Rubrik: Recht

Angebot einer Ersatzwohnung im Kündigungsfall

Mieter:innen lehnen teils Ersatzobjekte ab, die ihnen aufgrund von Unterbelegung, Renovation oder Abbruch einer Liegenschaft angeboten wurden. Führt eine Ablehnung durch das Genossenschaftsmitglied dazu, dass es sein Recht auf Mieterstreckung verliert?

2024/05

Bei der Kündigung von Mietverhältnissen müssen Wohnbaugenossenschaften mit Erstreckung der Mietverhältnisse rechnen, die dazu führen, dass Mieter:innen über den Kündigungstermin hinaus in ihren Wohnungen verbleiben können. Im Genossenschaftsrecht stellt sich dabei die Frage, ob der statutarische Ausschlussgrund aus der Genossenschaft, im Sinne der Nichtannahme eines Ersatzobjekts durch den Genossenschafter bei Unterbelegung sowie Renovation und Abriss einer Liegenschaft, eine spätere Erstreckung des Mietverhältnisses zugunsten des Genossenschafters und Mieters verbieten kann.
Die Kündigung eines genossenschaftlichen Mietverhältnisses ist grundsätzlich nur mit vorgängigem Ausschluss aus der Genossenschaft möglich. Der Ausschluss ist möglich, wenn ein statutarischer Ausschlussgrund oder ein wichtiger Grund vorliegt.¹ In den Statuten dürfen lediglich Ausschlussgründe vorgesehen werden, die in sachlichem Zusammenhang mit dem Genossenschaftszweck oder der Genossenschaftstätigkeit stehen.²

Relevante Ausschlussgründe
In Anbetracht der Erstreckungsproblematik und aus sozialpolitischen Gründen wird den Genossenschaften empfohlen, die Ablehnung eines oder mehrerer Umsiedlungsangebote bei Unterbelegung und bei Renovation oder Abbruch einer Liegenschaft als Ausschlussgrund in die Statuten aufzunehmen. Durch diese statutarische Ergänzung werden Mieter:in-nen verpflichtet, in eine den Umständen entsprechende Wohnung umzuziehen, sofern sie weiterhin Teil der Genossenschaft sein möchten. Die Wohnbaugenossenschaft wird verpflichtet, ein oder mehrere entsprechende Ersatzobjekte zur Verfügung zu stellen. Diese statutarische Bestimmung sollte nur inkludiert werden, wenn die Wohnbaugenossenschaft auch über die Möglichkeit verfügt, solche Ersatzobjekte bereit zu stellen. Sobald ein oder mehrere Ersatzobjekte dem Mieter unterbreitet wurden und dieser die Ersatzobjekte ablehnt, besteht die Möglichkeit des Ausschlusses. Falls die Kündigung an den Ausschluss gekoppelt wurde, besteht damit auch die Möglichkeit der Kündigung des Mietverhältnisses.

Anforderungen ans Ersatzobjekt
Die Anforderungen an das Ersatzobjekt richten sich unter Berücksichtigung des genossenschaftlichen Mitgliedschaftsverhältnisses nach den Statuten und den Reglementen der Genossenschaft. Von einem zumutbaren Ersatzobjekt ist auszugehen, wenn es für die Genossenschafterin finanziell tragbar und sozial vertretbar ist. In Anbetracht der Unterbelegung muss daher keine gleich grosse Wohnung mit identischer Zimmeranzahl angeboten werden. Es sind lediglich allfällige Belegungsvorschriften der Genossenschaft einzuhalten.³
Ein Mietverhältnis kann erstreckt werden, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter oder dessen Familie eine gewisse Härte darstellt. Eine Erstreckung wird jedoch durch das Ablehnen eines gleichwertigen Ersatzobjekts ausgeschlossen (Art. 272a Abs. 2 OR). Hierbei muss der Mietpartei ein gleichwertiges Ersatzobjekt angeboten werden und es darf kein triftiger Grund vorliegen, wegen dem diese das Angebot ablehnen darf. Die Gleichwertigkeit richtet sich nach Preis, Lage, Grösse, Kündigungsbestimmungen sowie Zustand und Tauglichkeit des Mietobjekts.⁴ Es muss für den Gebrauch gleich wie das ursprüngliche Mietobjekt der Mieterin dienen können. Hierbei muss sie auch gewisse Kompromisse eingehen.⁵

Verbindung Genossenschafts- und Mietrecht
Fraglich ist, ob das Angebot eines Ersatzobjekts vor dem Ausschluss aus der Genossenschaft bereits einen Erstreckungsausschlussgrund im Sinne des Mietrechts darstellt. Entsprechend müsste bei Kündigung des Mietverhältnisses die Wohnbaugenossenschaft mit keiner Erstreckungsmöglichkeit von Seiten des Mieters mehr rechnen.
Dafür spricht, dass dem Mieter bewusst ist, dass bei Ablehnung eines Ersatzobjekts ein Ausschluss und folglich die Kündigung droht.⁶ Da es bei der Erstreckung gerade darum geht, den Mieter vor dem plötzlichen Wegfall der Wohnung zu schützen, erscheint ein Ablehnen eines Ersatzangebots und die spätere Berufung auf die Erstreckung daher rechtsmissbräuchlich.
Die Wohnbaugenossenschaft hat zwar beim Anbieten des Ersatzobjektes die entsprechend strengeren Anforderungskriterien aus dem Mietrecht zu beachten. Bei der Gleichwertigkeit in Bezug auf die Unterbelegung kann die Wohnbaugenossenschaft jedoch anbringen, dass ein Ersatzobjekt, das weniger Zimmer hat, dennoch gleichwertig ist, da auf den vereinbarten Gebrauchszweck des Mietobjekts abgestellt wird und die Mieter:innen über die festgelegte Zimmeranzahl pro Person Bescheid wissen.⁷ Zudem ist es möglich, dass ein vergleichsweise kleineres Ersatzobjekt mit höheren Mietkosten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als gleichwertig eingestuft werden kann.

  1. BSK OR II-Vischer/Galli, Art. 846 N 3
  2. KUKO OR-Brunner, Art. 846 N 3
  3. Schoch, Mietrechtspraxis 2017, S. 87, 104
  4. BGer 4A_421/2017, Urteil vom 27.09.2017 E. 5.6.2
  5. BGer 4A_17/2008 vom 14.03.2008 E. 6.2
  6. Schoch, Mietrechtspraxis 2017, S. 87, 105
  7. vgl. ZK-Higi/Bühlmann, Art. 272a OR N 72

Cornelia Fleischli,

Rechtsdienst

cornelia.fleischli@wbg-schweiz.ch