Rubrik: Recht

Ein Platz an der Sonne für Solaranlagen (Teil II)

Bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen stellen sich zahlreiche vertrags-, gesellschafts- und energierechtliche Fragen, weil viele Parteien am Bauvorhaben beteiligt sind. Im Folgenden sollen die wichtigsten Rechtsprobleme im Zusammenhang mit Solaranlagen ohne Anspruch auf Vollständigkeit erläutert werden.1

Beim Bau einer Solaranlage ist zunächst zu entscheiden, ob die Wohnbaugenossenschaft selber Eigentümerin der Anlage werden will oder ob sie lediglich das Dach für den Betrieb der Solaranlage Dritten überlassen möchte.2 Insbesondere beim Betrieb der Anlage durch Dritte bestehen diverse Ausgestaltungsmöglichkeiten (Contracting, Pachtvertrag, Baurecht). All diesen Varianten ist gemeinsam, dass der Betrieb der Anlage durch das Energieversorgungsunternehmen oder eine Contractinggesellschaft erfolgt. Die Bewohner der Liegenschaft können sich entscheiden, ob sie einen Teil ihres Strombedarfs durch die PV-Produktion direkt vom eigenen Dach beziehen wollen. Das Energieversorgungsunternehmen ist zuständig für den Netzbetrieb und die Lieferung von Energie an die Mieter, falls die Eigenproduktion nicht ausreicht (sogenannter Restbezug). Produziert die Solaranlage mehr Elektrizität, als die Haushalte verbrauchen, wird der Überschuss ins Netz eingespeist. Dies erfolgt aufgrund der gesetzlichen Abnahmepflicht des Verteilnetzbetreibers.3 Die Besitzer der Solaranlage erhalten dafür eine Vergütung. Je nachdem, welche wirtschaftlichen Überlegungen (Kosten, Abschreibungsdauer usw.) im Vordergrund stehen, wird die Eigentums- oder die Gebrauchsüberlassungsvariante gewählt. Der Bau der Anlage4 erfolgt durch unabhängige Solarfirmen oder das Energieversorgungsunternehmen, wobei die Messung durch das Energieversorgungsunternehmen erfolgt. Die Stromabrechnung an die Haushalte erfolgt in der Regel durch den Betreiber der Solaranlage, der vom Energieversorgungsunternehmeneine Rechnung für den Gesamtverbrauch am Netzanschlusspunkt erhält.

Solaranlage als Baurechtsdienstbarkeit

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dem Betreiber der Anlage ein Baurecht einzuräumen. Ein Baurecht beinhaltet das Recht, eine Baute – in unserem Fall die Solaranlage – auf fremdem Boden zu errichten und fortbestehen zu lassen. Dabei ist Folgendes zu beachten: Photovoltaikanlagen werden auf Gebäuden entweder in der Form einer Aufdachanlage erstellt, bei der ein vorhandenes Gebäude – zum Beispiel ein Flachdach – die Anlage trägt, oder die Anlage wird direkt in das Dach integriert (Indachmontage bei Schrägdachanlagen). Indachmontagen sind Teil des Gebäudes, während es sich bei einer Aufdachmontage um eine zusätzliche bauliche Vorrichtung handelt, die zumindest funktionell nicht unmittelbar mit dem Dach zusammenhängt.5 Die Abtrennung einer Solaranlage durch Einräumung eines Baurechts kann nur erfolgen, wenn die Anlage nicht zwingend Teil des Gebäudes ist, da an einem Gebäudeteil gemäss herrschender Lehre kein Baurecht begründet werden kann.6 Von vornherein ausgeschlossen ist ein Baurecht demnach bei allen integrierten Solaranlagen (Indachmontagen). Die Begründung eines Baurechtes für eine Photovoltaikanlage auf einem Dach eines Gebäudes setzt demnach kumulativ folgende Punkte voraus:7

  • Die Solarstromanlage muss baulich und funktionell eine Einheit bilden.
  • Die Solarstromanlage ist in Bestand und Gebrauch von der übrigen Baute unabhängig.
  • Die Solarstromanlage kann ohne Zerstörung des übrigen Gebäudes entfernt werden.

Das Baurecht hat für die Genossenschaft den Vorteil, dass sie nicht Eigentümerin der Anlage ist und damit keine Risiken bezüglich Haftung und Entwertung der Anlage trägt. Zudem fallen in der Form von Baurechtszinsen regelmässige Erträge an. Ein Nachteil besteht aber in der relative langen Vertragslaufzeit und der daraus resultierenden Bindung.

