Salzbatterie erhöht Eigenverbrauch von Solarstrom in der Kochermatte

«Die Salzbatterie ist das Tüpfelchen auf dem I»

Die Wohnbaugenossenschaft «In Buona Compagnia Aegerten» (BE) speichert ihren eigenen Solarstrom in einer Salzbatterie, wenn die Bewohner:innen diesen nicht brauchen. Der Speicher wird bei Wohngebäuden noch selten eingesetzt, ist aber umweltfreundlicher als andere – und er lohnt sich für die Genossenschaft auch finanziell.

Von Patrizia Legnini | Bilder: Kevin Kocher, zVg, Wohnen | 2024/05

Nachhaltigkeit steht für die Wohnbaugenossenschaft In Buona Compagnia Aegerten und das Projekt Kochermatte an erster Stelle. Die Mehrfamilienhäuser mit der hellen Holzfassade, die bis Ende 2018 an idyllischer Lage ganz in der Nähe der Aare entstanden sind, wurden gemäss dem Gebäudeenergieausweis der Kantone (Geak) in der Klasse A zertifiziert. Auf vier Flachdächern hat die Genossenschaft in der Kochermatte zudem Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 99 Kilowatt-Peak (kWp) installiert. Den selbst produzierten Solarstrom verbrauchen die Bewohner:innen der 32 Wohnungen in einer Eigenverbrauchsgemeinschaft; pro Jahr sind es 100 bis 110 Megawattstunden Strom im Wert von etwa 70 000 Franken, mit denen fünf Warmwasseraufbereiter und mehrere bidirektionale Autoladestationen gespiesen werden.
Für die Optimierung des Eigenverbrauchs steht ein intelligentes Softwaretool im Einsatz, das die Energieflüsse im Haus reguliert und so dafür sorgt, dass möglichst viel Solarstrom in der Kochermatte (inhouse) verbraucht wird. «Dennoch kommt es von Frühling bis Herbst immer wieder vor, dass wir mehr Sonnenstrom produzieren, als wir selbst verbrauchen können», sagt Genossenschaftspräsident Stephan Kunz, der das Projekt zusammen mit seiner Frau vor zwölf Jahren initiiert hatte. Bis zum Frühling letzten Jahres hat die Eigenverbrauchsgemeinschaft überschüssigen Strom ausschliesslich ins Netz zurückgespiesen. «Aber weil die Einspeisevergütungen der Elektrizitätswerke so tief sind, lohnte sich das finanziell eher nicht», sagt Vizepräsident Rolf Brawand.

Untergebracht ist die Salzbatterie in einem kleinen Metallschrank im Technikraum neben der Tiefgarage. Rolf Brawand (links) und Stephan Kunz begeistert sie wegen ihren vielen guten Eigenschaften: Sie ist nicht brennbar, unterhaltsarm, langlebig und umweltfreundlich.

