Aussenräume für alle Generationen

«Leider werden Spielplätze oft nur für Kinder konzipiert»

Im besten Fall bieten Aussenräume von Wohnsiedlungen einen Mehrwert für alle Generationen. Silvio Stoll von der Stiftung Hopp-la sagt, wie man Begegnungen zwischen jüngeren und älteren Leuten fördern kann, wie es gelingt, mehr Bewegung in ihren Alltag zu bringen, und wieso es nicht reicht, nur Bewegungselemente aufzustellen.

Interview: Patrizia Legnini | Bilder: Alex Kaeslin, zVg | 2024/06

Wohnen: In attraktiven, einladenden Aussenräumen halten sich Menschen gerne auf. Wodurch zeichnen sich solche Orte aus?

Silvio Stoll: Meiner Ansicht nach sind sie in Bezug auf Topografie, Wegführung oder Bepflanzung sorgfältiger gestaltet als andere. Wenn Aussenräume topfeben sind, fühlt man sich in ihnen weniger wohl als in sanft modellierten Hügellandschaften, wo man nicht so ausgestellt ist. Auf flach gemähten Wiesen kann man zwar herumrennen und Ball spielen, falls das erlaubt ist, aber für andere Nutzungen ist das Abstandsgrün in Wohnsiedlungen kaum interessant. Naturnahe, vielfältig nutzbare und gut beschattete Aussenräume mit Bäumen, Sitz- und Bewegungsmöglichkeiten sind da attraktiver. Wertvoll sind auch Begegnungszonen wie Feuerstellen mit Tischen und Bänken. Für ältere Personen, Leute im Rollstuhl oder mit Kinderwagen ist es wichtig, dass die Orte barrierefrei gestaltet sind. Sie sollten gut erreichbar, vom Strassenverkehr aber auch klar abgetrennt sein.

Gerade in Bezug auf die Aussenräume ihrer Wohnsiedlungen haben Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senior:innen aber unterschiedliche Bedürfnisse und Ansprüche. Worauf legen die verschiedenen Zielgruppen besonders Wert?

Besonders wichtig ist, dass sie sich die Aussenräume aneignen und sie verändern dürfen. Für Kinder ist es schön, wenn sie Strassen mit Kreide bemalen, auf unebenen Wegen herumfahren oder sich Trampelfade durchs Gras suchen können. Zwar hat jede Altersgruppe unterschiedliche Wünsche. Aber viele überschneiden sich auch. So sind Kinder und Senior:innen darauf angewiesen, dass es in unmittelbarer Nähe WC-Anlagen und Trinkwasser gibt. Auch Sitzgelegenheiten, genügend Schatten, Witterungsschutz und die gefahrlose Erreichbarkeit sind für alle wichtig. Grundsätzlich ist es wünschenswert, wenn in öffentlichen Räumen alle Generationen berücksichtigt werden.

Aufgrund der demographischen Entwicklung wird die Zahl der Menschen über 65 Jahren künftig stark ansteigen. Wie altersgerecht sind Aussenräume oder öffentliche Grünanlagen hierzulande gestaltet?

Meiner Ansicht nach wird in öffentlichen Aussenräumen schon vieles gut gemacht. Aber es gibt noch Luft nach oben. Positiv ist zum Beispiel, dass seniorenfreundliche Sitzbänke immer verbreiteter sind; ihre Sitzfläche ist höher, und die Armlehnen dienen als Stütz- und Aufstehhilfe. Genügend Sitzgelegenheiten sind für ältere und weniger mobile Personen sehr wichtig, damit sie sich von längeren Gehstrecken erholen können. Praktisch sind zudem Treppen mit Handläufen. Und dass immer mehr Aussenräume barrierefrei zugänglich sind, ist ebenfalls wertvoll – davon profitieren auch Leute mit Gehstock, Rollator oder Kinderwagen.

Die Stiftung Hopp-la hat mit der Pro Juventute einen Leitfaden für die partizipative Planung, Umsetzung und Belebung von generationenverbindenden Aussenräumen erstellt. Warum möchten Sie solche Räume speziell fördern?

