Umfrage zur Qualität von Aussenräumen in Baugenossenschaften weist Optimierungspotenziale aus

Wie grün ist das Grün?

Wie planen und unterhalten Baugenossenschaften ihre Aussenräume? Und welche Rolle spielt dabei die Biodiversität? Untersucht wurde dies in einer Umfrage des Vereins Natur und Wohnen. Ihr Fazit: Viele Entscheidungsträger sind zwar sensibilisiert für die Förderung der Artenvielfalt, meist mangelt es aber an Konsequenz bei der Umsetzung. Die Studie zeigt auch auf, wie man es besser machen kann.

Von Sandra Gloor und Gaby Abt | Bilder: zVg | Oktober 2019

Vielfältige, grüne und artenreiche Aussenräume leisten einen wesentlichen Beitrag an die Lebensqualität der Bevölkerung. Gerade in Wohngebieten spielen sie für die Erholung und Freizeit im Alltag eine wichtige Rolle. Hier treffen sich Bewohnerinnen und Bewohner am Feierabend, spielen Kinder und wird bei schönem Wetter Zeit im Freien verbracht. Gleichzeitig können Aussenräume, je nach Ausgestaltung, Bepflanzung und Unterhalt, eine erstaunliche Artenvielfalt aufweisen. Studien haben gezeigt, dass die Biodiversität von Siedlungsgebieten diejenige von ländlichen Gebieten übertreffen kann. Ihre Erhaltung und Förderung ist deshalb umso wichtiger, wenn man den stetig zunehmenden Biodiversitätsverlust stoppen will. Infolge der Verdichtung des Siedlungsraums stehen Grün- und Freiräume stark unter Druck, ihre Fläche wird kleiner bei gleichzeitig intensiverer Nutzung durch mehr Personen. Die verbleibenden Aussenräume sollten deshalb sowohl eine hohe ökologische Qualität aufweisen als auch vielfältig genutzt werden können. Das bedeutet eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten.

Wenig zielgerichtet geplant und unterhalten
Die Studie «Qualität des Grüns im Aussenraum» (siehe Box) hat untersucht, wie gemeinnützige Bauträger mit dem Thema umgehen. Sie zeigt, dass für die Mehrheit der an der Umfrage beteiligten Baugenossenschaften (36 von 50) Ökologie im Aussenraum zwar ein relevantes Thema ist, dass dieses aber oft wenig konkret angegangen wird: Nur jede dritte der befragten Baugenossenschaften hat ein Aussenraumkonzept oder Leitlinien, die planerische Belange oder die Pflege der Wohnumgebung regeln. So wird oft nur punktuell und von Fall zu Fall entschieden. Grundsätzliche Ziele, wie zum Beispiel eine möglichst geringe Versiegelung der Aussenflächen, vielfältige Strukturen oder das Einplanen geeigneter Baumstandorte – drei entscheidende Faktoren für den ökologischen Wert eines Aussenraums –, gehen während den oft komplexen Planungs- und Umset­zungs­phasen vergessen.
Bemerkenswert ist, dass von den befragten Baugenossenschaften nur gerade jede vierte ökologische Vorgaben verbindlich festhält, nur jede fünfte Vorgaben für den Pflanzenkauf macht und nur jede sechste solche für den Unterhalt. So bleibt es oft bei der Planung und Umsetzung von Einzelmassnahmen, die zwar jede für sich einen gewissen Mehrwert für die Artenvielfalt bringen, aber das Poten­tial eines Aussenraums bei weitem nicht ausschöpfen.

Gelungener Mix: In der Siedlung Ilanzhof (Baugenossenschaft Freiblick, Zürich) gibt es neben einer Spielwiese auch Platz für individuelles Gärtnern entlang der Gebäude. Bäume und Büsche sorgen für ein gutes Mikroklima und bieten Lebensraum für Vögel und Tiere.

Ökologische Kriterien in der Planung
Auf die Frage nach ökologischen Aspekten bei der Planung und Gestaltung der Aussenräume haben 36 von 50 Baugenossenschaften ihre Kriterien aufgeführt, wobei nur 13 Baugenossenschaften diese Kriterien in einem Konzept festhalten. An der Spitze steht mit klarem Abstand die Verwendung von «einheimischen Pflanzen», 20 der 36 Ant­wortenden führen sie an. Jeweils sieben Baugenossenschaften nennen «Artenvielfalt» und «Naturwiesen» oder «naturnahe Bewirtschaftung», für sechs ist die «Förderung der Fauna» wichtig. Von jeweils weniger als fünf Bauträgern werden «keine Neophyten», Verzicht auf «Herbi- oder Pestizide, «Bäume», «Einsatz von Regenwasser und Verzicht auf Bewässerung» genannt. «Geringe Boden­versiegelung» – ein aus ökologischer Sicht sehr wichtiger Faktor bei der Biodiversitätsförderung – wird nur von einer Baugenossenschaft explizit berücksichtigt.

