicht möglich, da die Siedlung im Inventar der kommunalen Denkmalpflege aufgelistet ist und das bestehende Tragwerk als erhaltenswert gilt. Aufgrund des Schutzvertrags, der vor der Gesamtinstandsetzung zwischen der BEP und der Stadt Zürich abgeschlossen werden musste, konnten auch keine zusätzlichen Balkone angebracht werden; nach wie vor verfügt nur rund ein Drittel der Wohnungen über einen eigenen privaten Aussenraum. Alle Wohnungen altersgerecht anzupassen und mit Aufzügen zu ergänzen, war ebenfalls nicht möglich.

Küchen und Bäder vorher/nachher. Mit der Sanierung wurde der Wohnkomfort erhöht. Einbauschränke schaffen zusätzlichen Stauraum und dienen als Raumtrenner zwischen Eingangsbereich und Küche.

Sanierung in unbewohntem Zustand
Die in der Nähe des Bahnhofs Zürich Wip­kingen gelegene Siedlung Letten 4 wurde letztmals vor knapp fünfzig Jahren umfassend erneuert, entsprechend gross war der Renova­tionsbedarf. Die baulichen Massnahmen waren so umfangreich, dass die Instandsetzung in unbewohntem Zustand durchgeführt werden musste. Die BEP konnte allen Mieterinnen und Mietern frühzeitig Alternativwohnungen in anderen Genossenschaftssiedlungen inner- und ausserhalb des Quartiers anbieten und hat für alle eine Lösung gefunden. Die Bauarbeiten und die Neuvermietung erfolgten in Etappen, zwischenzeitlich wurden die leerstehenden Räumlichkeiten an das Jugendwohnnetz vermietet. Seit Mitte 2020 sind alle Wohnungen wieder bewohnt. «Etwa zwanzig Prozent der Bewohnenden sind Rückkehrer», sagt Bänziger. Insgesamt hat sich die Mieterschaft im Letten 4 verjüngt: Lebten vor der Erneuerung viele ältere Menschen in der Siedlung, ist heute ein Viertel der Bewohnerinnen und Bewohner zwischen 25 und 35 Jahre alt.
Als Folge der denkmalpflegerischen Auflagen wurde die Struktur der hundert Wohnungen kaum verändert. Für Grundrissoptimierungen wurden lediglich einzelne nichttragende Wände verschoben, neue Ein­bau­schränke schaffen zusätzlichen Stauraum. Sie dienen gleichzeitig als Raumtrenner zwischen Eingangsbereich und Küche. Auch der Wohnungsmix blieb weitgehend gleich: Nach wie vor besteht die Siedlung Letten 4 aus kleinen Zwei­einhalb- bis Vierzimmerwohnungen mit einer Wohnfläche von rund vierzig bis achtzig Quadratmetern. Waren die grösseren Wohnungen einst für kinderreiche Familien gebaut worden, sind sie für die heutigen Bedürfnisse deutlich zu klein. Im Schnitt leben heute in den Vierzimmerwohnungen drei bis vier Personen.

Auch der Hofbereich wurde neu gestaltet. Er lehnt sich an die ursprüngliche Situa­tion an. Durch eine neue unterirdische Velogarage gewann man mehr Aussenraum. Im Unter­geschoss wurde zudem ein neuer Gemeinschaftsraum geschaffen.

Saniertes Zimmer im Dachgeschoss. Die Böden und die Decken in den Häusern sind neu gedämmt und bieten besseren Schallschutz als früher, allerdings nicht auf Neubauniveau.

Aus Fehlern gelernt
Die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege sei gut und pragmatisch verlaufen, sagt Bänziger. Profitiert hat die Baugenossenschaft hier auch von den Erfahrungen, die sie bei der Instandsetzung der Siedlungen Industrie 1 und 2 beim Röntgenplatz gemacht hat, wo ähnliche Bedingungen herrschten. Mit dem Architekten Rolf Schaffner und der MMT AG als Bauprojektmanagement hat die BEP dasselbe Team en­gagiert. Bänziger: «Wir konnten auf dieses Know-how zurückgreifen und haben aus früheren Bauprojekten gelernt.» Musste die Baugenossenschaft beim Instandsetzungsprojekt im Kreis 5 beispielsweise noch einen Nachtrags­kredit einholen, ging beim Projekt Letten 4 alles nach Plan. So legte die Denkmalpflege unter an­derem grossen Wert auf die Erhaltung der Dachkonstruktion und die Gestaltung der Lukarnen – ein Markenzeichen der Letten-4-Häuser. Diese mussten wegen Feuchtigkeitsansammlungen allesamt erneuert werden, und das detailgetreu. Auch die Isolation der Gebäudehülle erwies sich als Knackpunkt: Eine Aussendämmung war aufgrund der denkmalpflegerischen Auflagen nicht möglich, so dass die Dämmung von innen mittels Aerogel erfolgte.
Durch die umfassende Sanierung unter Den­kmalschutzauflagen bewegten sich die Investitionskosten pro Wohnung auf Neubau­niveau. Die Mieten der sanierten Wohnungen werden gemäss dem Zürcher Kostenmietenmodell berechnet und bewegen sich dank des tiefen Landwerts in den Büchern weiterhin auf vergleichsweise moderatem Niveau.
Im Rahmen der Gesamterneuerung wurde in zwei Häusern je eine Liftanlage eingebaut; insgesamt sind nun 16 Wohnungen sowie das Untergeschoss, in dem sich der neue, allen Bewohnenden zugängliche Gemeinschaftsraum befindet, hindernisfreier erreichbar. In den Kellern wurden Waschsalons eingerichtet. Auch der Innenhof wurde neu gestaltet. Er lehnt sich ebenfalls stark an die ursprüngliche Situa­tion an, die man von alten Plänen und Fotos her kannte. Der Innenhof soll den Bewohnenden mehr Raum zum Spielen und für gemeinsame Aktivitäten wie Grillfeste oder Gartenarbeiten bieten – mit dem Ziel, dass sich in der Siedlung ein gutes nachbarschaftliches Zusammenleben entwickelt. Mehr Aussenraum gewann man auch dadurch, dass man einen Grossteil der ­Veloabstellplätze zusammen mit der Technikanlage in den Untergrund verlegt hat. Selbstverständlich wurde auch die Energiegewinnung modernisiert: Die Wärmeerzeugung erfolgt durch eine Wärmepumpe via Fernwärmenetz des EWZ, Energiespitzen werden mit Erdgas ­abgedeckt. Eine Photovoltaikanlage versorgt die Heizzentrale. Die Wasserversorgung wird dezentral in jedem Gebäude der Siedlung organisiert.