Wir plädieren für mehr aktives Miteinander statt Nebeneinander. Es ist sehr wichtig, dass Seniorinnen und Senioren nicht allein zu Hause bleiben, sondern draussen am sozialen Leben teilhaben. Kinder und Senior:innen profitieren gleichermassen voneinander, wenn sie Zeit miteinander verbringen. Ältere Leute erleben die Energie, den Bewegungsdrang und die Freude der Kinder als ansteckend. Die Kinder wiederum profitieren vom Wissen der Älteren, von ihren Lebenserfahrungen und der Zeit, die sie ihnen schenken können. Wenn man zum Beispiel Hochbeete gemeinsam bepflanzt, ist das eine schöne Aktivität. Die Älteren können ihr Wissen weitergeben, die Jüngeren erfahren mehr über die Pflanzenwelt, und man ist draussen gemeinsam aktiv. Dieses Miteinander der Generationen baut Vorurteile ab und verbessert die Generationenbeziehungen.

Silvio Stoll war bis Juli 2024 Projektleiter bei der Stiftung Hopp-la. Er hat den Leitfaden «Bewegungsräume für alle Generationen» verfasst und während acht Jahren in der ganzen Schweiz generationenverbindende Bewegungsprojekte begleitet. Er wohnt mit seiner Partnerin in einer Wohnung in Aarau.

Ihre Stiftung setzt sich ­primär für generationen­verbindende Bewegungs­projekte ein. Weshalb?

Der Stiftung Hopp-la ging es immer darum, alt und jung ­gemeinsam in Bewegung zu bringen. Bewegung und Begegnung sind eng miteinander verbunden; wer sich draussen mit anderen bewegt, begegnet sich automatisch. Eine Studie zum Thema «Generationen in Bewegung» konnte aufzeigen, dass generationenverbindende Bewegungsprojekte die physische Entwicklung und die sozialen Ressourcen von Kindern fördern und Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Lebensqualität von älteren Menschen steigern können. Dass gerade Bewegungsräume wie Spielplätze oft nur für Kinder konzipiert werden, ist schade; man sollte auch für Erwachsene und ältere Menschen Bewegungsmöglichkeiten schaffen.

Was meinen Sie damit?

Wenn Raumplaner:innen einen Aussenraum gestalten, sollten sie alle Leute mitberücksichtigen und sie aktiv ins Geschehen einbinden. Bewegung tut allen Altersgruppen gut, sie hat viele gesundheitliche Vorteile. Senior:innen bleiben fit und selbständig; wenn sie sich regelmässig draussen bewegen, fördert das auch ihre Bewegungssicherheit im öffentlichen Raum. Obschon die barrierefreien Zugänge wichtig sind, sollte man nicht alle Treppenstufen aufheben. Sonst geht irgendwann die Fähigkeit verloren, sie zu benutzen. Bei Kindern wiederum ist die Bewegung wichtig für die körperliche Entwicklung. Dafür braucht es eigentlich keine Anleitungen, denn Kinder bewegen sich aus eigenem Antrieb: Ein kleiner Hügel animiert sie schon zum Runterrennen und Raufkraxeln. Je älter man wird, umso mehr Aufforderung braucht es, um sich zu bewegen.

Bei Fitnessgeräten hat sich gezeigt, dass Erwachsene sie in der Öffentlichkeit nur ausprobieren, wenn sie nicht befürchten müssen, sich zu blamieren. Was bedeutet das für die Ausstattung von Bewegungsräumen?

Es stimmt, dass klassische Seniorenfitnessgeräte in der Schweiz nicht wie im asiatischen Raum oder etwa in Spanien funktionieren. Auf Reisen habe ich beobachtet, dass sie in allen Quartieren stehen und auch genutzt werden. Aber hier ist das recht anders; gerade ältere Leute wollen nicht beobachtet werden, wenn sie Übungen machen. Vielleicht sind diese Geräte vielen Leuten auch einfach zu langweilig.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

In Bewegungsräumen für alle Generationen steht das gemeinsame, spielerische Bewegen im Mittelpunkt. Die Bewegung soll den Leuten Spass bereiten. Kniebeugen zu machen ist für die meisten mühsam. Aber wenn man sie in ein Spiel verpackt, merkt man gar nicht, dass man sein Gleichgewicht trainiert, Sturzprävention betreibt und erst noch den sozialen Austausch pflegt. Wir empfehlen daher keine Trainings- oder Seniorenfitnessgeräte, sondern niederschwellige und multifunktionale Spiel-, Bewegungs- und Balancierelemente wie bewegliche Labyrinthe, Stehwippen, Wackelbänke oder Partnerschaukeln, die gemeinsam genutzt werden können. Die Stiftung Hopp-la hat solche Geräte als Best Practice-Umsetzungsideen mitentwickelt.


