
Kleine Zürcher Baugenossenschaft Heimelig macht grossen Erneuerungsschritt
Eine runde Sache
Die drei Siedlungen der Baugenossenschaft Heimelig sind über neunzig Jahre alt und erneuerungsbedürftig. Als erstes nahm die mehrheitlich ehrenamtlich geführte Genossenschaft ihre grösste Siedlung in Zürich Wollishofen in Angriff. Es kam gut – auch wegen ihrer Offenheit.
Von Esther Banz |Bilder: Roger Frei, zVg | 2024/09
Diesen Sommer bezogen im Zürcher Entlisbergquartier rund 200 Personen, darunter viele Kinder, ihr neues Zuhause in der Frohalp-Siedlung der Baugenossenschaft Heimelig. Es ist die grösste ihrer drei Überbauungen, sie zählte im alten Bestand 54 Wohnungen. In den vier neuen Mehrfamilienhäusern bietet die Genossenschaft nun 79 Wohnungen an. Drei weitere Mehrfamilienhäuser mit 18 Wohnungen befinden sich ganz in der Nähe, und noch einmal so viele sind es auf der anderen Seite der Stadt beim Irchelpark. Mit insgesamt 115 Wohnungen ist die Heimelig eine der kleineren Wohnbaugenossenschaften in Zürich. Sie hat keine Geschäftsstelle mit Festangestellten, sondern verteilt alle anfallenden Verwaltungsarbeiten auf die erweiterte Geschäftsleitung, die aus Mitgliedern des Vorstands zusammengesetzt ist. Präsident Darius Tanner etwa ist auch für die Vermietungen und allgemeine Verwaltungsaufgaben zuständig.

Zur Strassenseite hin sind die Gebäude strukturiert durch die Balkone, die sich auch farblich von den Fassaden unterscheiden. Sichtbar beim Aufgang ist die Kreisform, die sich durch die gesamte Gestaltung hindurchzieht und auch die Gebäudeform definiert.
Neubau im Ehrenamt
In den letzten Jahren hatte die Geschäftsleitung sehr viel mehr zu tun. Der Ersatz der Kolonie Frohalp war der erste in der Geschichte der 1928 gegründeten Genossenschaft. Ihr damals definiertes und heute nicht minder dringliches Ziel ist es, in der Stadt Zürich bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit wenig Einkommen zu schaffen. Auch die Kostenmiete der neuen Wohnungen sollte möglichst tief sein.
Gleichzeitig wollte man eine hohe Qualität – und hoch sind auch die gesetzlichen Anforderungen. So anspruchsvoll und komplex die Erneuerung einer ganzen Siedlung ohnehin ist, für eine Genossenschaft ohne Geschäftsstelle und eigene Baukompetenz ist die Sache noch herausfordernder. Der Vorstand der BG Heimelig wandte sich 2016 deshalb für Beratung und Unterstützung an den Regionalverband Wohnbaugenossenschaften Zürich. Dabei ging er einen Prozess mit offenem Ende ein.
Unklar war zu jenem Zeitpunkt etwa, ob saniert oder neu gebaut werden sollte. Man kam zum Schluss, dass eine Sanierung der engen und nicht hindernisfreien Wohnungen nicht sinnvoll sei. Dies auch, weil bei Dach, Fassaden, Installationen und Heizung ein erheblicher Erneuerungsbedarf bestand und gleichzeitig eine höhere Ausnützung erlaubt ist. 2018 stimmte die Generalversammlung einem etappierten Ersatzneubauprojekt zu. Den Wettbewerb entschieden Zimmermann Sutter Architekten für sich. Die Bauherrenvertretung übertrug die Genossenschaft einer externen Fachperson, 2020 genehmigte die GV den Baukredit und man reichte das Baugesuch ein. Von einer Etappierung bei Abriss und Neubau sah man in der Zwischenzeit aus Kosten- und Organisationsgründen sowie wegen fehlender Ausweichwohnungen wieder ab.
Viele Neumieter:innen
Was die Genossenschaft den Bewohner:innen anbieten konnte, war ein Vorzugsrecht bei den neuen Wohnungen – im Gegenzug mussten sie sich bereit erklären, pünktlich aus ihrer alten Wohnung auszuziehen. 18 Mietparteien nahmen letztlich dieses Angebot in Anspruch, die anderen Wohnungen wurden an neue Mitglieder vergeben. Präsident Tanner, der für die Vermietungen verantwortlich ist, erinnert sich: «Ohne dass wir Werbung gemacht hatten, schickten uns etwa 700 interessierte Personen und Familien eine Bewerbung. Darunter waren einige, die in Wollishofen in älteren Häusern lebten und fürchteten, in naher Zukunft die Kündigung zu erhalten.»
Bei einer Begehung im Juni ist die Siedlung bereits voller Leben. Kinderstimmen dringen vom Hof her in eine der letzten Wohnungen, die noch nicht bezogen sind. Durch ein grosszügiges Entrée gelangt man in eine offene Küche mit zweigeteiltem Wohn- und Essraum. Hohe und breite Fenster lassen viel Licht herein und warme, erdige Farben korrespondieren mit dem Parkett aus zueinander verschobenen Quadraten. Eine angenehme Beleuchtung und die Verwendung hochwertiger Materialien ziehen sich durch die ganzen Gebäude und Treppenhäuser. Das ist bei Neubauwohnungen, die explizit günstig sein sollen, nicht selbstverständlich. Architekt Andreas Zimmermann erklärt: «Qualität ist schon wichtig, aber Luxus braucht es keinen. Hochwertigkeit entsteht durch Sorgfalt beim Planen und Ausführen der Details. Dabei spielen Farben eine wichtige Rolle, wir arbeiten deshalb immer mit einer Farbgestalterin zusammen.»