Unterhaltsarm, robust und ungefährlich
Im Mai 2023 hat sich die Genossenschaft zum zehnjährigen Bestehen darum eine Salzbatterie angeschafft, die den überschüssigen Sonnenstrom für die spätere Verwendung zwischenspeichert. Die Batterie kann also Schlechtwetterstunden, in denen die Genossenschaft Strom dazukaufen müsste, überbrücken; an Tagen mit besonders hoher Sonneneinstrahlung deckt der gespeicherte Strom auch den Bedarf der darauffolgenden Nacht. Untergebracht ist die Batterie in einem kleinen Metallschrank im Technikraum neben der Tiefgarage. «Die Batterie ist eine wichtige Komponente in einem breit angelegten Gesamtsystem, mit dem wir den Eigenverbrauchsanteil des Stroms in der Kochermatte optimieren und unseren Autarkiegrad erhöhen», sagt Kunz. «Sie ist quasi das Tüpfelchen auf dem I.»
Noch sind Salzbatterien – im Fachjargon «Hochtemperaturbatterien des Typs Natrium-Nickelchlorid» oder «Salzschmelzebatterien» – als Heimspeicher nicht sehr verbreitet (siehe dazu Interview weiter unten). Aber die Technologie wird immer beliebter. Kunz und Brawand begeistert sie wegen ihren guten Eigenschaften. «Herkömmliche Speicherbatterien kosten zwar weniger. Aber sie enthalten oft seltene Erden und können brennen. Unsere Salzbatterie ist umweltfreundlich, und sie ist absolut ungefährlich: Sie kann weder brennen noch explodieren», sagt Kunz. Der Standort des Speichers benötige also keinen Brandschutz, es müssten keine zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen und keine Lüftungen installiert werden.
Dazu komme, dass die Batterie äusserst unterhaltsarm und langlebig sei. Auf das Batteriemodell, das in der Kochermatte zum Einsatz kommt, gibt der Hersteller zehn Jahre Garantie. Doch Kunz geht nicht davon aus, dass die Lebensdauer der Batterie dann zu Ende ist. «Diese Salzbatterie hält wahrscheinlich deutlich länger. Möglicherweise müssen wir irgendwann ein paar elektronische Komponenten ersetzen, so wie man das bei allen elektrischen Geräten tun muss. Aber nicht mal das ist sicher.»

In Südafrika erfunden
Heutzutage wird etwa jede fünfte Photovoltaikanlage in der Schweiz mit einem Batteriespeicher installiert, Tendenz steigend. Oft entscheiden sich die Kund:innen dabei für die Lithium-Ionen-Technologie, die unter anderem auch bei Elektrofahrzeugen zur Anwendung kommt. Diese Batterien sind kostengünstig, kompakt und leicht, haben einen hohen Wirkungsgrad und eine lange Lebensdauer. Wie andere herkömmliche Batterien weisen sie aber aufgrund ihrer Bestandteile eine ungünstige Umweltbilanz auf: Sie enthalten teils giftige Chemikalien und seltene Rohstoffe, neben Lithium meistens auch die Metalle Mangan und Kobalt, die in Entwicklungsländern unter zweifelhaften Bedingungen gewonnen werden.
Die Salzbatterie, die auch in der Kochermatte in Aegerten zum Einsatz kommt, hat eine hohe Energiedichte und gilt als robust. Sie wurde unter dem Namen Zebra Ende der 1970er-Jahre in Südafrika entwickelt und über zwanzig Jahre in der Telekommunikationsindustrie eingesetzt. Heute wird sie auch in der Schweiz hergestellt und besteht aus Inhaltsstoffen, die fast überall verfügbar sind: aus Salz, Eisen, Keramik und Nickel.

Batterie gibt Wärme ab
Hiesige Hersteller werben damit, dass die Materialien zu hundert Prozent rezykliert werden können – während die Metalle nach dem Einsatz eingeschmolzen werden und in der Industrie Verwendung finden, bilden Keramik und Salz eine ungiftige Schlacke, die im Strassenbau zum Einsatz kommen kann. Ein Vorteil ist zudem, dass extreme Aussentemperaturen keinen Einfluss auf den Betrieb oder die Lebensdauer der Batterie haben; sie arbeitet unabhängig vom Wetter, kann also in der Wüste genauso wie im Eis betrieben werden. Allerdings muss sich die Batterie für den Betrieb auf eine Temperatur von etwa 250 Grad aufheizen, weshalb sie gut isoliert ist. Da die Salzbatterie im Technikraum der Kochermatte etwas mehr Wärme abgibt als gedacht, würde Kunz sie heute vermutlich an einem etwas kühleren Ort platzieren. «Den richtigen Standort zu finden, ist wichtig.» Eine positive Eigenschaft der Batterie ist auch, dass sie nicht abrupt den Dienst aufgibt, sondern ganz langsam Leistung abbaut, wobei jederzeit eine neue Batterie hinzugeschaltet werden kann. Die alte Batterie kann weitergenutzt werden, bis ihre Speicherkapazität ganz erschöpft ist.