Die gestalterischen Details der Lettenhäuser kommen wieder gut zur Geltung, auch dank dem ursprünglichen Farbkonzept.

Bauliches Ensemble
Die Siedlung Letten 4 bildet zusammen mit den angrenzenden BEP-Siedlungen Letten 1 bis 9 und dem Schulhaus Letten ein bauliches Ensemble, das scherenförmig entlang der Imfeld- und der Rousseaustrasse angeordnet ist und das einstige «Tor zu Wipkingen» darstellt; das Atelierhaus an der Ecke Spielweg/Rousseau­strasse gehört der Stadt Zürich. Letten 4 besteht aus elf teilweise aneinandergebauten Mehrfamilienhäusern, die als offene Hofrandbebauung strassenparallel errichtet worden sind. Zwei weitere Wohngebäude stehen im Innenhof. Die Wohnsiedlung geht zurück auf einen einheitlichen Überbauungsplan des Stadtbaumeisters Hermann Herter und wurde 1925 nach dem Entwurf des Zürcher Architekten Peter Giumini fertiggestellt. Während die Häuser der Siedlungen Letten 1 bis 3 zwischen 2010 und 2013 saniert wurden, bildet die Instandsetzung der Siedlung Letten 4 von 2018 bis 2020 den vorläufigen Schlusspunkt der Sanierungen der BEP im Lettenquartier.

Baudaten

Bauträger:
BEP Baugenossenschaft des ­eidgenössischen Personals, Zürich
Generalplanung:
GP Generalplaner AG, Zürich
Bauprojektmanagement:
MMT AG, Zürich
Architektur:
Rolf Schaffner, Zürich
Umgebung:
Balliana Schubert Landschafts­architekten AG, Zürich
Umfang:
Sanierung von 100 Wohnungen in
13 Mehr­familienhäusern, Ersatz der Haustechnik, neuer Gemeinschaftsraum,

165 Veloabstellplätze, davon 114 in
neuer unterirdischer Velogarage
Baukosten BKP 1–5 (ohne Parkierung):
37,5 Mio. Franken
6447 Franken/m² HNF

Mietzinsbeispiele:
2 ½ -Zimmer-Wohnung, 47 m2:
alt: CHF 607 bis CHF 632 netto
neu: CHF 737 bis 857 plus CHF 183 NK
4-Zimmer-Wohnung, 78 m2:
alt: CHF 747 bis CHF 846 netto
neu: CHF 1313 bis 1339 CHF plus CHF 218 NK

Durchschnittlicher Quadratmeterpreis pro Jahr über alle Wohnungen: CHF 198

Weiterentwicklung des Lettenquartiers

In den Siedlungen Letten 1 bis 9 sowie Wasserwerk 1 und 2 verfügt die BEP in Zürich Wipkingen über rund 560 Wohnungen. Die Siedlungen Letten 1 bis 4 wurden in den vergangenen zehn ­Jahren instand gesetzt. Auch in den ­übrigen Wohnhäusern Letten 5 bis 9 und Wasserwerk 1 und 2 stehen in den kommenden Jahrzehnten bauliche Massnahmen an. Viele der bestehenden Wohnungen sind klein, nicht ­barrierefrei und entsprechen nicht den heutigen Wohnanforderungen.
Die BEP strebt ein vielfältigeres Woh­nungs­angebot an, das sowohl von Familien als auch älteren Menschen genutzt werden kann. Ebenso braucht das Quartier in absehbarer Zeit eine neue Schulanlage; bereits jetzt steht auf der Lettenwiese ein Schulprovisorium.
Um die Möglichkeiten im Letten­quartier abzuklären, hat sich die BEP mit den SBB und der Stadt Zürich als weiteren Grundeigentümerinnen zusammengetan und im Frühling 2021 eine Testplanung für das Quartier gestartet. Dabei will man unter Einbezug der  Anwohnerinnen und Anwohner die Qualitäten und Mängel benennen und langfristige Lösungen suchen. Erste Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2022 präsentiert werden. Die Realisierung der Bauprojekte erfolgt etappenweise.
www.bep-lettenquartier.ch