Stiftung Soliterra ergänzt Solidaritätsstiftungen des Verbands
«Ein temporäres Baurecht gibt es sonst nirgends!»
Die neue Stiftung Soliterra hilft jungen Genossenschaften, Liegenschaften zu erwerben, und gibt ihnen das Grundstück im Baurecht ab. Sobald die Genossenschaft die Mittel dazu hat, kann sie das Land abkaufen. Weshalb sich dies für die Genossenschaften lohnt und wieso dieses Angebot in der Schweiz einzigartig ist, erzählt Stiftungsratspräsident Peter Schmid.
Interview: Rebecca Omoregie | Bilder: zVg | 2024/05
Wohnen: Mit Soliterra hat der Verband eine neue Stiftung gegründet. Was macht diese genau?
Peter Schmid: Soliterra hilft gemeinnützigen Bauträgern bei Liegenschaftskäufen. Damit haben wir nun drei Solidaritätsstiftungen beim Verband, mit denen wir unsere Mitglieder unterstützen können: Die Stiftung Solidaritätsfonds gewährt Darlehen, die Stiftung Solinvest gibt Überbrückungsbeteiligungen und die Stiftung Soliterra finanziert den Kauf von Grundstücken.
Wieso braucht es ein zusätzliches Instrument? Finanzschwache Genossenschaften können ja bei der Stiftung Solidaritätsfonds und beim Fonds de Roulement Darlehen beantragen. Der Fonds de Roulement kann auch für Landerwerb Mittel geben.
Das ist eine berechtigte Frage. Aus dem Fonds de Roulement erhält man nur einmal Mittel – für den Landerwerb oder für das Bauprojekt. Das Problem ist das Eigenkapital: Wenn ein Bauträger ein Haus inklusive Land finanzieren muss, dann braucht er mehr Eigenkapital und mehr Fremdkapital, als wenn es nur die Liegenschaft betrifft.
Und hier springt nun Soliterra ein?
Ja, genau diese Lücke schliesst Soliterra. Wir vergeben nicht Gelder. Sondern wir erwerben Grundstücke und geben diese den gemeinnützigen Bauträgern im Baurecht ab.
An wen richtet sich die Stiftung Soliterra?
Wir stellen uns eher kleinere Genossenschaften vor, die eine Liegenschaft kaufen können und noch nicht genügend Eigenmittel für den Kauf haben.
Bis zu welcher Grösse, gibt es da eine Grenze?
Nein, wir haben keine Grenze festgelegt. Aber für grössere Genossenschaften ist das Angebot weniger interessant. Diese haben in der Regel genügend Mittel, um Liegenschaften zu kaufen.
Wir sprechen also eher von einzelnen Mehrfamilienhäusern als von grossen Grundstücken?
Ja, grosse Areale sind nicht in unserem Fokus, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Soliterra ist noch ganz am Anfang und hat noch wenig Eigenmittel. Deshalb kann sie nur bei kleineren Projekten unterstützen und keine grossen Risiken eingehen.
Welche Bedingungen müssen die Bauträger erfüllen?
Sie müssen gemeinnützig sein und Mitglied beim Verband – oder die Absicht haben, Mitglied zu werden. Ausserdem muss es um den Kauf einer Liegenschaft oder um ein Bauprojekt gehen, für das eine Bewilligung vorhanden ist. Und natürlich muss die Tragbarkeit gegeben sein. Das ist ähnlich wie beim Fonds de Roulement.
Ist es realistisch, dass bereits eine Baubewilligung vorliegen muss? Bis ein bewilligungsfähiges Projekt entwickelt ist, muss das Land ja längst gekauft sein.
Das wird wahrscheinlich wirklich nur in wenigen Fällen möglich sein. Aber als junge Stiftung, die noch kein Eigenkapital hat, müssen wir so vorsichtig sein. Wir würden ja dann auf dem Land sitzenbleiben, wenn kein Projekt realisiert würde oder sich die Bauträgerin zurückzöge.
Zu welchen Konditionen vergibt Soliterra das Baurecht?
Der Baurechtszins richtet sich nach dem Referenzzinssatz – das ist auch der Zinssatz, zu dem sich Soliterra finanziert – plus maximal ein halbes Prozent für unseren Verwaltungsaufwand. Ansonsten orientieren wir uns an den Empfehlungen des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO). Die Vertragsdauer beträgt maximal sechzig Jahre mit einer zweimaligen Verlängerung um fünfzehn Jahre. Aber eigentlich wollen wir gar nicht, dass das Baurecht so lange dauert.