Grosse Solaranlage für kleine Genossenschaft: Dank der neuen Salzbatterie kann die Genossenschaft ihren Eigenverbrauch erhöhen und dadurch Geld sparen.

Nach elf Jahren amortisiert
Für die Genossenschaft hat sich die Anschaffung der Salzbatterie in der Kochermatte nicht nur aus ökologischen Gründen gelohnt, sondern auch aus wirtschaftlichen: Langfristig spart sie damit Geld. Von Bedeutung ist dabei, dass die Genossenschaft die Batterie, die eine Speicherkapazität von 36 Kilowattstunden aufweist, so klein wie nötig dimensioniert hat, nicht so gross wie möglich. Kunz: «Nachrüsten kann man sie immer, das Ausbaupotenzial ist vorhanden. Aber wir brauchen die Batterie nur zum Füllen von Stromlücken; ein autarkes System wäre unrentabel.»
49 500 Franken hat die Batterie die Genossenschaft gekostet, nach elf Jahren sollten die Anschaffungskosten amortisiert sein. «Wir gehen davon aus, dass die Batterie 15 Prozent des typischen Stromertrags eines Tages speichern kann. Weil wir diesen Strom nicht dazukaufen müssen, können wir derzeit etwa 4500 Franken pro Jahr sparen.» Eine noch grössere Installa-tion würde sich laut dem Präsidenten nur lohnen, wenn der Strompreis noch viel höher wäre, als er bereits ist. «Wir haben in Aegerten und Aarberg die höchsten Strompreise im ganzen Kanton Bern.»

Kleine Genossenschaft, grosse Anlage
Kunz ist überzeugt davon, dass der Nutzen solcher Batterien aufgrund der politischen Rahmenbedingungen noch wachsen wird. «Aufgrund der unsicheren Preissituation auf dem Strommarkt sind Lösungen zur Eigenverbrauchsoptimierung für Wohnbaugenossenschaften attraktiv und sinnvoll», sagt er. Die Wirtschaftlichkeit von Energiespeichern variiert allerdings je nach Anwendungsfall und Anlagenkonfiguration. Mit modernen Tools kann sie heute einfach berechnet werden. Gemäss Energie Schweiz, dem Förderprogramm des Bundes im Bereich Energie, sind heute erst wenige Stromspeicher rentabel, und dies auch nur bei guten Rahmenbedingungen.
Auch Kunz sagt, dass von Fall zu Fall angeschaut werden müsse, ob sich die Anschaffung einer Salzbatterie finanziell wirklich lohne – nicht zuletzt müssten der Standort und die technische Ausgangslage berücksichtigt werden. «Die Photovoltaikanlage sollte eine bestimmte Grösse haben, wenn man über eine Batterie nachdenkt. Wir sind eine kleine Genossenschaft mit einer grossen Solaranlage, darum passt das für uns hervorragend.» Für den hinzugekauften Strom zahlten die Genossenschafter:innen in der letzten Abrechnungsperiode nur 240 Franken pro Wohnung und Jahr, was zwanzig Franken im Monat entspricht. Im Jahr davor kostete der Strom aufgrund tieferer Preise sogar nur die Hälfte. Trotz der vielen Vorteile der Salzbatterie sind Kunz und Brawand keine anderen Genossenschaften bekannt, bei denen eine solche zum Einsatz kommt. Umso mehr verstehen sich die beiden als Pioniere. So hätten sie auch zu den ersten gehört, die eine Eigenverbrauchsgemeinschaft gebildet und ein Softwaretool zur Eigenverbrauchsoptimierung eingesetzt hätten, sagen sie. «Wir probieren gerne Neues aus und sind der Zeit immer ein bisschen voraus.»

