Rubrik: Recht

Was gilt bei einseitiger Vertragsänderung?

Bei einseitigen Vertragsänderungen müssen diverse Formalitäten beachtet werden. Das betrifft etwa die Form der Mitteilung, die Begründung und die Art der Zustellung.

2022/06

Während beim Abschluss eines Mietvertrags grundsätzlich keine Formvorschriften bestehen, dieser aber aus Beweisgrün­den meist in Schriftform erfolgt, müssen bei einseitigen Vertragsände­run­gen diverse Formalitäten beachtet werden.

Mitteilung von Änderungen
In der Praxis werden häufig vertragliche Pflichten neu verteilt, beispielsweise wird nachträglich ein Grillverbot eingeführt.Mietvertragsänderungen zu Lasten des Mieters können im Rahmen eines bestehenden, unbefristeten Mietverhältnisses gestützt auf Art. 269d OR mittels amtlichem Formular erfolgen oder bei einer Neuregelung des Vertrags.¹
Art. 269d OR gilt auch, wenn die Vermieterin beabsichtigt, sonstwie den Mietvertrag einseitig zu Lasten des Mieters zu ändern, namentlich seine bisherigen Leis­tungen zu vermindern oder neue Nebenkosten einzuführen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Anwendungsbereich von Art. 269d Abs. 3 OR weit zu fassen, da die fragliche Bestimmung die im allgemeinen Vertragsrecht zulässige Änderungskündigung ersetzt.²
Jede Änderung des Gleichgewichts der Leistungen zu Lasten der Mieterin, das heisst jede «objektive Schmälerung der Benutzungsrechte» oder die Einführung neuer Pflichten, muss auf dem amtlichen Formular als einseitige Vertragsänderung mitgeteilt werden.

Bezeichnung des Erlasses
In den allgemeinen Vertragsbedingungen zum Mietvertrag (AVB) sollten nähere Ausführungen zu den Rechten und Pflich­ten des Mieters enthalten sein. Die Hausordnung regelt Bereiche, die nicht zum Mietobjekt im eigentlichen Sinn gehören, nämlich zum Beispiel das Treppenhaus oder andere gemeinschaftliche Räume. Zudem werden in der Hausordnung Regelungen wiedergegeben, die von Gesetzes wegen auch für die Mieterinnen gelten. Dazu zählen etwa die Polizeistunde oder die feuerpolizeiliche Ordnung im Treppenhaus.
In der Hausordnung können streng­genommen keine zusätzlichen Pflichten bezüglich des Mietobjekts auferlegt werden. Falls dies aber trotzdem gemacht wird, muss das amtliche Formular für alle mietvertraglichen Leistungsänderungen verwendet werden. Wenn für den Mieter neue Pflichten eingeführt oder die Benutzung des Mietobjekts (das heisst der Wohnung) eingeschränkt wird, muss eine Mitteilung der neuen Hausordnung (oder AVB) mit dem amtlichen Formular nach Art. 269d OR erfolgen. Es kommt nach Art. 18 OR nicht auf die Bezeichnung des Erlasses (AVB, Hausordnung, Vermietungsreglement) an.
Da beispielsweise ein Grillverbot eine Nutzungseinschränkung darstellt, müsste dies in Form einer einseitigen Vertragsänderung nach Art. 269d OR mitgeteilt werden. Dasselbe gilt zum Beispiel auch für die nachträgliche Einführung von Reinigungspflichten.
Eine einseitige Vertragsänderung muss gemäss Art. 269d Abs. 2 Bst. b begründet werden. Bei einseitigen Vertragsände­run­gen führt die Mangelhaftigkeit der ­Be­grün­dung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Nichtigkeit.³

«A-Post Plus» nicht gleichwertig
Seit einigen Jahren bietet die Post beim Versand von Schreiben nebst A- und B-Post sowie eingeschriebenem Brief auch eine Zwischenform mit der Bezeichnung «A-Post Plus» an. Im Unterschied zu eingeschriebenen Briefpostsendungen wird bei A-Post Plus der Empfang durch den Empfänger nicht bestätigt, sondern die Postbotin erfasst elektronisch die Zustellung, wenn die A-Post-Plus-Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird. Mit einem «Track & Trace»-Auszug kann demnach nicht direkt bewiesen werden, dass die A-Post-Plus-Sendung tatsächlich in den Empfangsbereich des Empfängers gelangt ist, sondern nur, dass die Post einen entsprechenden Eintrag in ihrem Erfassungssystem gemacht hat.⁴ Wird der Empfang der A-Post-Plus-Sendung von der Mieterin bestritten, erlaubt das System keinen ausreichenden Nachweis der Zustellung beziehungsweise liegt keine Empfangsbestätigung vor.
Viele Mietverträge sehen zudem vor, dass die vermieterseits auf dem amtlichen Formular angezeigte Vertragsänderung oder Kündigungen per Einschreiben versandt werden müssen. Erfolgt der Versand des Kündigungsformulars nicht per Einschreiben, besteht die Gefahr, dass die einseitige Vertragsänderung aufgrund des Formfehlers als ungültig qualifiziert werden könnte, da ein Formvorbehalt im Sinne von Art. 16 Abs. 2 OR im Mietvertrag vereinbart wurde.
Auf keinen Fall empfiehlt es sich zum heutigen Zeitpunkt, einseitige Vertragsänderungen nach Art. 269d OR per A-Post Plus zu versenden, da die Zustellung nicht rechtsgenüglich nachgewiesen werden kann. Das gleiche gilt für Zahlungsverzugsmahnschreiben mit Kündigungsandrohung nach Art. 257d OR sowie ­Mietzinsanpassungen. Aufgrund obiger Ausführungen gilt dies auch für die Zustellung von Kündigungen.

Fazit
Sofern mietvertragliche Pflichten neu zu Lasten des Mieters verteilt werden, sollte dies grundsätzlich mit einer einseitigen Vertragsänderung erfolgen – unabhängig davon, ob es sich um Änderungen in den AVB, im Vermietungsreglement oder in der Hausordnung handelt. Einseitige Vertragsänderungen sollten weiterhin per eingeschriebenem Brief und nicht per ­A-Post Plus verschickt werden.

  1. BGE 128 III 419 Erw. 2.4.1 = Pra 92 (2003) Nr. 7
  2. BGE 125 III 231 E. 3b)
  3. BGE 120 II 206 sowie BGer 4A_409/2009 E. 2.1 und BGE 121 III 6
  4. BGer 5A_547/2015 vom 4. Juli 2016 E. 2.5 und 2.6

Thomas Elmiger,

Rechtsdienst

thomas.elmiger@wbg-schweiz.ch