«Es braucht auch Räume, die einer einzelnen Altersgruppe zugutekommen.»


Was ist mit Pingpongtischen und Ähnlichem?

Wie alle Spiele, die man miteinander oder gegeneinander spielt, eignen sie sich auch als verbindende Bewegungselemente. Auch Bodenspielfelder wie Schach, Mühle oder Tic-Tac-Toe ziehen jüngere und ältere Menschen an. Praktisch bei Boccia oder Pétanque ist, dass es dafür nur einen Kiesplatz braucht. Man könnte aber auch eine Tafel aufstellen und die Leute darüber informieren, dass sie die Boulekugeln im Bistro ausleihen können. Auch Pingpongturniere bieten sich an. Wenn jeden Mittwoch jemand vor Ort ist, der die Leute zum Spielen animiert, ist das sehr wertvoll; mit solchen Massnahmen kann man Aussenräume nachhaltig beleben. Auch Bistros und Kioske tragen dazu bei, dass sich die Aufenthaltsdauer der Leute vor Ort verlängert.

Sie haben bis jetzt vor allem von Kindern und Senior:innen geredet. Wo bleiben die Jugendlichen in diesen Begegnungs- und Bewegungsräumen?

Jugendliche suchen sich eher Rückzugsorte, wo sie ihre Ruhe haben und andere nicht stören. Darum stehen sie bei den generationenverbindenden Massnahmen nicht im Fokus. Dennoch ist es wichtig, sie bei der Planung von Aussenräumen mitzudenken und auch Bereiche für sie zu schaffen, etwa Pumptracks oder Outdoor-Trainingsanlagen. Auch Pingpongtische sind immer gut! Grundsätzlich sind verbindende Elemente von grosser Bedeutung. Aber es braucht unbedingt auch Elemente und Räume, die einer einzelnen Altersgruppe zugutekommen.

Gibt es gelungene Beispiele von generationenverbindenden Bewegungsräumen, die bereits umgesetzt wurden?

Mit dem Pilotprojekt im Basler Schützenmattpark hat für Hopp-la alles angefangen. Highlight ist dort ein Wasserspiel, dessen Fontänen nur spritzen, wenn die Erwachsenen rundherum in die Pedalen treten. Ein schönes Beispiel ist auch der umgestaltete Aussenraum eines Alterszentrums im aargauischen Villmergen, den man der Öffentlichkeit zugänglich machte. Neben einem Sinnespark wurden dort Feuerstellen, Biotope, ein Naturwaldlehrpfad, eine Kneippstation, ein Restaurant und diverse Bewegungsstationen erstellt. Auch der Generationenpark Büel im zugerischen Cham, der früher ein Parkplatz war, ist heute mit Kletter-, Balancier- und anderen Bewegungselementen vollgepackt. Der neue Quartiergarten mit Generationenspielgeräten bei der Genossenschaftsüberbauung Westfeld in Basel bietet für die Bevölkerung ebenfalls einen grossen Mehrwert.

Welche Stolpersteine tauchen bei der Umsetzung solcher Projekte gelegentlich auf? Worauf sollten Planende besonders achten?

Die besten Begegnungsräume sind wohl jene, bei denen die Bevölkerung schon früh im Prozess einbezogen wurde, bei denen sie von Anfang an mitreden und ihre Bedürfnisse äussern konnte. Beim Pilotprojekt in Basel hat man die Partizipation am Anfang vernachlässigt. Die Leute haben nicht verstanden, dass die Bewegungsgeräte auch von den Erwachsenen benutzt werden sollen. Als wir Sportstudierende einsetzten, um das den Leuten zu erklären, änderte sich das bald. Die Kommunikation ist also sehr wichtig, genauso wie die fortwährende Qualitätssicherung: Die Projekte sind nach der Eröffnung nicht abgeschlossen. Allein mit dem Aufstellen von Spiel- und Bewegungselementen ist es noch nicht getan; regelmässige Aktivitäten und Belebungsmassnahmen vor Ort sind von grosser Bedeutung. Auch in den Unterhalt kann man die Leute einbeziehen.