Contracting und Pacht der Solaranlage

Falls das Eigentum an der Anlage beim Energieversorgungsunternehmen oder einem anderen Contractor verbleiben soll, kommen zwei weitere Vertragsformen in Frage: Beim Contracting wird die Solaranlage durch eine Drittfirma gebaut und betrieben. Die Genossenschaft kauft die Solaranlage also nicht selbst, sondern bezieht lediglich den Strom, der durch die Anlage produziert wird. Der Vorteil für die Genossenschaft besteht primär darin, dass diese keine Investitionskosten tragen muss und keine Betriebsrisiken trägt. Das Energieversorgungsunternehmen schliesst dann mit den Stromkonsumenten einen Stromliefervertrag ab. Der Unterschied zwischen Pacht- und Contracting- Modell besteht darin, dass beim Pachtmodell ein fix vereinbarter Pachtzins bezahlt wird, während die Entschädigung beim Contracting aus einer fixen Grundpauschale sowie variablen Energiekosten besteht.

Errichtung einer Eigenverbrauchsgemeinschaft

Für den Eigenverbrauch ist das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit der Solaranlage mit der Verbrauchsstätte eine Voraussetzung, weswegen zu diesem Zweck eine Eigenverbrauchsgemeinschaft errichtet werden muss. Die Bewohner, die einen Stromliefervertrag mit dem Besitzer der Solarstromanlage unterzeichnen, sollten möglichst vollständig Mitglieder der Eigenverbrauchsgemeinschaft werden, um möglichst hohe Erträge erzielen zu können. Die Eigenverbrauchsgemeinschaft tritt gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen in der Regel als einfache Gesellschaft auf und erhält weiterhin von dem Energieversorgungsunternehmen die Rechnungen für den Strombezug. In der Stromrechnung wird ausgewiesen, wie hoch der Anteil des Netzstroms und der Anteil des Solarstroms vom eigenen Dach sind. Die Zuteilung des eigenverbrauchten Solarstroms an die einzelnen Strombezüger erfolgt gemäss der Wohnungsgrösse oder anhand eines sogenannten Smart-Meters, das heisst eines speziellen Messgeräts für jede einzelne Wohnung. Hat die Genossenschaft eine Eigenverbrauchsgemeinschaft gegründet, rechnet das Energieversorgungsunternehmen den Normalstrom, der zum Beispiel während der Nacht bezogen wird, nicht mehr wohnungsweise, sondern nur noch am zentralen Netzanschlusspunkt des Gebäudes ab. Die Messung und Ablesung des Verbrauchs der einzelnen Wohnungen erfolgt weiterhin durch das Energieversorgungsunternehmen. Es stellt dann die Daten der Eigenverbrauchsgemeinschaft zur Verfügung, die die Kostenabrechnung für die Mieter macht – zum Beispiel über die Nebenkostenabrechnung.

Unzulässiges Koppelungsgeschäft?

Im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Eigenverbrauchsgemeinschaft stellt sich die Frage, ob es sich dabei allenfalls um ein aus mietrechtlicher Sicht verbotenes Koppelungsgeschäft handelt, zumal der Mietvertrag mit dem Stromliefervertrag verbunden wird. Nach Art. 254 OR ist ein Koppelungsgeschäft, das in Zusammenhang mit der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen steht, nichtig, wenn der Abschluss oder die Weiterführung des Mietvertrags davon abhängig gemacht wird und der Mieter dabei gegenüber dem Vermieter oder einem Dritten eine Verpflichtung übernimmt, die nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängt. Es ist zunächst davon auszugehen, dass Mieter dank der heutzutage bei Neubauten bestehenden elektrotechnischen Möglichkeiten frei sind, der Eigenverbrauchsgemeinschaft beizutreten. Bewohner, die nicht Mitglied werden wollen, werden wie bis anhin direkt vom Energieversorgungsunternehmen beliefert. Gegen das Vorliegen eines Koppelungsgeschäfts spricht auch, dass es sich beim Strombezug nicht um ein mietfremdes Geschäft handelt,8 zumal Stromkosten als Nebenkosten mit dem Gebrauch des Mietobjekts zusammenhängen und dieser Zusammenhang damit nicht missbräuchlicher Natur ist. Zudem ist der durch den Beitritt verfolgte Zweck nicht unlauter.9 Überdies ist aufgrund der Wahlmöglichkeit des Mieters der Beitritt zur Eigenverbrauchsgemeinschaft nicht Voraussetzung für den Bestand des Mietverhältnisses, weswegen die Abhängigkeit des Mietvertrags vom Beitritt wegfällt. 10 Die Koppelung muss vom Vermieter gewollt und überwiegend in seinem Interesse sein,11 was im vorliegenden Fall aufgrund der Wahlmöglichkeit des Stroms zu Gunsten des Mieters nicht gegeben ist. Aus diesen Gründen ist das Vorliegen eines Koppelungsgeschäfts zu verneinen. In der Praxis ist es der Klarheit halber ratsam, eine vom Mietvertrag separate Vereinbarung bezüglich des Beitritts zur Eigenverbrauchsgemeinschaft vom Mieter unterzeichnen zu lassen. Darin sollen der Zweck der Eigenverbrauchsgemeinschaft wie auch eine Auflistung der anfallenden Kosten enthalten sein.