Viel Licht und warme Farben zeichnen die Wohnungen aus.

Durch die halbkreisförmigen Baukörper gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Grundrisse. Abgebildet sind Beispiele einer 3½ - und einer 4½-Zimmer-Wohnung. Die Wohn-Ess-Bereiche bilden eine fliessende Raumfigur.

Sorgfalt bei den Details
In der neuen Frohalp-Siedlung gibt es viele Details zu entdecken. Keines ist zufällig, aber manch eines überrascht – das Rosarot auf der Unterseite der Vordächer etwa. Architekt Zimmermann erinnert an die Vordächer aus früheren Zeiten: «Sie waren vielerorts bemalt, teils sogar sehr kunstvoll.» Was ins Auge sticht, sind die Kreise, die sich als Motiv immer wieder finden. Angefangen beim Grossen: Drei der vier Häuser bilden hofseitig Halbkreise in ihrer Mitte. Diese Form und die mit Holz verkleideten Fassaden sowie der Sichtschutz aus roten, filigran wirkenden Holzlatten bei den strassenseitigen Balkonen lassen die viergeschossige Überbauung rundum leicht wirken.
Umso überraschter ist man beim Betreten des Untergeschosses. Hier tut sich mit einem breiten Korridor eine andere Welt auf, eine «Rue Intérieure», die trotz ihrer Länge und des massiven Sichtbetons freundlich wirkt. Hier unten kommt dem Kreismotiv eine besondere Bedeutung zu; wie runde Sonnen wirken die Lampen, und rund sind auch die grossen Fensterglas-Durchblicke im Beton, die natürliches Licht hereinlassen. Auch die Oblichter erlauben Tiefblicke hinunter in die Rue intérieure und belichten den Verbindungsgang auf natürliche Weise.
Nachbarschaftliches Miteinander erwünscht
Der unterirdische Korridor verbindet die drei grossen Mehrfamilienhäuser entlang der Verenastrasse. Er wird auch den heutigen Mobilitätsbedürfnissen gerecht: Über breite, nicht allzu steile Rampen gelangen die Bewohnenden mit ihrem Velo bequem zu den rund 240 Abstellplätzen. Auch für Kinderanhänger und Lastenvelos hat es viel Platz; die separat erschlossene Tiefgarage verfügt über knapp 50 Stellplätze, davon sechs für Elektroautos. Bei der Begehung sind zwei Frauen in ein Gespräch vertieft, ihre Kinder im Kita-Alter kurven mit Laufrädern herum, der Untergrund hat die Qualität eines wettersicheren Bewegungs- und Begegnungsraums.
Dass die Bewohnenden in Kontakt kommen können, ist der Heimelig wichtig. Schliesslich sollen die Leute nicht nur wegen der Aussicht und der günstigen Miete in der Genossenschaft wohnen, es soll auch ein nachbarschaftliches Miteinander entstehen und gepflegt werden. Genossenschaft und Architekt waren sich deshalb einig, dass es verschiedene Begegnungszonen geben soll. So verbindet der gedeckte Eingangsbereich im Erdgeschoss jeweils zwei Treppenhäuser miteinander. Hier können Kinder spielen und Erwachsene auf den halbrunden Bänken entlang der Fassade platznehmen. Auch bei den Briefkästen lädt die Atmosphäre zum Schwatz ein, und den direkt anliegenden und gut einsehbaren Waschsalon nutzen die Bewohnenden gemeinsam.
Was vielleicht nicht einmal alle Bewohnenden wissen: In ihrer Siedlung wird auch den Wildtieren Sorge getragen. Bei den Vordächern hat die Genossenschaft für die Mauersegler, die schon in den alten Gebäuden direkt unter dem Dach hausten, Nistkästen einbauen lassen – eine Vorgabe der Stadt. An die Igel hat die Genossenschaft ebenfalls gedacht: Bei den Randsteinen entlang der Verenastrasse hat es mehrere Öffnungen. Sie bilden Durchgänge zu Rampen, die es den vom Aussterben bedrohten Säugetieren ermöglichen, in der Umgebung auf Nahrungs-, Nest- und Partnersuche zu gehen. Auch mit der naturnahen Bepflanzung im Aussenraum will man gute Bedingungen für Wildtiere schaffen.

