Rubrik: Recht

Mietzinsreduktion bei Baulärm

Alleine der Umstand von Baulärm vermag noch keinen Mangel zu begründen. Eine Baustelle auf dem Nachbargrundstück verpflichtet die Wohnbaugenossenschaft also nicht per se, die Mietzinse ihrer Bewohnerschaft zu reduzieren. Vorauszusetzen ist eine Beeinträchtigung der normalen Nutzung der Wohnung.

Bautätigkeit in der Nachbarschaft kann Anlass zu verschiedenen rechtlichen Auseinandersetzungen geben. Lärmimmissionen gehören dabei zu den häufigsten Gründen für Streitigkeiten. Das öffentliche Recht bietet hier allerdings einen gewissen Schutz.1 Weiter können sich lärmgeplagte Nachbarn auf den nachbarrechtlichen Immissionsschutz gemäss Art. 684 i. V. m. Art. 679 f. ZGB berufen.2 Im vorliegenden Beitrag steht aber die Frage im Fokus, wie der Vermieter auf Mietzinsreduktionsbegehren zu reagieren hat.

Mangel an der Mietsache

Ein Mieter kann dann eine Reduktion des Mietzinses verlangen, wenn die Mietwohnung einen Mangel aufweist (Art. 259d OR). Der Begriff des Mangels wird im Gesetz nicht näher ausgeführt. Was als Mangel zu verstehen ist, ergibt sich stattdessen aus Art. 256 Abs. 1 OR. Danach ist der Vermieter verpflichtet, die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten. Ein Mangel liegt also dann vor, wenn die Mietsache eine vom Vermieter zugesicherte Eigenschaft nicht aufweist beziehungsweise wenn die fehlende Eigenschaft vom Mieter im Hinblick auf den vertragsgemässen gebrauchstauglichen Zustand nach Treu und Glauben vorausgesetzt werden durfte. Ob ein Mangel vorliegt, hängt aber stets von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei die Zweckbestimmung des Mietobjekts, das Alter und die Beschaffenheit des Gebäudes sowie die Höhe des Mietzinses zu berücksichtigen sind.3

Bauimmissionsbedingter Mangel

In der Vielzahl der abgeschlossenen Mietverträge wird kaum eine Vereinbarung zu finden sein, wonach der Vermieter dem Mieter Lärmfreiheit zusichert. Dennoch ist ein Mindestmass an Ruhe geschuldet. Dem Mieter muss der vorausgesetzte Gebrauch der Mietsache (vollständig) möglich bleiben4, was nicht heisst, dass jeglicher Baulärm, gerade in innenstädtischen Verhältnissen, als Mangel zu verstehen ist.5 Mangelhaftigkeit liegt erst vor, wenn der Lärm besonders lange andauert, besonders intensiv ist oder zu einem besonders störenden Moment wahrgenommen wird, beispielsweise wenn der Schlaf gestört wird.6 Gestützt auf diese Kriterien verneinte das Mietgericht Zürich in einem 2014 ergangenen Entscheid das Vorhandensein eines Mangels trotz einer 45-tägigen lärmintensiven Bauzeit (Abbrucharbeiten und Erdsondenbohrungen). Dabei berücksichtigte es, dass die Bauarbeiten innerhalb der zulässigen Arbeitszeiten erfolgten und keine anderen Mieter sich über Baulärm beschwerten. Zudem wies es darauf hin, dass die Gebrauchstauglichkeit aus Sicht eines Durchschnittsbürgers zu beurteilen ist. Folgerichtig war unbeachtlich, dass die Mieter tagsüber zu schlafen pflegen. Hinzukommt, dass das Schlafzimmer der Mieter auf der der Baustelle abgewandten Seite liegt und daher weniger dem Lärm ausgesetzt gewesen sein dürfte.7

Begehren um Mietzinsreduktion

Besteht hingegen ein Mangel wegen Baulärm, so kann der Mieter beim Vermieter ein Mietzinsherabsetzungsbegehren stellen. 8 Will der Vermieter dem entsprechen, tut er gut daran, sich vom Mieter schriftlich den Verzicht auf die Geltendmachung einer weiteren Mietzinsreduktion oder weiterer Mängelrechte versprechen zu lassen. Allenfalls kann zugleich eine einvernehmliche Lösung zwischen dem Vermieter und dem Mieter einerseits und dem bauenden Nachbarn und dem Ver mieter andererseits gefunden werden. Letzteres deswegen, weil der Vermieter Mietzinsherabsetzungsansprüche aus einer benachbarten Baustelle unter gewissen Voraussetzungen unter Berufung auf Art. 679a ZGB dem Eigentümer des Nachbargrundstücks überwälzen kann.9 Letztlich lässt sich eine generelle Aussage über die Höhe der Mietzinsreduktion nur schwer machen. Als ausreichend erscheint mir eine Senkung des Nettomietzinses im Rahmen von fünf bis zehn Prozent für die Dauer der tatsächlichen Störung.

  1. Siehe dazu Umweltschutzgesetz (SR 814.01), Lärmschutzverordnung (SR 814.41) sowie «Baulärm-Richtlinie» des Bundesamtes für Umwelt BAFU.
  2. Dabei kann dem rechtmässig bauenden Bauherrn die Bautätigkeit nicht untersagt werden. Möglich bleiben gemäss Art. 679a ZGB Schadenersatzforderungen.
  3. BGE 4A_281/2009 vom 31.07.2009 E. 3.2, publ. in: MRA 1/10 S. 30
  4. Matthias Tschudi, Mietrechtliche Probleme bei Immissionen als Folge von Umgebungsarbeiten, Diss. Freiburg 2005, S. 54
  5. Beat Rohrer et al., 66 Fragen zum Mietrecht, Zürich 2010, S. 64
  6. BGE 4A_281/2009 vom 31.07.2009 E. 3.2, publ. in: MRA 1/10 S. 30
  7. Entscheid Mietgericht Zürich vom 27.10.2014, publ. in: ZMP 2014 Nr. 7
  8. BGE 4C.248/2002 vom 13.12.2002 E. 4.2: Der Mieter hat das Mass der Herabsetzung und die beanstandeten Mängel zu benennen.
  9. Vgl. Hans Giger, Berner Kommentar, 2015, N 36 zu Vorbemerkungen Art. 258-259i OR

Martin Bachmann,

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