Weitere abzuschliessende Verträge

Bei bestehenden Gebäuden müssen zunächst die bisherigen Stromliefervereinbarungen der einzelnen Wohnungen mit dem Energieversorger gekündigt werden. Die neu entstandene Eigenverbrauchsgemeinschaft schliesst dann in der Regel einen Vertrag mit dem Energieversorgungsunternehmen ab. Zudem wird oft mit dem Installationsunternehmen ein Wartungsvertrag abgeschlossen. Der Betreiber der Solaranlage (entweder die Wohnbaugenossenschaft oder ein Energieversorgungsunternehmen) schliesst mit den einzelnen Bewohnern der Liegenschaft Stromlieferverträge ab. Bewohner, die nicht Mitglied der Eigenverbrauchsgemeinschaft werden wollen, werden wie bis anhin direkt vom Energieversorgungsunternehmen beliefert, sofern Smart-Meters installiert sind. Weiter schliesst die Eigenverbrauchsgemeinschaft mit dem lokalen Energieversorger einen Vertrag ab, der insbesondere den Stromrestbezug der Eigenverbrauchsgemeinschaft regelt. Die Mitglieder der Eigenverbrauchsgemeinschaft bleiben rechtlich gesehen weiterhin Endkunden des Energieversorgers.12

Statutarische Grundlage

Vor dem Bau der Photovoltaikanlage ist es meines Erachtens von Vorteil, das Eigenverbrauchskonzept in die Statuten aufzunehmen, zumal dadurch alle Mieter, die auch Genossenschafter sind, vorgängig zur Teilnahme an der Eigenverbrauchsgemeinschaft verpflichtet werden können und zusätzliche Transparenz geschaffen werden kann. Wenngleich damit die besagte Wahlfreiheit dahinfällt, liegt kein verpöntes Koppelungsgeschäft vor. Vielmehr erfüllt das Mitglied mit dem Beitritt zur Eigenverbrauchsgemeinschaft eine Mitgliederpflicht. Für den Bau einer Solaranlage ist aufgrund der Statuten meistens die Verwaltung alleine verantwortlich, zumal dies regelmässig in ihre Kompetenz und nicht in diejenige der Generalversammlung fällt.

Einspeisung des Überschusses in das Netz

Der Überschussstrom wird ins Netz eingespeist und vom Energieversorgungsunternehmen vergütet. Netzbetreiber sind auf Verlangen verpflichtet, in ihrem Netzgebiet die erneuerbare Energie in einer für das Netz geeigneten Form abzunehmen und zu vergüten.13 Die Vergütung richtet sich nach marktorientierten Bezugspreisen für gleichwertige Energie.14 Pauschale Aussagen zur Vergütung sind nicht möglich. In der Schweiz gibt es rund 700 Energieversorger mit unterschiedlichen Tarifen, weswegen die Strompreise in der Schweiz je nach Standort sehr unterschiedlich sind.15 Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass die Rückspeisetarife niedrig sind und umstritten ist, ob sie angemessen sind.16 Neben der Einspeisung ist die Zwischenspeicherung des Stroms denkbar, wobei die Kosten für einen Batteriespeicher noch hoch sind.

  1. Ich danke David Stickelberger, Geschäftsführer der Swissolar, für seine wertvollen Hinweise und Anregungen.
  2. Allgemeine Hinweise zu möglichen Geschäftsmodellen sind unter folgendem Link abrufbar.
  3. Art. 7 ff. EnG (Energiegesetz vom 26. Juni 1998; SR 730.0)
  4. Photovoltaikanlagen werden nach Art. 7a und 7abis EnG – je nach Leistungsstärke unterschiedlich – mit einer Einmalvergütung gefördert.
  5. Vgl. BGE 138 III 650, E. 6.6, S. 659
  6. BGE 111 II 134 E. 3 S. 139 f.
  7. Vgl. dazu die Weisung der Geschäftsleitung der bernischen Grundbuchämter.
  8. Vgl. ZK-Higi, N 13 zu Art. 254 OR; SVIT-Kommentar, N 17 zu Art. 254
  9. Higi, a.a.O., N 16 zu Art. 254 OR
  10. Higi, a.a.O., N 17 zu Art. 254 OR; SVIT-Kommentar, a.a.O., N 15 zu Art. 254
  11. Higi, a.a.O., N 26 zu Art. 254 OR
  12. Vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. b StromVG (Stromversorgungsgesetz vom 23. März 2007; SR 734.7)
  13. Vgl. Art. 7 EnG
  14. Art. 7 Abs. 2 EnG
  15. Vgl. dazu die Übersicht zu den Schweizer Strompreisen, sowie betreffend den Rückspeisetarif für Solaranlagen.
  16. Vgl. «Diskriminierende Tarifstrukturen – es droht ein Ausbaustopp der Photovoltaik», Dr. Rudolf Rechsteiner, Gutachten, S. 93 ff.

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

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