Was heisst das, das Baurecht soll nicht so lange dauern?
Soliterra sieht im Baurecht eine temporäre Lösung – als Überbrückung, bis der gemeinnützige Bauträger genügend Mittel hat. Langfristig ist es besser, wenn die Genossenschaften das Land kaufen, damit sie tiefe Mieten sichern können.
Das heisst, der Bauträger kann dann Soliterra das Land abkaufen?
Genau. Nach frühestens zehn Jahren kann der gemeinnützige Bauträger das Grundstück kaufen. Diese Auskaufmöglichkeit ist ein Alleinstellungsmerkmal – das gibt es sonst nirgends!
Was, wenn der gemeinützige Bauträger das gar nicht will oder nicht die Mittel dazu hat?
Dann kann er auch noch länger im Baurechtsvertrag bleiben. Zehn Jahre ist vielleicht noch etwas früh für den Auskauf, vielleicht dauert es auch zwanzig Jahre, bis die Genossenschaft finanziell dazu in der Lage ist. Um Anreize zu setzen für den Auskauf, ist nach einer gewissen Zeit eine Anpassung des Baurechtszinses vorgesehen.
Ist das sinnvoll? In der Regel versuchen wir als Verband steigende Baurechtszinsen zu vermeiden, weil sonst auch die Mietzinse nicht tief bleiben. Und jetzt macht Soliterra genau das?
Ja, aber nur um ein Anreizsystem zu bilden, das Land zurückzukaufen. Damit wieder Mittel frei werden für neue Gesuche von Genossenschaften.
Zu welchem Preis können die gemeinnützigen Bauträger das Land kaufen?
Zum damaligen Kaufpreis, einfach der Teuerung angepasst. Wir gehen davon aus, dass die Bodenwerte weiterhin deutlich stärker ansteigen. Dann ist ein solcher Kaufpreis sehr attraktiv.
Wie können Sie beim Verkauf den Spekulationsverzicht garantieren?
Das ist rechtlich eine Knacknuss, die wir noch am Klären sind. Wir versuchen, dies auf verschiedenen Wegen zu sichern, über das Vorkaufsrecht im Grundbuch oder zivilrechtliche Verträge, über die Statuten oder über die Vorgabe, dass Soliterra Mitglied bei dem Bauträger sein muss.
"Mit der neuen Stiftung steht das Solidaritätssystem auf drei Beinen"
Zu welchem Zeitpunkt kommt ein gemeinnütziger Bauträger idealerweise zu Soliterra?
Wenn man eine Kaufabsicht beziehungsweise eine konkrete Kaufofferte auf dem Tisch hat. Theoretisch kann es auch einmal sein, dass ein Bauträger schon gekauft hat und nachher zu uns kommt. Das ist dann einfach etwas komplizierter mit den Handänderungssteuern. Auf jeden Fall müssen wir als Stiftung schnell rea-gieren, denn bei Käufen hat man nicht viel Zeit.
Wie kann Soliterra das sicherstellen?
Indem wir unsere Strukturen und Prozesse entsprechend anpassen und genügend Fachkompetenz im Stiftungsrat haben, um Gesuche rasch beurteilen zu können.
Soliterra springt dann ein, wenn eine Genossenschaft eine konkrete Akquisitionsmöglichkeit hat. Ist das grösste Hindernis nicht, überhaupt an Grundstücke oder Liegenschaften heranzukommen?
Das ist eine andere Herausforderung unserer Branche. Der Verband hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um zu prüfen, wie wir unsere Mitglieder künftig noch stärker bei der Akquisition unterstützen können. Wir beobachten, dass in verschiedenen Städten vermehrt interessante Angebote auf den Tisch kommen. Es gibt immer wieder Hausbesitzerinnen oder Hausbesitzer, die ihr Mehrfamilienhaus nicht zu Höchstpreisen verkaufen, weil ihnen eine werteorientierte Käuferin wichtig ist.
Dennoch: Hilft denn ein Instrument wie Soliterra so viel?
Ja, immerhin stellen wir sicher, dass solche Akquisitionsmöglichkeiten dann auch wahrgenommen werden. Wir möchten auch kleinere Genossenschaften motivieren, Akquisitionen überhaupt in Betracht zu ziehen. Wir werden auch mit den Akquisitionsstellen des Verbands und dem Finanzierungsmarkt zusammenarbeiten, damit die Chancen steigen, dass gute Angebote genutzt werden können.