Im Untergeschoss verbindet eine Rue Intérieure die Häuser. Auch bei ihr wird die Kreisform variiert.

Es gibt verschiedene Begegnungszonen. Der gedeckte Eingangsbereich ist grosszügig und mit Sitzbänken ausgestattet. Er verbindet jeweils zwei Treppenhäuser miteinander.
Ein Kraftakt
Die erste komplett erneuerte Siedlung war ein Kraftakt für die kleine Genossenschaft. Dass in der Zwischenzeit praktisch alle Baumaterialien teurer wurde, sorgte für zusätzlichen Aufwand. «Trotzdem gelang durch Einsparungen beispielsweise bei der Materialwahl und dank Vertragsabschlüssen noch vor Beginn des Ukraine-Kriegs finanziell eine Punktlandung», sagt Präsident Tanner – stolz und zugleich erleichtert darüber, dass die Heimelig das Projekt jetzt abschliessen kann. «Als Letztes mussten wir noch die Mängelliste durcharbeiten. Bald können wir uns weniger dringlichen Themen widmen.»
Dazu gehört das Bilden einer Siedlungskommission, der ersten in der bald hundertjährigen Geschichte der Baugenossenschaft, die nun erstmals auch über einen eigenen Gemeinschaftsraum verfügt. Dort wird der Vorstand wohl auch die Erneuerung der beiden kleineren Siedlungen angehen. Aber nicht sogleich. Tanner sagt es mit Selbstironie: «Im Nachhinein gesehen wäre es vielleicht schlauer gewesen, mit der Gesamterneuerung nicht ausgerechnet bei der grössten Siedlung zu beginnen.» Aber die guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Architekten und der Bauleitung, die grosse Unterstützung durch den Regionalverband und die Freude über das Erreichte überstrahlen die Anstrengungen. Auch die Architekten ziehen eine positive Bilanz. Zimmermann: «Hier hat alles ineinandergegriffen – die Offenheit der Genossenschaft, das Vertrauen der Bauherrschaft und die Unterstützung durch den Verband.»
Baudaten
Bauherrschaft
Baugenossenschaft Heimelig, Zürich
Architektur
Zimmermann Sutter Architekten AG, Zürich
Landschaftsarchitektur
Freiraumarchitektur, Luzern
Baumanagement
Güntensperger Baumanagement, Zürich
Bauherrenvertretung
Von Plon Bautreuhand
Unternehmen (Auswahl)
Anliker AG, Zürich (Baumeisterarbeiten)
Burkart AG Trilegno (Fassadenbau)
4B Fenster AG (Fenster)
Herzog Küchen AG (Küchen)
Umfang
4 MFH, 79 Wohnungen mit 2 bis
5 ½ Zimmern, 1 Gemeinschaftsraum, Autogarage mit 48 Parkplätzen (6 davon für E-Autos) , 249 Veloabstellplätze
Baukosten (BKP 1-5, inkl. MwSt.)
33 Mio. CHF
3795 CHF/m² HNF
Mietzinssbeispiele
3 ½-Zimmer-Wohnung, 70 - 79m²:
CHF 1800 bis 1920 inkl. NK
4 ½-Zimmer-Wohnung, 87 - 96m²:
CHF 2040 bis 2380 inkl. NK