Rubrik: Recht

Verwendungsmöglichkeiten der elektronischen Signatur

Die qualifizierte elektronische Signatur besitzt die gleiche Rechtsgültigkeit wie handschriftliche Signaturen. Trotzdem sollten Genossenschaften etwa bei Kündigungen und einseitigen Vertragsänderungen noch auf die handschriftliche Unterschrift setzen.

2022/05

Die elektronische Signatur1 ist ein technisches Verfahren und ermöglicht die Überprüfung der Echtheit von elektronischen Dokumenten sowie der Identität der unterzeichnenden Person. Mit der zunehmenden Digitalisierung und der Verbreitung von Homeoffice hat das Bedürfnis, Verträge auch elektronisch rechtsgültig unterzeichnen zu können, stetig zugenommen.
Mit dem Bundesgesetz über die elektronische Signatur wurde zusammen mit dem neu geschaffenen Art. 14 Abs. 2 bis OR die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die sogenannte «qualifizierte elektronische Signatur»² der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt ist.
Gemäss Art. 11 Abs. 1 OR bedürfen Verträge zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. Ob und wann eine Unterschrift erforderlich ist, ist in der Regel in einem Gesetz oder ausnahmsweise auch in einem Vertrag (Schriftformvorbehalt) festgelegt.
Wenn die mit einem qualifizierten Zeitstempel verbundene qualifizierte elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt ist, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die elek-tronische Unterschrift nicht zertifiziert sein muss, wenn die eigenhändige Unterschrift nicht erforderlich ist. Wenn kein Schriftformerfordernis vorliegt, können demnach alle Anbieter weltweit verwendet werden, zum Beispiel DocuSign, SignNow, Skribble, inSign usw. Die qualifizierte elektronische Signatur kommt bei Dokumenten mit gesetzlicher und vertraglicher Formvorschrift zur Anwendung.
Bei den Verträgen, für die von Gesetzes wegen die einfache Schriftlichkeit gefordert wird, kann die qualifizierte e-Signatur verwendet werden, zum Beispiel in folgenden Fällen:

  • Kündigung des Arbeitsvertrags
  • Darlehensvertrag
  • Abtretungen von Forderungen
  • Jahresbericht
  • Revisionsbericht usw.

Nicht alle Anbieter sind zulässig
Bei Schriftformerfordernis beziehungsweise qualifizierter elektronischer Signatur sollten nur zugelassene Schweizer Anbieter von Zertifizierungsdiensten berücksichtigt werden. Folgende Anbieter von Zertifizierungsdiensten sind in der Schweiz zugelassen:³

  • Swisscom (Schweiz AG)
  • Quovadis Trustlink Schweiz AG
  • SwissSign AG
  • Bundesamt für Informatik (BIT)

Zurzeit können die Zertifikate vieler ausländischer Anbieter (DocuSign, Adobe Sign, Skribble usw.) als Ersatz für die gesetzlich oder vertraglich vorgesehene eigenhändige Unterschrift nicht rechtsgültig verwendet werden. Die qualifizierte elektronische Signatur gemäss Art. 14 Abs. 2 bis OR kann grundsätzlich auch im Rahmen von Rechtshandlungen im Mietrecht Anwendung finden.
Kennt das Gesetz einen Formular-zwang wie beispielsweise bei der Ankündigung einer Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 1 OR), so liegt es am Kanton, darüber zu entscheiden, ob er dieses Formular auch in elektronischer Form zur Verfügung stellen will. Das Bundesrecht steht dem nicht entgegen, zwingt die Kantone aber auch nicht dazu.
Der Vermieter muss aber der anderen Vertragspartei die Möglichkeit bieten, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Kündigung beziehungsweise der einseitigen Vertragsänderung Kenntnis nehmen zu können. Dies wird in der Regel dadurch erreicht, dass dem Mieter die Kündigung beziehungsweise die einseitige Vertragsänderung in Papierform übergeben oder zugestellt wird.
Eine in einer E-Mail verwendete «Empfangsbestätigung» bezüglich des Empfangs diverser Unterlagen per E-Mail dürfte bei einem Distanzkauf im Internet unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten zulässig sein. Für mietrechtliche Verhältnisse fehlen Gerichtsentscheide. Beim Mietvertrag, bei dem die sozial schwächere Partei geschützt werden soll, ist davon zurzeit abzusehen.
Die Verwendung der elektronischen Unterschrift ist deshalb im Bereich des Mietrechts mit einigen rechtlichen und tatsächlichen Unsicherheiten (zum Beispiel der Beweis der Zustellung; Vorhandensein und Zugang zu einer E-Mail-adresse) behaftet. Deshalb sollte zum jetzigen Zeitpunkt noch von der Verwendung derselben im Bereich des Mietrechts – insbesondere bei empfangsbedürftigen Erklärungen wie Kündigungen und einseitigen Vertragsänderungen – abgesehen werden.
Einzige Ausnahme von den vorstehenden Ausführungen stellt der Abschluss eines Mietvertrags dar, zumal der Abschluss eines Mietvertrags keiner besonderen Form bedarf.

Fazit
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass alle Mieter digitale Korrespondenz empfangen können. Aufgrund der vorstehend gemachten Ausführungen zur Zustellung wie auch dem Zugang zu einer E-Mailadresse sollte zurzeit davon abgesehen werden, im Bereich des Mietrechts – insbesondere bei empfangsbedürftigen Erklärungen wie Kündigungen und einseitigen Vertragsänderungen – von der qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Art. 14 Abs. 2 bis OR Gebrauch zu machen.

  1. ZertES; SR 943.03
  2. «QES»; vgl. Art. 8 ZertES.
  3. Übersicht der in der Schweiz zugelassenen Anbieter von Zertifizierungsdiensten

Thomas Elmiger. lic. iur.,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch