Rubrik: Recht

Vorstandsentschädigungen

Sind bei Vorstandsentschädigungen Sozialabgaben zu leisten? Dürfen Vorstandsmitglieder Mandate für Genossenschaften über eigene Firmen abrechnen? Wann befindet sich ein Vorstandsmitglied in einem Interessenskonflikt?

Februar 2020

Solche und ähnliche Fragen der Cor­porate Governance und des Sozialversicherungsrechts haben beim Rechtsdienst gerade Saison. In den letzten Jahren hat sich diesbezüglich aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids eine Praxisänderung ergeben.¹

Vorstandsentschädigung ist Lohn
Grundsätzlich gehört die Entschädigung für ein Vorstandsmitglied aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht immer zum massgebenden Lohn.² Ein Vorstandsmitglied ist unselbständiger Ar­beit­neh­mer der Genossenschaft. Die Genossenschaft hat auf die Entschädigungen – unabhängig davon, ob diese unter dem Titel Honorar, Salär oder Sitzungsgeld geleistet werden – Sozialabgaben zu leisten. Ausgenommen davon sind Spesenentschädigun­gen. Das Verhältnis zwischen Spesen und Vorstandsentschädigung muss jedoch in einem angemessenen Verhältnis stehen, da Spesen nicht als Einkommen versteuert werden müssen. Aus diesem Grund sind Pauschalspesen auf dem Lohnausweis anzugeben.

Abrechnung über Firma des Vorstandsmitglieds
Um spezifisches Fachwissen oder eine unabhängige Person in das Vorstandsgremium einzubringen, werden bei Genossenschaften vermehrt externe Personen beigezogen, die nicht Genossenschafter sind. Deren Entschädigung hat ihre Tücken. Nur wenn folgende Voraussetzungen³ erfüllt sind, muss die Genossenschaft keine Sozialabzüge vornehmen: das Entgelt muss direkt an die Drittfirma ausbezahlt werden, das Vorstandsmitglied muss als Arbeitnehmer der Drittfirma diese Firma im Vorstand vertreten.

Diese Ausnahme der Abzugspflicht kommt somit nur dann zum Tragen, wenn die Genossenschaft eine Aktiengesellschaft im Vorstand vertreten haben möchte. In den meisten Fällen wird jedoch eine natürliche Person in den Vorstand gewählt, nicht ein Vertreter einer an der Genossenschaft beteiligten juristischen Person. In diesem Fall sind Sozialabzüge vorzunehmen.

Abrechnung über Privatkonto
Konsequenterweise müsste im Fall, dass die Privatperson als Vorstandsmitglied gewählt wird, das Honorar oder Sitzungsgeld an die Privatperson, nicht an die von dieser Person beherrschte Drittfirma, deren Inhaberin, Angestellte und Alleinaktionärin sie ist, ausbezahlt werden.

Interessenskonflikte
Entscheidet sich eine Genossenschaft, Fachleute in ihre Vorstände wählen zu lassen, so ist es naheliegend, dass diese Fachpersonen später fachspezifische Arbeiten übernehmen. Immer häufiger werden solche Aufträge über die bereits bestehende oder für diesen Zweck gegrün­dete Firma ab­gerechnet. Die Aufträge werden dann an diese Firmen erteilt. Das Recht kann sich dieser Praxis nicht verschliessen, obwohl solche Aufträge als sogenannte Doppelvertretungen grundsätzlich unzulässige Insichgeschäfte darstellen. Der Gesetz­geber hat dies in Art. 899a OR neu wie folgt gelöst.

Dokumentation Interessenskonflikt
Schliesst die Genossenschaft mit dem Vorstandsmitglied oder seiner Firma einen Vertrag ab, muss dieser schriftlich abgefasst werden. Vom Schriftlichkeitserfordernis ausgenommen sind Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt. Verschiedene Leistungen werden zusammengezählt.

Marktkonformität
Neben der Schriftlichkeit verlangt das Bundesgericht weitere Voraussetzungen. So darf das Geschäft höchstens zu Drittbedingungen (Marktwert) abgeschlossen werden und das betreffende Vorstandsmitglied muss auf Seiten der Genossenschaft in den Ausstand treten. Übersteigt die Leistung eine Grenze (beispielsweise 10 000 Franken), so könnte man im Organisationsreglement festhalten, dass der Gesamtvorstand darüber zu befinden hat. Bei von Behörden kontrollierten Genossenschaften sind zudem allfällige öffentlich-rechtliche Vorschriften zu beachten. In der Stadt Zürich etwa gibt es Vorschriften zur Gesamtentschädigung, die dem Vorstand maximal ausgerichtet werden darf. Ferner ist vorgeschrieben, dass Vorstandsmitgliedern nebst der Vorstandsentschädigung in der Regel nur die Arbeit in der Baukommission zusätzlich abgegolten werden darf.

  1. BGE 133 V 498 Erwägung 5.2, darauf stützend Wegleitung, gültig ab 1. Januar 2020 (318.102.02 d), EDI BSV, Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO
  2. Art. 5 Abs. 2 AHVG und Art. 7 Bst. h AHVV
  3. Wegleitung RN 2054

Myriam Vorburger,

Rechtsdienst

044 360 28 42
Mo–Do 8:30–11:30 Uhr