Knackpunkt Unterhalt
Was sich bereits bei der Planung zeigt, wird auch beim Unterhalt der Aussenräume sichtbar: «Einheimische Pflanzen» und «Bäume erhalten» sind die beiden Kriterien, die den meisten Wohnbaugenossenschaften wichtig sind (90 % beziehungsweise 83 %). Alle anderen Elemente werden von weniger als der Hälfte der Befragten regelmässig berücksichtigt. Bei der «Förderung von Blumenwiesen» sind es 41 %, bei den gestaffelten Pflegeeingriffen 38 %, beim Kompostieren 30 %. 18 Wohnbaugenossenschaften (38 %) kompostieren nie. Ein Viertel lässt «Kräutersäume entlang von Hecken und Sträuchern» häufig oder immer als Rückzugsmöglichkeiten für Kleintiere auch über den Winter stehen. 23 % lassen oft das «Schnittgut vor Ort trocknen», bei 19 % existieren häufig «Nisthilfen für Vögel und Wildbienen». Zwar kommen bei 62 % der Befragten teilweise Kleinstrukturen wie Stein-, Laub- oder Asthaufen vor, aber nur 8 % sorgen häufig oder immer dafür. Am wenigsten verbreitet sind Teiche oder andere Feuchtbiotope: Mehr als die Hälfte geben an, dass bei ihnen weder das eine noch das andere existiert.

Bei der Umgestaltung des Innenhofs wurden die alten Bäume mit einbezogen (Siedlung Bullingerhof, Allgemeine Baugenossenschaft Zürich). 

Was tun?
Beim Vergleich der wichtigsten Schwerpunkte in Planung und Unterhalt zeigt sich, dass von den 36 Wohnbaugenossenschaften, die Ökologie als wesentlichen Schwerpunkt nannten, nur 14 diesen Schwerpunkt sowohl in der Planung als auch im Unterhalt aufgeführt haben. Für die erfolgreiche und nachhaltige Schaffung eines naturnahen Aussenraumes braucht es aber beides. Einerseits können ökologisch geplante Aussenräume durch einen nicht sachgemäss durchgeführten Unterhalt stark in ihrem ökologischen Wert reduziert werden. Andererseits vermag ein ökologisch ausgerichteter Unterhalt das Potential eines Aussenraums kaum auszuschöpfen, wenn nicht bereits die Planung nach ökologischen Kriterien vorgenommen wurde.
Der Bericht zeigt anhand der Umfrageresultate ausführlich und mit konkreten Empfehlungen, wo Baugenossenschaften ansetzen können, wenn sie vielfältige Aussenräume planen und unterhalten wollen. So helfen in einem ersten Schritt ökologische Leitbilder und verbindliche Konzepte für vielfältige, arten­reiche Aussenräume. Um ökologische Ziele konsequent umzusetzen, sollten die Zuständigkeiten geklärt und Personen oder Gremien bezeichnet werden, die für diese Ziele ver­antwortlich sind. Diese können dafür sorgen, dass die ökologischen Ziele während allen Planungs- und Umsetzungsphasen verfolgt und eingehalten werden. So sollten bereits bei der Ausschreibung für Neubau- oder Sanierungsprojekte ökologische Aspekte einfliessen und Planungs- und Architekturbüros be­auftragt werden, die die entsprechenden Erfahrungen mitbringen. Schliesslich ist auch dem Unterhalt der Aussenräume aus ökologischer Sicht Rechnung zu tragen. Pflegepläne unterstützen einen nachhaltigen Unterhalt und erleichtern die Übergabe bei einem personellen Wechsel.

Gewinn für alle
Will eine Baugenossenschaft ein Aussenraumkonzept erarbeiten oder ein vorhandenes Konzept neu ausrichten, lohnt sich der Austausch mit anderen Bauträgern, die bereits ökologisch wertvolle Aussenräume geschaffen haben. Sie können wichtige Erfahrungen weitergeben. Auch eine Beratung durch Fachleute kann beim Erarbeiten von Konzepten oder während des Planungsprozesses helfen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Stiftung Natur und Wirtschaft: Sie zeichnet naturnah gestaltete Wohnareale mit einem Zertifikat aus und unterstützt jene, die noch auf dem Weg dahin sind, bei der Planung.
Mit dem Bericht laden die Autorinnen dazu ein, die Herausforderung anzunehmen und vielfältige struktur- und artenreiche Aussenräume zu schaffen. Es profitieren nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch die Genossenschafterinnen und Genossenschafter.

Studie und Bericht

In seiner Studie «Qualität des Grüns im Aussenraum» hat der Verein Natur und Wohnen 2015/16 Wohnbaugenossenschaften und gemeinnützige Stiftungen zu Planung und Unterhalt ihres Aussenraums befragt. Ziel war aufzuzeigen, welche Schwerpunkte diese in ihren Aussenräumen setzen und welche Rolle dabei Ökologie und Biodiversität spielen. 200 zufällig ausgewählte gemeinnützige Bau­träger in der Deutschschweiz wurden auf­gerufen, sich an der Onlineumfrage zu beteiligen. Fünfzig davon (25 %) 

nahmen teil; mehrheitlich dürften dies Bauträger sein, die Aussenräumen eine wichtige Bedeutung beimessen. Die Ergebnisse der Befragung wurden deskriptiv ausgewertet. Die Ende 2018 publizierte Studie stellt die detaillierten Resultate vor und zeigt mit praktischen Empfehlungen auf, wie Baugenossenschaften vorgehen können, wenn sie ihre Aussenräume sowohl für die Bewohnenden als auch für die Artenvielfalt planen und unterhalten wollen. Download: www.naturundwohnen.ch