Woher nimmt die Stiftung Soliterra die Mittel dazu?
Soliterra ist in der glücklichen Lage, dass sie durch ein Family Office, das den gemeinnützigen Wohnungsbau unterstützen möchte, Mittel zur Verfügung gestellt bekommt. Mit einem Kreditrahmen von 25 Millionen ist die Finan-
zierung für eine erste Phase sichergestellt.
Und wie finanziert sich Soliterra nach dieser Startphase?
Wir betrachten Soliterra wie die beiden anderen Verbandsstiftungen als Solidaritätsstiftung: ein Instrument von der Branche für die Branche. Künftig sollen auch unsere Mitglieder die Möglichkeit haben, die Stiftung mit Darlehen zu Selbstkosten zu unterstützen und so einen Beitrag zur Förderung von jungen und kleinen Genossenschaften zu leisten. So soll die Solidarität innerhalb unserer Branche spielen. Dazu trägt das gesamte Solidaritätssystem unseres Verbandes bei.
Wie soll sich das Solidaritätssystem des Verbandes weiter entwickeln?
Mit der neuen Stiftung Soliterra steht das Solidaritätssystem wie gesagt auf drei Beinen. Wir überlegen uns, wie wir die Mittel, die wir von unseren Mitgliedern erhalten, am wirkungsvollsten den verschiedenen Stiftungen zugute kommen lassen. Aber das ist ein Blick in die Zukunft. Wichtig ist in einem ersten Schritt vor allem, dass die drei Stiftungen enger zusammenarbeiten.
Wie soll diese Zusammenarbeit konkret aussehen?
Gespräche der drei Stiftungsratspräsidien werden dies klären. Sinnvoll sind sicher ein stärkerer Austausch der Stiftungsratsmitglieder und ein gemeinsames Stiftungssekretariat; ausserdem eine enge Verbindung mit den übrigen Finanzierungsinstrumenten für gemeinnützige Wohnbauträger und mit unserem Finanzierungsmarkt. So können wir junge und finanzschwache Genossenschaften umfassend unterstützen.
Soliterra soll ja eine nationale Bodenstiftung werden, die zum Wachstum der Branche beiträgt. Wie schätzen Sie das Potenzial dafür ein: gibt es überhaupt genug Akquisitionsmöglichkeiten? Gibt es genug gemeinnützige Bauträger, die wachsen wollen?
Das Instrument ist sehr langfristig gedacht. Das heisst, es muss verschiedenen Wirtschaftszyklen genügen. In manchen Wirtschaftsphasen ist es einfacher, in anderen schwieriger. Im Moment sind die Preise für Liegenschaftskäufe sehr hoch, da denke ich nicht, dass das ein Massengeschäft wird. Bei einer Korrektur des Marktes kann sich das aber ändern. Wichtig ist, dass wir das Angebot jetzt aufbauen und bereit dafür sind.
Steht Soliterra auch den Mitgliedern in der französischen und italienischen Schweiz zur Verfügung?
Ja natürlich. Wir starten jetzt einmal in der Deutschschweiz und werden das Angebot in einer zweiten Phase auch in den anderen Sprachregionen aufbauen. Das bedeutet, alle rechtlichen Grundlagen und Dokumente in allen drei Sprachen zur Verfügung zu haben, dafür benötigen wir etwas Zeit. Aber wenn jetzt ein Gesuch aus der Romandie bei uns eintreffen würde, dann würden wir es mit Freude behandeln.
Wie müssen gemeinnützige Bauträger vorgehen, die sich für das Angebot von Soliterra interessieren?
Am besten konsultieren sie unsere Website. Die Seite ist noch im Aufbau, aber sie finden dort die Kontaktadresse und einen Überblick über die Unterlagen, die eingereicht werden müssen. Wir nehmen erst einmal eine telefonische Vorabklärung vor und besprechen alles weitere dann gemeinsam. Wir freuen uns auf Anfragen!
Zur Person
Peter Schmid ist Stiftungsratspräsident der neu gegründeten Stiftung Soliterra. Er ist Vizepräsident von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, Präsident der Fondskommission Fonds de Roulement und Leiter der Arbeitsgruppe «Akquisition»
des Verbandes. Er beschäftigt sich mit Wachstumsmöglichkeiten für den gemeinnützigen Wohnungsbau und der Weiterentwicklung des Solidaritätssystems innerhalb der Branche.