Eigenverbrauch optimieren

Die Eigenverbrauchsquote ist der Anteil des selbst verbrauchten Stroms am gesamt produzierten Solarstrom. Sie sollte nicht mit dem Autarkie- oder Unabhängigkeitsgrad verwechselt werden (Anteil des selbstverbrauchten Stroms am Gesamtverbrauch). Eine Photovoltaikanlage rentiert sich gemäss der Schweizer Beratungsplattform Energieheld immer dann besonders, wenn man möglichst viel des gewonnenen Stroms selbst verbraucht. 

Weil die Einspeisevergütungen respektive -tarife der Elektrizitätswerke tief sind, kann man mit einer verbrauchsorientierten Anlagenplanung einen effizienteren Betrieb erreichen als mit einer ertragsorientierten Photovoltaikanlage. Es gilt also: Wer den finanziellen Ertrag seiner Solaranlage steigern möchte, sollte den Eigenverbrauch erhöhen und nicht die Stromproduktion maximieren.

«Die Herstellung wird intensiviert»

Wie nachhaltig Salzbatterien wirklich sind, welche Rolle sie auf dem Energiespeichermarkt spielen und wie sich das künftig verändern dürfte, sagt Gurdial Blugan von der Empa.

Wohnen: Wie verbreitet ist die Salzbatterie heute als Speicher in Wohnhäusern?

Gurdial Blugan: Die Verwendung von Salzbatterien in Heimspeichersystemen ist heute hauptsächlich aus Kostengründen begrenzt. In den letzten zehn Jahren wurden sie jedoch in grossem Umfang für industrielle Anwendungen eingesetzt, zum Beispiel für Banken und Krankenhäuser als Backup-Elektrizitätsversorgung. Es wird erwartet, dass der globale Markt für Salzbatterien recht stark wachsen wird, wobei der grösste Marktanteil weltweit auf die Heimspeicher und kostengünstige E-Fahrzeuge entfällt.

Warum soll der Verkauf von Salzbatterien in Zukunft zunehmen?

Der Energiespeichermarkt wird heute von ausgereifteren Technologien wie Lithiumbatterien beherrscht, die von gut etablierten Lieferketten, niedrigeren Kosten und einer höheren Energiedichte profitieren, obwohl der Lithiumabbau Nachteile für die Umwelt mit sich bringen kann. Es wird aber erwartet, dass etwa Kostensenkungen, unterstützende politische Massnahmen und die Ausrichtung auf Nischenanwendungen die Verwendung von Salzbatterien weltweit ausweiten werden. Heute wird nicht nur an kostengünstigen Salzbatterien geforscht, sondern auch die Herstellung in Europa, China und den USA intensiviert, was die Kosten senken kann.

Gemäss den Herstellern enthalten Salzbatterien keine umweltschädlichen Materialien. Allerdings wird Nickel als bedingt kritisches Mineral eingestuft. Wie sauber ist die Salzbatterie also wirklich?

Salzbatterien sind zwar in gewisser Hinsicht sauberer und auch zu hundert Prozent rezyklierbar, aber ihr ökologischer Fussabdruck wird immer noch durch die Beschaffung und Verarbeitung von Nickel beeinflusst. Die derzeitige Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung einer neuen Genera-
tion von Salzbatterien, die frei von Nickel sind und gleichzeitig ihre Energiedichte beibehalten. Dadurch kann auch der Preis der Salzbatterie gesenkt werden.

Offenbar können alle Rohstoffe in einer Salzbatterie zu hundert Prozent rezykliert werden. Wird das in der Schweiz tatsächlich so gemacht?

In der Schweiz sind die Verbraucher gesetzlich dazu verpflichtet, gebrauchte Salzbatterien bei einer Verkaufsstelle oder einer Sammelstelle abzugeben. Diese Batterien können mit den heutigen standardisierten und industrialisierten Verfahren zur Rückgewinnung der Metalle, Salze und Keramiken rezykliert werden.

Gurdial Blugan ist Gruppenleiter im Labor für Hochleistungskeramik an der Empa. In dieser ­Funktion arbeitet er an verschiedenen keramischen Materialien für die Energiespeicherung, inklusive für Batterien.