Martin Bachmann,
Rechtsdienst
044 360 28 42
Mo–Do 8:30–11:30 Uhr
Die Installation von Videokameras zur Verhinderung von Vandalenakten, Einbrüchen oder körperlichen Übergriffen in einem Mehrfamilienhaus ist laut einem neuen Bundesgerichtsurteil im Einzelfall zulässig. Eine generelle Berechtigung besteht nicht.
Anlass für das Urteil aus Lausanne gab die Installation einer Videoüberwachungsanlage in einem Mehrfamilienhaus, bestehend aus drei Gebäudeteilen mit je eigenen Eingängen und insgesamt 24 Wohnungen. Die drei Gebäudeteile sind durch einen internen Durchgang verbunden, worüber die gemeinsame Autoeinstellhalle und die Waschküche erreicht werden. Gesamthaft umfasste die Überwachungsanlage zwölf Kameras im Aussen- und Innenbereich des dreiteiligen Mehrfamilienhauses. Dagegen wehrte sich ein Mieter aus der Liegenschaft.
In seinem Leitentscheid hielt das Bundesgericht zunächst fest, dass auch im Rahmen eines Mietverhältnisses die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Datenschutz1 Anwendung finden. Zudem fällt die Aufzeichnung von Bildern durch eine Videoüberwachungsanlage, die es erlauben, bestimmte Personen zu identifizieren, unbestreitbar in den Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes.2 Damit erweist sich eine Videoüberwachung nur dann als zulässig, wenn gemäss Art. 4 DSG die Prinzipien der Rechtmässigkeit (Abs. 1) und Verhältnismässigkeit (Abs. 2) berücksichtigt worden sind.
Indem der Vermieter eine Videoüberwachungsanlage zum Einsatz bringt, wird er unweigerlich in die Privatsphäre der Mieterschaft, der restlichen Bewohner und der Besucher der Liegenschaft eingreifen. Rechtfertigen lässt sich dies mit privaten und öffentlichen Interessen (Art. 13 Abs. 1 DSG). Die Prüfung, ob ein Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen und setzt eine Abwägung aller betroffenen Interessen voraus.3
Legitime Interessen, die für eine Videoüberwachung sprechen, sind die Verhinderung von Vandalismus, Diebstählen und körperlichen Übergriffen (Prävention)4 und die wirksame Aufklärung entsprechender Straftaten. Damit lässt sich aber nicht jegliche Videoüberwachung rechtfertigen. Ebenso wenig ist eine Überwachung in für alle Bewohner zugänglichen Räumen ohne Zustimmung sämtlicher Betroffenen stets als unzulässig zu erachten. So kann eine Videoüberwachung im Eingangsbereich, in der Garage oder im Lift eines anonymen Wohnblocks, in dem ein Risiko von Übergriffen besteht, durchaus im Interesse aller Betroffenen sein, während dies in einem kleinen Mehrfamilienhaus, wo sich die Nachbarn kennen, normalerweise nicht der Fall sein dürfte.5
Im zu beurteilenden Fall schlossen sich die Bundesrichter der Meinung der kantonalen Gerichte an, wonach drei der zwölf Videokameras abzumontieren sind. Angesichts der überschaubaren Verhältnisse mit nur wenigen Mietern sowie fehlender Hinweise auf eine konkrete Gefährdung wurde die Videoüberwachung des Eingangsbereichs und der internen Durchgänge zur Waschküche als nicht gerechtfertigt erachtet.6
Die Videokamera muss so aufgestellt werden, dass nur die für den verfolgten Zweck erforderlichen Bilder in ihrem Aufnahmefeld erscheinen. Weiter muss für alle Personen ersichtlich sein, dass die betreffenden Räumlichkeiten videoüberwacht werden. Daher sind gut sichtbare auf die Videoüberwachung aufmerksam machende Hinweisschilder anzubringen (Art. 4 Abs. 4 DSG). Was den Betrieb angeht, so ist der Datensicherheit ausreichend Gewicht beizumessen. Ausserdem müssen die Aufnahmen innert kurzer Frist gelöscht werden. Sie dürfen nur so lange, wie es der Zweck der Videoüberwachung erforderlich macht, aufbewahrt werden. Massgebend ist also jener Zeitraum, den es braucht, bis Sachbeschädigungen oder Übergriffe festgestellt beziehungsweise gemeldet werden. Eine 24-stündige Frist erscheint angemessen. Mitunter dürften längere Fristen angezeigt sein. Weiter gilt es, zu beachten, dass die Aufnahmen nur in engen Grenzen herausgegeben werden dürfen. Selbstredend ist die Herausgabe an die Strafverfolgungsbehörden erlaubt.7
Selbstverständlich sollte der Vermieter die Mieterschaft vor der Installation einer Videoüberwachungsanlage informieren. Zudem hat er wie dargetan deren Interessen für oder gegen eine Überwachung in angemessener Weise zu berücksichtigen.